Eigentlich ist Daniel Halemba der Typ Politiker, wie ihn die AfD bei anderen Parteien gerne kritisiert: gerade mal 22 Jahre jung, kein abgeschlossenes Studium, weder Berufs- noch Lebenserfahrung. Auf der Seite des Bayerischen Landtags wird er zwar als "Unternehmer" geführt, dahinter verbirgt sich jedoch lediglich ein "Daniel Halemba Warenvertrieb", der über ein Ebay-Profil namens "blautex 33" gebrauchte Klamotten vertrieb.
Dennoch ist Daniel Halemba zumindest in Bayern derzeit der vielleicht populärste AfD-Politiker. Wohl bekannter als Stephan Protschka, AfD-Landeschef und Bundestagsabgeordneter, oder Richard Graupner aus Schweinfurt, unterfränkischer Bezirksvorsitzender und Fraktions-Vize im Landtag.
Vom Unbekannten zum Posterboy der AfD
Seit seiner Verhaftung am Tag der konstituierenden Sitzung des Landtags wird bundesweit über den Neu-Abgeordneten berichtet. Auf X, früher Twitter, hat Halemba binnen Tagen rund 2500 Follower, inzwischen ist der Account durch X gesperrt. Als er nach dem Außervollzugsetzen des Haftbefehls zur zweiten Sitzung des Landtags erscheint, gibt es im Plenarsaal Umarmungen und Selfies mit der Fraktionsspitze.
Vom "völlig Unbekannten" – so hieß es noch im April in Parteikreisen – zum Posterboy der AfD: Wie kam es dazu?
5. September, knapp einen Monat vor der Landtagswahl. Daniel Halemba sitzt in einem Café im Industriegebiet von Haßfurt, vor ihm eine Nussschnecke und eine Tasse Kakao. Die Razzia im Verbindungshaus der Prager Burschenschaft Teutonia zu Würzburg, und damit auch in Halembas Räumlichkeiten, wird erst in neun Tagen stattfinden. Die Vorwürfe gegen ihn – Volksverhetzung, ein SS-Befehl Himmlers an der Wand, seine Unterschrift unter einem "Sieg Heil"-Schriftzug – sind noch unbekannt. Halemba wird sie später als "fadenscheinige" Anschuldigungen bezeichnen, die seinen Wahlkampf "torpedieren" sollten.
Nahe Kattowitz im Süden Polens geboren
Der AfD-Kandidat spricht im Café über sich, seine politischen Ansichten, seine Herkunft. "Ich sehe mich als Oberschlesier", sagt Halemba. Er kommt 2001 nahe Kattowitz im Süden Polens zur Welt. Pole möchte Halemba nicht sein, er betont lieber seine deutschen Wurzeln. Er bezeichnet sich als "Sohn deutscher Spätaussiedler", denen in Oberschlesien "die Heimat genommen" worden sei.
Halemba beklagt, dass die Rechte der deutschen Minderheit in Polen "sukzessive eingeschränkt" worden seien. Auf die Frage, ob Oberschlesien wieder ein Teil Deutschlands werden solle, weicht der Nachwuchspolitiker aus.
Als Halemba drei Jahre alt ist, verlässt die junge Familie Polen und zieht nach Baden-Württemberg, in den Main-Tauber-Kreis. In Wertheim wächst Halemba als Einzelkind auf, besucht den Kindergarten, die Grundschule. Er wird Messdiener in der katholischen Kirchengemeinde, geht als Sternsinger von Haus zu Haus. Die Erziehung: streng katholisch. In einer Festschrift der Gemeinde von 2018 ist Halemba als Ministrant abgebildet – die anderen Messdiener überragt er um mindestens einen Kopf. Mit seiner Mutter, so berichten es Weggefährten gegenüber der Redaktion, spricht Halemba deutsch und polnisch.
Per "Guerilla-Aktion" ins Kirchenparlament?
