Gottfried Bindrim ist enttäuscht. "Dass gerade einmal knapp 30 Prozent der unterfränkischen Politikerinnen und Politiker reagiert haben", hält er für "ein beschämendes Bild". Der Schweinfurter Caritas-Sozialstationsleiter hatte Anfang Juli einen Brandbrief an die 13 Bundestags- und 19 Landtagsabgeordneten aus Unterfranken geschickt. Einen Brief, in dem er eindrücklich auf die Situation in der Pflege – auch im Hinblick auf die Corona-Pandemie – im Raum Schweinfurt einging. Seiner Meinung nach ist sie Lage nicht nur seit der Kündigung zahlreicher Pflegeverträge durch die Diakonie zu einer "Pflegetriage" ausgeufert.
Nur zehn Abgeordnete hätten sich auf seinen Brief zurückgemeldet, sagt Bindrim jetzt. Für ihn sei es "im Grunde für alle Politiker ohne Reaktion ein riesiges Armutszeugnis, hier noch nicht einmal den Eingang des Schreibens zu bestätigen". Diese Redaktion hat bei den Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern, die sich bei dem Sozialstationsleiter meldeten, nachgefragt: Was sagen sie zu dem Schweinfurter Brandbrief?
Einige antworteten in einer gesonderten Stellungnahme, andere schickten ihre teils mehrere Seiten umfassende Antwort an Bindrim auch an diese Redaktion. Manche Parteikollegen antworteten gemeinsam. Der Schweinfurter Landtagsabgeordnete Richard Graupner (AfD) schickte eine Antwort an Gottfried Bindrim, ließ der Redaktion jedoch kein Statement zukommen.
1. Anja Weisgerber (CSU), Bundestagsabgeordnete aus Schwebheim
Die CSU-Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber antwortete auf den Brandbrief von Gottfried Bindrim auch im Namen ihrer Parteikollegen Paul Lehrieder und Gerhard Eck. Neben einer Würdigung der pflegerischen Arbeit führt sie an, dass die unionsgeführte Bundesregierung in den vergangenen Jahren immer wieder Verbesserungen in der Pflege vorangebracht habe. Die Pandemie habe jedoch gezeigt und zeige noch immer, dass weitere Anstrengungen notwendig seien, um die Bedingungen für in der Pflege tätige Fachkräfte und Pflegebedürftigen zu verbessern und gegebenenfalls Entscheidungen aus der Vergangenheit, beispielsweise bei den Dokumentationspflichten, zu überdenken.
In Sachen Pandemiemanagement könne sie Bindrim nur zustimmen, schreibt Weisgerber. Der aktuellen Bundesregierung fehle es an einer einheitlichen Linie, "was man nicht nur an der gescheiterten Impfpflicht sieht". Zu der seit März geltenden Corona-Impfpflicht für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen wünscht sich Weisgerber eine Auswertung sowie einen Ausblick auf die Zukunft. Dass sich die Definition, wer als vollständig geimpft gilt, ändere, habe "auch weitreichende Auswirkungen auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht" und stelle "Einrichtungen und Gesundheitsämter erneut vor Herausforderungen".
Sie habe dem Leiter der Caritas-Sozialstation ein persönliches Treffen angeboten, sagt die Schweinfurter CSU-Politikerin. Und: "Schreiben, wie der Brandbrief von Herrn Bindrim, sind wichtig für uns und unsere politische Arbeit. Denn nur wenn wir wissen, wo der Schuh drückt, können wir uns dafür einsetzen, dass sich etwas ändert."
2. Markus Hümpfer (SPD), Bundestagsabgeordneter aus Schonungen
Markus Hümpfer, der SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Schweinfurt-Kitzingen, ließ über sein Büro mitteilen, dass er sich zusätzlich zu einer Antwort auch mit Gottfried Bindrim persönlich unterhalten habe. Er sei der Meinung, "dass sich im Bereich der Pflege dringend etwas ändern muss und die Arbeit, die die Pflegenden leisten, aufgewertet werden muss". Besonders durch die Pandemie sei dies deutlich geworden. Im Mai habe die Ampel-Koalition daher das Pflegebonus-Gesetz verabschiedet und außerdem die Weichen für eine stärkere Tarifbindung in der Pflege gestellt.
