Wie steht es um die Finanzen der Stadt Schweinfurt? Was kann man sich noch leisten? Was muss zwingend saniert werden? Welches Projekt kann verschoben werden? Von welchem muss man sich endgültig verabschieden? Welche Folgen hat das für die Bürgerinnen und Bürger? Diese Fragen stellen sich Verwaltung und Stadtrat seit der Corona-Pandemie verstärkt.
Vor allem, weil die einstmals glänzend von sprudelnder Gewerbesteuer lebende Stadt heute den finanziellen Gürtel deutlich enger schnallen muss. Aber ist es auch gerechtfertigt, Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) "Scheinheiligkeit" vorzuwerfen, wie es FDP-Stadtrat Georg Wiederer tat?
Im Hauptausschuss sorgte der an sich eher unspektakuläre Tagesordnungspunkt "Jahresabschluss für das Haushaltsjahr 2022" für eine erstaunlich grundsätzliche Diskussion, die ein Vorbote für die Haushaltsberatungen im November war: Es geht um die grundsätzliche Ausrichtung der Stadtpolitik, um die Zukunft in fünf bis zehn Jahren.
Finanzreferentin Anna Barbara Keck gab einen Überblick über das Haushaltsjahr 2022, das ernüchternde Zahlen beinhaltete. Statt eines geplanten Überschusses von 21,8 Millionen Euro schloss der Haushalt 2022 mit einem Minus von satten 17 Millionen Euro. Das hat zur Folge, dass die Rücklage – also das Geld auf dem Sparbuch, wenn man so will – jetzt nur noch 84,6 Millionen Euro beträgt. Und aufgrund der laufenden Großprojekte wie Sanierung des Theaters und Neubau der Körnerschule mit Turnhalle und Kita in Bellevue in den nächsten zwei bis drei Jahren auf Null sinken wird. "Wir leben von der Liquiditätsreserve und dem Verschieben von Projekten", so Keck.
Weniger Steuereinnahmen und stark gestiegene Kosten in 2022
Das deutliche Minus im Haushalt 2022 hat verschiedene Ursachen: Keine Corona-Hilfen des Staates mehr, deutlich weniger so genannte Schlüsselzuweisungen des Freistaates sowie stark steigende Kosten in vielen Bereichen – von der Infrastruktur bis zur Bezirksumlage.
Ein großes Thema seit Jahren: Die Bauverwaltung nimmt sich zu viel vor, kann aber aus verschiedenen Gründen nur einen Bruchteil umsetzen. Für 2022 waren Ausgaben von 64,4 Millionen Euro geplant, ausgegeben wurden nur 22 Millionen. Die Differenz hat die Stadt nicht gespart, sondern muss das Geld einfach in späteren Jahren ausgegeben.
"Die Krisen", so Anna Barbara Keck mit Verweis darauf, dass es nicht nur um Corona geht, sondern zum Beispiel auch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Folgen für Europa, "zehren kontinuierlich die Rücklage auf". Das Problem ist die Abhängigkeit von der Gewerbesteuer, wo man weit weg ist von den Höchstzahlen wie 2018, als 73 Millionen Euro in den Stadtsäckel flossen. 2022 waren es nur noch 53,6 Millionen Euro, für 2023 hofft man darauf, die 50-Millionen-Marke zu erreichen. Die Prognosen derzeit versprechen aufgrund der unsicheren Weltwirtschaftslage zumindest kurzfristig keine Besserung.
Oberbürgermeister mahnt zu vorsichtigem Agieren
Die Frage, die sich aufdrängt: Kann man sich die vielen Projekte vom Kulturforum über Kassenhaus-Sanierung, Restrukturierung des Servicebetriebs bis zu Maxbrücken-Neubau überhaupt leisten? Was muss man machen, was kann man schieben? Vor kurzem stellte ein Planungsbüro vor, womit man bei Sanierung und Neubau des Servicebetriebs am Sennfelder Bahnhof rechnen muss: 62 Millionen Euro.
