Als eine 72-Jährige am Freitag Nachmittag den Anruf einer Mitarbeiterin des Diakonie-Pflegedienstes empfängt, fällt sie aus allen Wolken: Man teilt ihr mit, dass ihr Ehemann, ebenfalls 72 Jahre alt, der der Pflegestufe vier zugeordnet ist, ab Montag nicht mehr gepflegt werden kann. Er sitzt im Rollstuhl, muss dreimal in der Woche fachmännisch verbunden und zweimal täglich versorgt werden: "Ich war so verzweifelt und wütend", sagt die Leserin, die innerhalb kürzester Zeit gleich acht Pflegestationen zum Ersatz angefragt – und acht Absagen erhalten hat.
In ihrem Vertrag mit der Diakonie steht geschrieben, dass die Einrichtung nach Kündigung des Pflegevertrags die Betreuung noch mindestens für 14 weitere Tage gewährleisten muss. Die Station habe das offensichtlich selbst erst nach der Kündigung festgestellt, vermutet die Frau. Denn erst nach zwei Tagen erhielt sie am Sonntag erneut einen Anruf mit der Meldung, dass ihr Ehemann noch zwei weitere Wochen lang versorgt werde. "Ich weiß nicht, wie ich das mit meinem Mann jetzt machen soll, und es geht bestimmt vielen so. Der Pflegenotstand ist nicht mehr schön zu reden", klagt sie.
Auch für die Berufsbetreuerin Renate Schraml-Feyh kam die Kündigung der ihr übertragenen Pflegeperson wie aus heiterem Himmel: "Wenn sie das vor ein paar Wochen publik gemacht hätten, hätte man sich darauf einstellen können", zeigt sich Schraml-Feyh verständnislos gegenüber dem Vorgehen der Diakonie: "Eine kirchliche Organisation handelt so gegenüber pflegebedürftigen Menschen und ihren Mitarbeitern, das ist irre!"
Diakonisches Werk sieht keinen anderen Ausweg
Carsten Bräumer, Mitglied des Vorstands des Diakonischen Werks Schweinfurt, bestätigte die Kündigung von etwa 40 Verträgen im Bereich der Ambulanten Pflege aufgrund eines Personalnotstands. Dabei handele es sich um die Hälfte der laufenden Pflegevereinbarungen. Weil für einige hochgradig pflegebedürftigen Patientinnen und Patienten jedoch nicht die Möglichkeit bestehe, bei anderen Pflegediensten unterzukommen, haben man für diese eine Notfallversorgung entwickelt oder Angebote über eine Kurzzeitpflege unterbreitet.
Verantwortlich für den Personalnotstand in Bräumers Zuständigkeitsbereich sei insbesondere die Belastung durch die Pandemiejahre, durch die einige Mitarbeitende "an ihre persönlichen Grenzen gestoßen" seien, sowie, mitunter dadurch entstandene Langzeiterkrankungen. Versäumnisse der Einrichtung gegenüber der eigenen Belegschaft sieht der Diakonie-Leiter diesbezüglich nicht. Mit der ausgedünnten Personaldecke könne man die nötige "Qualität der Versorgungssicherheit" nicht länger gewährleisten, erklärte er gegenüber dieser Redaktion. Die Einrichtung sah sich deshalb zu den getroffenen Maßnahmen gezwungen.
Das Konzept der ambulanten Pflege solle aber grundsätzlich am Standort Schweinfurt weitergeführt werden: "Wir schauen jetzt, was wir aufrecht erhalten können und sind dabei in enger Abstimmung mit der Gemeinschaft der Pflegekassen", erklärte Carsten Bräumer: "Wir werden versuchen, die Station wieder von Grund auf aufzubauen."
Auch für die Beschäftigten der Diakonie nicht leicht zu verarbeiten
Der drastische Schritt der Vertragskündigungen sei auch für die Beschäftigten der Diakonie nicht leicht zu verarbeiten, versicherte Bräumer: "Wir wollen die qualitative Leistung erbringen, die man von uns erwarten darf. Aber wir können den gesamtgesellschaftlich verursachten Pflegenotstand nicht auf dem Rücken einzelner Mitarbeiter austragen."
Im August letzten Jahres hatte die Diakonie Schweinfurt schon einmal mehr als 40 Seniorinnen und Senioren plötzlich die Verträge zur ambulanten Pflege gekündigt. Der große Personalmangel wurde damals als Grund genannt.