"Im Koalitionsvertrag wurde außerdem festgelegt, dass ein Instrument zur bedarfsgerechten Personalbemessung in der Krankenpflege eingeführt werden soll", heißt es in Hümpfers Antwort weiter. Dies seien "auf jeden Fall Schritte in die richtige Richtung, um den Pflegeberuf auch zukünftig attraktiver zu gestalten". Der regelmäßige Austausch mit den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen in Schweinfurt sei ihm besonders wichtig, um über die aktuelle Lage vor Ort und die Bedürfnisse des Gesundheitspersonals im Bilde zu sein, so der SPD-Politiker.
3. Sabine Dittmar (SPD), Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium aus Maßbach
Sabine Dittmar, SPD-Politikerin aus dem Wahlkreis Bad Kissingen, hat einen persönlichen Termin mit Gottried Bindrim ausgemacht, bei dem sie ihn in Schweinfurt besucht. Auf Nachfrage dieser Redaktion teilte sie im Vorfeld des Gesprächs mit: "Eines möchte ich aber deutlich machen: Für mich als Medizinerin und Gesundheitspolitikerin gibt es nichts daran zu rütteln, dass in Einrichtungen wie Pflegeheimen und Krankenhäusern selbstverständlich andere Anforderungen an den Infektionsschutz bestehen als bei einem Bürojob oder im Speditionsbereich." Beschäftigte im Pflegebereich versorgten und betreuten hoch vulnerable Personengruppen, sodass der Eigen- und Fremdschutz durch Masken, Hygienemaßnahmen, Testverfahren und einen umfassenden Impfstatus eine Selbstverständlichkeit sein müsse.
4. Volkmar Halbleib (SPD), Landtagsabgeordneter aus Ochsenfurt
Der Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib (SPD) aus dem Landkreis Würzburg spricht in seiner Antwort an Gottfried Bindrim einige Verbesserungen für Pflegebedürftige und Pflegekräfte an, wie etwa "die Begrenzung des Eigenanteils von pflegebedürftigen Personen in stationären Einrichtungen, der Einführung von bundeseinheitlichen und verbindlichen Personalanhaltswerten für stationäre Einrichtungen oder Entlohnung nach Tarif oder kirchenarbeitsrechtlichen Regelungen als Bedingung für die Zulassung zur Versorgung für Pflegeeinrichtungen (ab 1. September 2022)". Die "Misere der zu wenigen Pflegekräfte", so Halbleib, sei damit jedoch nicht behoben.
Er bekomme mit, dass die "Skepsis gegenüber einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht und anderen Schutzmaßnahmen sehr groß" sei, schreibt der SPD-Politiker. "Leider hat die von Ihnen geforderte allgemeine Impfplicht bei der Abstimmung im Bundestag keine Mehrheit gefunden, weil die Unionsfraktion nicht zugestimmt hat", so Halbleib an Bindrim. Es seien nicht "die Politiker zu feige", sondern bestimmte Parteien und Fraktionen hätten sich der Verantwortung entzogen.
Was die Bezahlung der Pflegekräfte angeht, weist Halbleib auf die Anstrengungen hin, die Tarife insbesondere in privaten Pflegeeinrichtungen durch einen standardisierten Einheitstarif anzuheben. Gescheitert sei dies an der fehlenden erforderlichen Zustimmung der großen Träger, unter anderem auch der Caritas, so der Landtagsabgeordnete: "Dafür mag es nachvollziehbare Argumente aus Verbandssicht geben, aber insgesamt wurde eine große Chance zur Verbesserung der Bezahlungssituation für alle Pflegekräfte vertan, aber nicht durch Entscheidungen 'der Politik'".
Er halte es für zentral, die Pflege von unnötigen bürokratischen Auflagen zu entlasten. Aber: "Solange Pflege immer nur im Zusammenhang mit 'Problem', 'Skandal', 'Notstand', 'Misere' oder 'Mangel' thematisiert wird, solange müssen wir uns nicht wundern, dass Viele, die geeignet wären, nicht in der Pflege arbeiten wollen." Er habe Bindrim angeboten, ihn für ein persönliches Gespräch in Schweinfurt zu besuchen, teilt Halbleib mit.