In diesem Zusammenhang hatte der OB erklärt: "Wir können uns Wünschenswertes nicht mehr leisten und Erforderliches nur in begrenztem Umfang." Im Hauptausschuss erklärte er, "vorsichtiges Agieren" sei im Hinblick auf die nähere Zukunft wichtig. Man halte an allen geplanten Projekten fest, müsse sich aber im Hinblick auf die Finanzen genau überlegen, was man wie priorisiere.
Georg Wiederer kritisierte das: "Ist Ihre Mahnung nicht scheinheilig? Es sind Projekte, die Sie mit Ihrer Mehrheit im Stadtrat beschlossen haben, die nun verschoben werden müssen." Wiederer forderte eine veränderte Herangehensweise: Nicht den Mangel verwalten, sondern sich überlegen, wie man die Einnahmen der Stadt erhöhen könnte. Der FDP-Stadtrat sieht dabei nicht das Thema höhere Gewerbe- oder Hundesteuer im Fokus, sondern neue Gewerbegebiete, gezielte Ansiedelung von Firmen aus neuen Branchen, Neubaugebiete für Familien und vor allem eine deutlich aktivere Wirtschaftsförderung.
Braucht die Stadt Schweinfurt einen neuen Wirtschaftsreferenten?
Sebastian Remelé wies die Kritik zurück. Die Projekte habe man gemeinsam entwickelt und vor allem "der Stadtrat beschlossen". Man müsse außerdem zur Kenntnis nehmen, dass die Stadt kaum Entwicklungsmöglichkeiten habe: Das Gewerbe- und Industriegebiet Maintal zum Beispiel sei fast komplett ausverkauft. In Sachen Wohnbebauung ließ Remelé Wiederers Kritik auch nicht gelten: In der Konversionsfläche Bellevue habe man Flächen ausgewiesen, im Kessler Field werde der Bebauungsplan entwickelt.
Die Feststellung von Ralf Hofmann (SPD), man sei in einem "Teufelskreis gefangen" zwischen Haushaltsdisziplin und Projekten, die die Stadt zukunftsfähig machen, traf die Stimmung. Hofmann sieht die Haushaltsberatungen im November als den richtigen Zeitpunkt, "ohne Schuldzuweisungen die Richtung auszudiskutieren".
Was Remelé von einer völlig neu aufgestellten Wirtschaftsförderung hält
Eine könnte sein, dem fraktionsübergreifenden Antrag für eine völlig neu aufgestellte innovative Wirtschaftsförderung mit einem neuen Wirtschaftsreferent zu folgen. Georg Wiederer und Frank Firsching (Linke) plädierten für eine regionale Strukturpolitik unter Federführung der Stadt. Für den OB, derzeit auch als Wirtschaftsreferent tätig, nicht notwendigerweise der richtige Weg: "Glaubt jemand, dass ein Wirtschaftsförderer, egal wie wir das Amt personell ausstatten, die wirtschaftliche Lage in Schweinfurt und in Bayern schnell und nachhaltig verbessert?"
Diese Illusion müsse er dem Stadtrat nehmen, so der OB, der betonte, den Strukturwandel der Industrie begleiten könne eine Stadt wie Schweinfurt nur mit Hilfe von millionenschweren Fördermitteln des Freistaates. Dorthin müsse sich der Blick richten.
Diese "Aktualität" sagt doch schon sehr viel über die Arbeitsweise der Schweinfurter Verwaltung aus. Die dort aufgeführten Großprojekte, die bis heute schon abgeschlossen oder wenigsten begonnen sein sollten, sind größtenteils schon Geschichte (Landesgartenschau, I-Factory) oder in unbestimmte Zukunft verschoben (Kulturforum, Neubau Maxbrücke, Neubau Stadthalle).
Und im Servicebetrieb Bau- u. Stadtgrün soll ein Sanierungsbedarf mit unglaublichen 62 Millionen Euro bestehen, ein Betrag fast so hoch wie die aktuelle Rücklage.
Unser OB aber mahnt zur Gelassenheit.
Siehe https://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/abriss-und-neubau-der-maxbruecke-schweinfurts-ob-mahnt-zu-gelassenheit-art-10796421.
Zukunft findet Stadt, mit solchen hohlen Marketing-Sprüchen wird gerne auch Versagen kaschiert.
Ja, ich. Denn Nichtstun ist keine Option.