Das Zahlenwerk, das Finanzreferentin Anna Barbara Keck dem Schweinfurter Stadtrat zur Genehmigung für den Haushalt 2024 vorlegte, ist wieder ein beeindruckendes: Die drittgrößte Stadt Unterfrankens nach Würzburg und Aschaffenburg plant im kommenden Jahr Ausgaben von 288,5 Millionen Euro. Und verzeichnet ein dickes Minus von 24,7 Millionen Euro. Das liegt vor allem an den vielen laufenden Projekten wie der Sanierung des Theaters und dem Neubau der Körnerschule im Stadtteil Bellevue. Aber nicht nur.
Schweinfurt ist mehr als andere Kommunen vergleichbarer Größe abhängig von der Gewerbesteuer. In guten Zeiten vor 2019 sprudelte sie wie das Wasser über die Niagara-Fälle im US-Bundesstaat New York: im Überfluss. Doch seit 2019 sinken die Einnahmen, vor allem die Großindustrie fällt als Gewerbesteuerzahler aus. Im Vergleich zu den besten Zeiten fehlen im Moment über 20 Millionen Euro pro Jahr. Die Konsequenz: Projekte müssen neu priorisiert werden, die Finanzreferentin mahnt sehr deutlich zu Sparsamkeit.
Die Frage, wie sich die Zukunft der Stadt darstellt und welche Projekte man noch umsetzen kann und welche nicht, zog sich auch durch die traditionellen Haushaltsreden aller neun Fraktionen und Gruppen im Stadtrat. Auch wenn der Haushalt erwartbar mit großer Mehrheit von CSU, SPD, Grünen, AfD und proschweinfurt genehmigt wurde: Mahnende Worte an Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) und die Verwaltung waren bei allen Reden mit dabei.
Die CSU will Optimismus verbreiten, die SPD spricht von Wunschdenken
Grundsätzlich wollte CSU-Fraktionsvorsitzender Stefan Funk in seiner Haushaltsrede "Optimismus verbreiten", denn "wir wollen, dass sich in dieser Stadt was dreht." Er hatte aber auch mahnende Worte, denn die schwierige Haushaltslage der Stadt hat mehrere Ursachen. Natürlich sind Bund und Freistaat zu nennen, die immer mehr Aufgaben an die Kommunen delegieren. Ein seit Jahren nicht gelöstes Problem in Schweinfurt ist aber das sogenannte strukturelle Defizit: Der Verwaltungshaushalt ist nur dann kostendeckend, wenn die Gewerbesteuer entsprechend fließt.
Seit Jahren mahnt die CSU-Fraktion ein Organisationsgutachten für die gesamte Verwaltung an, denn nicht nur bei den Großprojekten geht es um neue Prioritäten, sondern auch bei der Frage, wie und wo das Personal der Stadt eingesetzt wird. Aus Funks Sicht braucht es "kürzere Wege, weniger Besprechungen und mehr Entscheidungen. Wir sehen die Verwaltung in der Innenstadt und nicht in Teilen in Ledward", erklärte er. Außerdem bedürfe es zeitgemäßer Technik und, auch das als Spitze durch die Blume zu verstehen, "Controlling soll helfen zu steuern, nicht zu verhindern."
Bei SPD-Fraktionssprecherin Kathi Petersen "löst der Haushalt keine Begeisterung aus", denn man vermisse "Zukunftsperspektiven." Aus ihrer Sicht sind viele geplante Projekte schlicht "Wunschdenken": das Kulturforum am Martin-Luther-Platz zum Beispiel, die Sanierung des Servicebetriebs für geschätzte 67 Millionen Euro oder der aus SPD-Sicht in dieser Größe überflüssige Bürgerpark in der Ledward-Kaserne. Eindringlich ihr Appell in Sachen Wirtschaftsstandort: Hier müsse der OB aktiver werden, "wir haben zwar nicht auf die Transformation selbst Einfluss, aber auf die Rahmenbedingungen in unserer Stadt."
Grüne vermissen "Mut und Esprit", AfD sieht verfehlte Bundespolitik
Dass sich der Haushalt angesichts der schlechten Rahmenbedingungen "im Grunde von selbst aufstellt", betrübte Grünen-Fraktionssprecher Holger Laschka: "Wir vermissen Mut und Esprit, denn wir glauben, Schweinfurt kann mehr." Wie CSU-Fraktionschef Funk, mit dessen Partei die Grünen im Stadtrat koalieren, kritisierte Laschka, dass das Thema "strukturelles Defizit" nicht angegangen wird. Aus seiner Sicht müsse man verstärkt die Chancen moderner IT und künstlicher Intelligenz für Verwaltungsprozesse ausloten, um das Personal zu entlasten.
AfD-Fraktionsvorsitzender Richard Graupner sah vor allem die aus seiner Sicht "fatale" Wirtschafts- und Klimapolitik der Bundesregierung sowie die "ungelöste Migrationskrise" als Ursache für Probleme vor Ort. Seine Fraktion stimme "trotz skeptischem Blick in die Zukunft" dem Haushalt zu, sehe aber vor allem Bund und Freistaat in der Finanzierungspflicht.
Freie Wähler wollen Fokus auf Innenstadt, Linke fordern Konzentration auf Industrie
Abgelehnt wurde der Haushalt von den Freien Wählern, "wegen falscher Priorisierung", wie Adi Schön ausführte. Er kritisierte den Bürgerpark in Ledward und die Sanierung der Panzerhalle 237 als "überdimensioniert und zu teuer". Die Investitionen sollten lieber in der Innenstadt getätigt werden, insbesondere beim Kulturforum. In der Kaserne fordern die Freien Wähler stattdessen einen Innovationspark.
Linken-Fraktionsvorsitzender Frank Firsching erwartete sich eine neue, offensive Industriepolitik des OBs. "Es braucht Mut, anzupacken, um Industrie zu halten und neue Investitionen in die Stadt zu holen", so Firsching. Kritik übte er aber auch am Freistaat Bayern, der sich in vielen Bereichen wie Krankenhausfinanzierung, Kindertagesstätten oder Übernahme der Rathenau-Lehrer seiner Verantwortung nicht stelle. Ein "Schildbürgerstreich" des Freistaates sei es, bei der Kreditaufnahme für Kommunen darauf zu beharren, dass erst Rücklagen aufgebraucht sein müssten.
Mehr Klimaschutz und keine Erhöhung der Gewerbesteuer
Fehlenden Gestaltungswillen des OBs attestierte Georg Wiederer (FDP), für den die lokale Wirtschaftsförderung Priorität hat. "Wir müssen auch wieder mutig sein und große Projekte angehen", so Wiederer. Ulrike Schneider (Zukunft./ödp) kritisierte, die Stadt nehme das Ziel Klimaneutralität bis 2035 nicht ernst genug: "Wir müssen den Klimawandel in den Griff bekommen, sonst haben wir keine Zukunft." Christiane Michal-Zaiser (proschweinfurt) mahnte, sich nur auf die Pflichtaufgaben zu konzentrieren "ist keine weitsichtige Stadtpolitik." Sie forderte einen Technologiepark in Ledward und sprach sich gegen eine Gewerbesteuererhöhung aus.