Dass das Problem kein neues ist, zeigt ein Offener Brief von Gottfried Bindrim, dem geschäftsführenden Stationsleiter der Caritas-Sozialstation St. Josef. Er hat den Brief an alle unterfränkischen Bundes- und Landtagsabgeordnete verschickt (wir berichteten). Bindrim erhält seit Wochen massiv Anrufe aus dem Stadtgebiet von Betroffenen, deren Pflegevertrag kurzfristig gekündet worden ist.
nun ist es allerdings so, dass man kaum jemanden bestenfalls mit Erfahrungen im Dauerzocken am Computer als Pflegekraft schicken kann, sondern die sollten vielleicht schon eine Ausbildung haben.
Und wenn das dann so ist und die kommen trotz regelmäßiger Arbeit mit dem dafür bezahlten Geld nicht über die Runden, kann ich es niemandem verdenken, wenn er/ sie sich denkt "schön blöd wenn ich da mitmache"...
Ich schätze mal, Sie würden sich auch bedanken, wenn Sie dafür dass Sie einen Arbeitsplatz haben, im Endeffekt auf die Dauer sogar noch Geld aufnehmen müssten?
Es gibt nach wie vor keine nachhaltigen Lösungsvorschläge die Verbesserung der Arbeitsbedingungen professionell Pflegender betreffend: mehr Geld, das es bis heute nicht gibt, alleine macht den Beruf nicht attraktiver. Wir brauchen gesonderte Ruhestandsregelungen für Pflegende, die wirklich noch am Patientenbett arbeiten, Sonderregelungen was den Hinzuverdienst während des Bezugs von Elterngeld betrifft, ein verpflichtendes gesellschaftliches Jahr für Schulabgänger und, so hart sich das anhören mag, einen anderen Umgang mit alten, multimorbiden Menschen: Braucht der an fortgeschrittener Demenz Leidende wirklich einen Herzschrittmacher, der ihm evtl. einen "schönen" Tod unmöglich macht? Müssen alle möglichen Eingriffe vorgenommen werden, obwohl sie keine Steigerung der Lebensqualität bringen? Nicht alles, was möglich ist, sollte auch gemacht werden.
Der moralische Kompass ist verloren gegangen und durch Ideologie werden die wahren Wert in den Dreck gezogen.
Ehre das Alter.
physisch-psychisch nicht ständig 50-60 Std. arbeiten, haben Kinder, wollen auch freie Wochenenden. Ein neues Konzept muss her.
Die leben doch eh alle aus dem vollen.
Da lässt sich leicht Quatschen.
Hoffentlich gibt's für die dann keinen Pflegeplatz oder ambulanter Pflegedienst.
LEIDER KEIN PERSONAL!!!
Wenn in Pflegeberufen was schon längstens kein Thema mehr sein sollte endlich mehr bezahlt werden würde, wären diese Arbeitsplätze auch attraktiver.
Macht nur so weiter.
Eure Schäfchen sind ja im Trockenem!
Diakonie und Caritas bezahlten top. wenn ich da an die Vorstellungsgespräche AWO und Rotkreuz denke... uiuiui
wenn ich dann mit unserem Tarifvertrag TVL vergleiche: meine Exfrau hatte echt gut verdient
Unsere Gesellschaft wird sich noch umschauen. Es ist ein Versagen der Politik und aus oben genannten Gründen auch ein Versagen der Gesellschaft! Ja Probleme gehören angesprochen, dazu gehört z.B. auch "Layla" - aber die Wertigkeit darf man doch nicht aus den Augen verlieren.
Über die Politikverdrossenheit und Poltikmüdigkeit darf sich schon lange keiner mehr wundern! Und viele Parteimitglieder die sich für engagiert halten sind auch nur Mitläufer die ihre jeweilige Parteifahne hochhalten aber letztlich die Augen mehr oder weniger verschließen.
Deutschland diskutiert sich zu Tode, marginale Änderungen werden als große Reform verkauft. Es wird aufgeschoben, vertuscht, abgelenkt, sich in weniger heiklen Bereichen engagiert; Hauptsache man steht gut da!
ja genau, diese Menschen kommen nicht vor. Diese Menschen sind die Opfer dessen was ich oben beschrieb. Es muss sich etwas politisch und gesellschaftlich ändern, dazu können die armen Leute in den Pflegeheimen und selbst Angehörige selbst nichts beitragen.
Angehörige und Angestellte aber auch Träger müssen unterstützt werden. Es müssen endlich politische Weichen gestellt werden sonst fährt das System an die Wand. Ich vermute wir haben bereits 5 vor 12 und die Bremsen haben versagt. Es nicht nur erkannt werden, dass Leute fehlen es muss eine tragfähige Lösung her.
Schauen sie sich diesen Bericht von 1992 aus Rumänien an, das waren die Zustände vor 30 Jahren in einem heruntergewirtschafteten Industriestaat, nicht in einem Land des globalen Südens. So etwas sollte uns Mahnung sein:
https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/1992/-,panorama11828.html