Ende März ein Paukenschlag im AfD-Bezirksverband Unterfranken: Die stellvertretende Vorsitzende Daniela Mahler legt ihr Amt nieder und tritt aus der Partei aus, auch im Stadtrat in Schweinfurt verlässt sie die vierköpfige AfD-Fraktion. Im Interview erklärt die 49-Jährige, was der Auslöser war, warum sie sich von der AfD entfremdet hat - und warum sie die Partei für rechtsextrem hält.
Daniela Mahler: Die letzten eineinhalb Jahre sind schon sehr aufreibend gewesen. Es war ein langer Prozess, der vor allem auch mit den Geschehnissen rund um die Nominierung der Kandidaten für die Landtags- und Bezirkstagswahlen in Haßberge/Rhön-Grabfeld zu tun hatte. Das war nicht in Ordnung, wie das abgelaufen ist. Aber es hat im Bezirksvorstand keinen interessiert, wenn man es kritisiert hat. Die Partei hat sich verändert, sie ist auch weiter nach rechts gerückt. Und ich habe mich in die andere Richtung bewegt. Ich habe auch im Stadtrat gemerkt, dass diese Floskeln wie "Das ist keine Demokratie" gar nicht stimmen. Natürlich ist es demokratisch im Stadtrat, was denn sonst. Man ist nur mit diesen Leuten zusammen, hört alles in Dauerschleife, bekommt Nachrichten als Mail, aufs Handy, auf Facebook und kommt aus der Blase gar nicht heraus. Ich war 24/7 AfD.
Mahler: Nachdem ich nicht mehr im Büro von Richard Graupner gearbeitet habe, hatte ich mehr Zeit. Ich frage mich natürlich, warum ich mich darauf eingelassen habe. Ich habe ein paar Videos auf YouTube von Aussteigern aus der Neonazi-Szene gesehen und gemerkt, dass ich mich da wiederfinde. Die Masche war völlig identisch. Ich war auf einem Auge blind. Erst als ich die Hand weggenommen habe, habe ich es klarer gesehen. Es dauert lange, bis man merkt, dass man belogen wird. Ich bin nicht stolz darauf. Aber irgendwie verstehe ich jetzt auch, wie das damals im Nationalsozialismus funktioniert hat. Dazu kam die Geschichte mit Daniel Halemba, und das war erschreckend. Früher hatte im Bezirksvorstand jeder das Gleiche zu sagen, aber das hat sich verändert.
Mahler: Jetzt hat man da Leute sitzen, die machen, was sie sollen. Es ist deutschlandweit so, dass man sich eine neue Macht aufgebaut hat, um Mehrheiten zu haben und die Partei in die entsprechende Richtung zu bringen. Es sind zwei Realitäten, die komplett unterschiedlich sind. Ich bin ja bewusst herausgegangen und bekomme nach wie vor auf Facebook die Dinge aus der AfD-Blase angezeigt, obwohl ich auch bewusst andere Informationen lese.
Mahler: Es begann 2015, damals war ich bei einer Nügida-Demonstration in Nürnberg. Da wurde man instrumentalisiert, man dachte, die Apokalypse steht bevor, die Islamisten marschieren ein. Die Angst zu schüren zieht sich wie ein roter Faden durch die Partei und man spielt auch in den neuen Bundesländern bewusst mit den Ängsten der Menschen. Die tief sitzende Angst vor einer erneuten Diktatur hat man bewusst genährt. Weil man überall Kreisverbände gegründet hat, war das auch einfach, denn die Leute reden ja auch gerne. Nachdem ich in der Partei war, war ich ganz schnell als Schatzmeisterin gewählt, später kamen dann der Bezirksvorstand oder der Stadtrat. Mir wurde erzählt, wir brauchen Helfer. Am Anfang gibt es einem natürlich was, doch das lässt schnell nach, weil man auch merkt, dass man für die persönlichen Interessen anderer eingesetzt wird.
Mahler: Sie hat sich total verändert. Ich bin früher mit Parteifreunden zu den Delegierten-Parteitagen auf Bundesebene gefahren. Das ging ja während der Pandemie nicht. Es war eine Pause von fast drei Jahren, bis ich auf Bundesebene wieder auf einem Parteitag war, zuletzt in Magedburg bei der Europawahlversammlung. Es war erschreckend.
Mahler: Es waren andere Menschen. Es gibt nach dem Austritt vom Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen die zwei Lager nicht mehr. Die Spaltung, die man als AfD in die Gesellschaft trägt, gab es in der Partei auch. Aber jetzt fällt in jeder Rede das Wort "Remigration", ich wusste, dass es ein Wort aus der identitären Bewegung ist. Vor ein paar Jahren hätte es da zumindest aus einer Ecke noch einen Aufschrei gegeben, doch jetzt nichts, alle haben geklatscht. Ich habe das in der Partei angesprochen und gefragt, wie soll das am Ende ausschauen? Da gab es immer nur Schulterzucken oder Aussagen, bei denen man sich am besten umdreht und geht, weil sie so unerträglich waren. Das war auch ein Grund, warum ich mich im Abgeordneten-Büro in Schweinfurt nicht mehr wohlgefühlt habe. Man denkt sich, was seid ihr für Menschen?