Für Schlagzeilen sorgt er erstmals 2020, ein knappes Jahr, nachdem er der AfD beigetreten ist: Überraschend wird Halemba in den Wertheimer Pfarrgemeinderat gewählt, obwohl er gar nicht auf dem Stimmzettel steht. 48 Wählerinnen und Wähler hatten den Schüler auf den Stimmzettel geschrieben, berichteten die "Fränkischen Nachrichten". Beobachter sprechen heute von einer "Guerilla-Aktion". Auf sein Mandat verzichtet er letztlich. Zu groß ist der Widerstand in dem Kirchenparlament gegen einen AfD-Funktionär. Halemba ist damals schon Schriftführer im Kreisverband Main-Tauber. Eine politische Karriere strebe er "eigentlich nicht" an, sagt er damals.
Schon zu Schulzeiten sei Halemba AfD-Sympathisant gewesen, berichten Mitschüler. 2020 macht Halemba am Wertheimer Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium, einer Schule, deren Namensgeber zum Widerstands gegen den Nationalsozialismus gehörte, sein Abitur.
Als Schüler mit einer Reichsflagge abgelichtet
"Ich war schon mit 13 Jahren politisch", sagt der AfD-Kandidat im Café in Haßfurt. Die Eurokrise habe er verfolgt, auch die Flüchtlingskrise. Im Alter von 16 Jahren geht er zu Stammtischen verschiedener Parteien, zu CDU, FDP und zur AfD. Dort findet er "die größten Schnittmengen", wie er rückblickend sagt. "Ich habe gemerkt, dass die Inhalte verkörpert werden von den Personen, die sich dort engagieren. Dass das nicht irgendwelche hohlen Phrasen sind."
Als Zehntklässler lässt sich Daniel Halemba während eines Schulausflugs zum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg mit einer rot-weiß-schwarzen Reichsflagge fotografieren, wie sie gerne von Neonazis verwendet wird. Der Vorschlag für die Klassenfahrt sei aus einem Kreis von Schülern um Halemba gekommen, sagt ein Mitschüler, der anonym bleiben möchte.
Einen Freund habe Halemba immer "den Juden" genannt, berichet der Mitschüler weiter. "Wir haben solche Sprüche und Witze nicht ernst genommen. Vielleicht hätten wir anders reagieren müssen."
Seine Clique wendet sich von Halemba ab, als sie 2019 aus der Zeitung erfährt, dass "der Daniel in die AfD eingetreten ist". Es ist das Jahr, in dem der Verfassungsschutz die Gesamtpartei erstmals als sogenannten Prüffall führt.
Erste Kontakte zum rechtsextremen "Flügel"
Die politische Ziehmutter, die Halemba zu jener Zeit im Kreisverband Main-Tauber an die Hand nimmt, sitzt heute im Bundesvorstand der AfD: Christina Baum.
Sie gilt sogar in ihrer Partei als extrem. Baum ist Erstunterzeichnerin der sogenannten Erfurter Resolution, dem Gründungspapier des heute formal aufgelösten rechtsextremen Flügels um den Thüringer Landeschef Björn Höcke. Ihre radikalen Ansichten bescheren der Bundestagsabgeordneten gleich mehrere namentliche Nennungen im baden-württembergischen Verfassungsschutzbericht von 2021.
Christina Baum habe sein politisches Denken stark geprägt, erklärt Daniel Halemba im September. Er schätze sie als leidenschaftliche Patriotin.
Zunehmend Vernetzung ins neonazistische Milieu
Ende 2020 baut Halemba sein rechtsextremes Netzwerk aus: Er studiert inzwischen Wirtschaftswissenschaften in Würzburg, tritt dort der Jungen Alternative (JA) bei. Die Jugendorganisation der AfD pflegt damals bereits enge Kontakte zu Studentenverbindungen, auch Burschenschafter der Würzburger Teutonia zählen zu den Mitgliedern.