5. Manfred Ländner (CSU), Landtagsabgeordneter aus Kürnach
Auch Manfred Ländner, CSU-Landtagsabgeordneter aus dem Stimmkreis Würzburg-Land, hielt sich kurz in seiner Antwort an diese Redaktion. Er teilte lediglich mit, er habe Gottfried Bindrim angerufen. Auf Nachfrage bestätigte Bindrim den Anruf, Ländner habe ihm in dem Gespräch "jedoch keinerlei Hoffnungen gemacht".
6. Paul Knoblach (Bündnis 90/Die Grünen), Landtagsabgeordneter aus Bergrheinfeld-Garstadt
Eine sehr ausführliche Antwort erhielt der Schweinfurter Sozialstationsleiter von dem Landtagsabgeordneten Paul Knoblach, der selbst mehr als 35 Jahre als Krankenpfleger in Werneck (Lkr. Schweinfurt) tätig war. Er antwortete auch im Namen seiner Grünen-Parteikollegin Manuela Rottmann, Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Bad Kissingen. Knoblach schreibt: "Die mit Ihrem Schreiben übermittelte Emotionalität kann ich nicht nur nachvollziehen, sie wirft mich zurück in die Vergangenheit und zeigt auf dramatische Weise, dass (...) die zwingend notwendigen, grundlegenden Reformen des Gesundheits- und Pflegewesens bisher ausgeblieben sind." Die einrichtungsbezogene Impfpflicht halte er "nach wie vor für richtig", so Knoblach, deshalb lehne er eine vorzeitige Aussetzung ab.
"Balkonapplaus, warme Worten und Einmalzahlungen" würden nicht ausreichen, um die "grundlegenden Missstände im Gesundheits- und Pflegewesen" zu beheben. Dies, so der Politiker aus Garstadt, werde "keine Pflegefachkraft dazu animieren, wieder in ihrem Bereich tätig zu werden. Nicht, weil die Pflegenden nicht mehr wollen, sondern weil sie (...) einfach nicht mehr können."
Die Grünen hätten sich auf Bundesebene vorgenommen, die Lohnsituation insgesamt zu verbessern, "um insbesondere die Gehaltslücke zwischen Kranken- und Altenpflege zu schließen". Zudem gehe es um tarifgemäße Bezahlung, bedarfsgerechte Personalbemessungsverfahren und um eine Erhöhung der Attraktivität des Pflegeberufs: "Etwa mit einer Steuerbefreiung von Zuschlägen, der Abschaffung geteilter Dienste, der Einführung trägereigener Springerpools und dem Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten für Menschen mit betreuungspflichtigen Kindern."
Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege werde ein Schwerpunkt der Arbeit der Grünen auf Bundesebene in den kommenden Jahren sein, schreibt Knoblach. Er spreche sich für die "Pflegepersonalregelung 2.0" aus, die er für "die Grundlage für zukünftige Personalstandards in der Pflege" hält und die "den Pflegekräften konkrete Perspektiven für einen Zuwachs an Kolleginnen und Kollegen" verschaffe.
7. Winfried Bausback (CSU), Landtagsabgeordneter aus Aschaffenburg
Der Aschaffenburger CSU-Landtagsabgeordnete Winfried Bausback antwortete kurz und knapp auf den Brief des Schweinfurter Sozialstationsleiter: "Sehr gerne werde ich Ihre Hinweise in der CSU Landtagsfraktion mit den für Gesundheit und Pflege zuständigen Landtagskollegen besprechen."
In vielen Branchen geht gerade "das Licht aus".
Und es geht in Ihrem Brief um die Schwächsten in der Gesellschaft.
Ebenso um unsere Kinder in Kitas/Kindergärten. Erzieher sind mit ihrer Kraft am Ende!
Ich wünsche mir, dass die Politiker jeden Tag von Brandbriefen aus der Pflege und Erziehung überhäuft werden, damit sie reagieren müssen.
und ich hoffe, dass die nächste Wahl eine Pleite für unsere Oberen wird.
Als kirchliche "Unternehmen" haben sie Zugang zu extremen Guthaben und Besitzungen.
Und wärend die Gewählten den schwarzen Peter hin und her schieben und sich in "könnte/müsste/sollte" ergehen, leiden alte und kranke Menschen jeden Tag ganz real darunter, dass sie den EntscheiderInnen nicht wichtig genug sind.
Man kann gar nicht soviel essen, wie man ****** möchte!