Mahler: Es ist eine perfekt aufgebaute große Verschwörungstheorie rund um den Bevölkerungsaustausch. Die glauben das wirklich, die meinen das ernst.
Mahler: Ja. Tief sitzend, vielleicht auch gar nicht selbst wahrgenommen. Der Schatten in einem drin, den man selbst nicht sehen will.
Mahler: Ich habe sein Buch gelesen, meine Güte. Deutlicher kann man nicht zeigen, was für eine gestörte Denke das ist. Man ist nur am Kopfschütteln. Tief innen denken viele aber genau das, was Herr Krah ausspricht oder schreibt. Man ist verhaftet darin, dass alles so bleibt, wie es ist. Alle, die nicht dem eigenen Bild vom weißen, deutschen Mann entsprechen, der leistungsfähig ist und im Beruf steht, sind weniger wert. Es ist eine für Narzissten typische Abgrenzung. Auch Björn Höcke weiß, was er aussprechen kann und was nicht, hat immer versucht, die Grenze des Sagbaren zu verschieben. Wenn ich mir jetzt die Texte anschaue, die Höcke unter Pseudonym 2011 geschrieben haben soll, denkt man fast, er habe eine Glaskugel. Das ist erschreckend, was da zu lesen ist.
Mahler: So wie die Partei mittlerweile ist, ist der Einfluss bei fast hundert Prozent. Diejenigen, die sonst auf Distanz gegangen sind, schwimmen halt jetzt mit, weil sie gemerkt haben, wenn sie sich entgegenstellen, war es das mit ihnen. Die meisten sind ja in der Partei, um etwas zu werden, was sie im normalen Leben nicht geschafft haben. Diejenigen, die aus Idealismus dazu gekommen sind, sind meistens schon weg. Irgendwann dreht man sich um und sagt sich, was will ich hier eigentlich.
Mahler: Mittlerweile würde ich sagen: Ja. Vor zwei Jahren habe ich auch anders gedacht, war damals aber sicher kein schlechterer Mensch als jetzt. Diese Menschen in der Partei fühlen sich bedroht, so lächerlich es klingt. Sie fühlen sich bedroht, weil sie an eine Ideologie glauben, die völlig hirnrissig ist. Es ist ein riesengroßer Denkfehler, denn sie identifizieren sich ausschließlich darüber, dass sie Deutsche sind. Doch die Ideologie ist in sich schlüssig, wird von Russland und alternativen Medien gestärkt. Man glaubt nicht, dass man selbst der Geisterfahrer ist, sondern alle anderen. Man bekommt immer wieder in seiner Blase die Bestätigung. Es wird einem penetrant eingeredet, dass alle lügen: Die Politik, die Medien, sie stecken alle unter einer Decke. Nur die alternativen Medien sagen die Wahrheit. Mittlerweile ist so viel Geld da, dass die Propaganda bezahlt werden kann.
Mahler: Ja. Für die AfD ein großes Problem, denn die Partei sieht auf einmal, das ist das Volk und nicht das, was sie für sich beanspruchen. Aus AfD-Sicht wurden die Proteste initiiert, durch Medien und Politik die Bevölkerung aufgewiegelt und die Demonstranten größtenteils bezahlt.
Mahler: Ja. Besser gestern als heute.
Ich wünschte diesen Mut würden noch ganz viele finden.
Niemehr ist jetzt.
Ich weis es ich war 46 Jahre in der falschen Partei
Ich kann aber, offen gestanden, nicht verstehen, was Sie, nach Lektüre dieses Interviews, dazu bringt anzunehmen, dass die AfD eine Partei ist, die Ihnen etwas anzubieten hat.
Allerdings kann ich nicht erkennen, was denn die AfD für Lösungen für die z.B. von Ihnen angesprochenen Themen hat.
Nun kann man ja sagen, dass es eine klassische Protestpartei ist und dass die Menschen so ihren Frust ablassen. Aber hierbei lässt man aus meiner Sicht außer Acht, dass man hier aus Protest eine Partei wählen würde, die einen ganz anderen Staat haben möchte, den man eigentlich nicht wollen kann; nicht mal aus Protest.
Programme sind totes Papier, wenn die politischen Persönlichkeiten fehlen diese mit Leben zu füllen.
Richtig!
Schauen wir doch die Biographien der Vertreter der AfD im Kreistag uns mal an.
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Blaumilchkanal
Das Buch Blaumilchkanal und der Film hierzu sind legendär.
Passt perfekt zu dieser Zeit und beschreibt perfekt den Zustand unserer Gesellschaft.
Es gibt noch viel zu viel unter uns, die gleiches Gedankengut wie Halemba und Co haben.
Gott sei dank, mit Halemba ist ja jetzt schluß bei AfD. Hoffentlich erreicht bei den nächsten
Bundestagswahlen die AfD nicht mehr die 5% Hürde, aber hoffen kann man ja. Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Dieses Interview kann Mutmacher für andere Aussteiger sein und eine Warnung an alle die mit dem Gedanken spielen Einzusteigen oder die AfD zu wählen. Danke für die Einblicke und die Warnungen.
Hätte man den Artikel genau gelesen und sich auch anderweitig informiert hätte das vielleicht noch geholfen.
Es ist immer einfacher alles nachzubeten,und die Schuld bei anderen zu suchen anstatt sach und fachgerechte Vorschläge zu machen.
Peter Schneider