2021 ist Halemba auf dem Würzburger Barbarossaplatz am Rande einer Demonstration des III. Wegs, einer neonazistischen Kleinstpartei, zu sehen. Begleitet wird er von einem jungen Mann mit Kontakten zur Identitären Bewegung (IB) in Österreich. Die Organisation steht seit 2016 auf einer Unvereinbarkeitsliste der AfD, Halemba scheint das nicht zu stören. Gegenüber der Wochenzeitung "Die Zeit" spricht der 22-Jährige offen davon, dass IB und AfD auf dasselbe Ziel hinarbeiten würden. Mit dieser Einschätzung ist Halemba in der Partei - das wird seit Jahren in vielen Gesprächen mit AfD-Vertretern deutlich - nicht allein.
Im Jahr 2021 schließt Daniel Halemba sich der Burschenschaft Teutonia Prag an. In der kontaktarmen Corona-Zeit habe er dort eine Gemeinschaft an jungen Studenten gefunden, die politisch auch konservativ sind, sagt der 22-Jährige. Zuvor soll es, so berichteten es Nachbarn des Verbindungshauses im Würzburger Stadtteil Frauenland, bereits Vorfälle mit nächtlichen "Sieg-Heil"-Rufen gegeben haben. Halemba zieht in das Wohnheim der Burschenschaft.
Narbe am Kopf zeugt von einer Mensur
Im Café im Haßfurter Industriegebiet nimmt Halemba einen Schluck vom Kakao. Die Würzburger Teutonia ist eine pflichtschlagende Verbindung. Der AfD-Kandidat trägt an diesem Tag im September eine frische Narbe oberhalb der Schläfe. Sie zeugt von Halembas letzter Mensur, einem streng reglementierten, oft blutigen Fechtkampf. "Das trägt man mit Stolz, nicht mit Scham", sagt er.
Der Schmiss soll das Ergebnis einer altertümlich anmutenden Auseinandersetzung sein, die Halemba und die Teutonia offenbar mit der Würzburger Burschenschaft Adelphia austrugen, in Gießen, auf neutralem Grund. Das berichten mehrere Quellen unabhängig voneinander. Ein Foto, das kurz nach diesem Fechtkampf entstanden sein soll, zeigt Halemba mit Verband um Kopf und Kinn. Der Burschenschafter bestätigt im Gespräch im September eine Mensur mit der Adelphia. Über die Hintergründe gibt es unterschiedliche Versionen.
Der politische Aufstieg des Burschenschafters
Hinter dem Aufstieg Halembas in der AfD stecken neben Christina Baum wohl zwei Parteimitglieder: Bezirkschef Richard Graupner aus Schweinfurt und ein Mann, der wie Halemba Burschenschafter ist, außerdem gescheiterter Kandidat für den Würzburger Stadtrat und zwischenzeitlich Beisitzer des Bezirksverbands.
Beide, so schildert es die Ex-AfD-Politikerin Freia Lippold-Eggen, sollen dafür gesorgt haben, dass Halemba für die Landtagswahl 2023 im Stimmkreis Haßberge/Rhön-Grabfeld zum Direktkandidaten und auf der Unterfranken-Liste der AfD auf den aussichtsreichen zweiten Platz hinter Graupner gewählt wurde. Lippold-Eggen sprach von Betrug: Einige Personen, die bei der Kandidatenkür Halembas einige Monate vor der Wahl teilgenommen hatten, sollen nicht stimmberechtigt gewesen sein, weil es Ungereimtheiten über ihren Wohnsitz gegeben habe. Tatsächlich stellte die Stadt Würzburg in diesem Zusammenhang zwei "melderechtliche Verstöße" fest. Beide wurden laut einem Stadtsprecher mit einem Bußgeld geahndet.
Graupner und Halemba haben die Vorwürfe in der Vergangenheit zurückgewiesen. Auf den Einfluss von JA und Burschenschaften in der AfD angesprochen, bestätigt Bezirkschef Graupner, dass es in Unterfranken "relativ viele JA-Mitglieder im Vergleich mit anderen Verbänden" gebe. Und dass die Jugend "versucht, ihre Mitglieder durchzubringen, ist klar". Es sei aber nicht so, dass die JA oder eine Burschenschaft die Fäden ziehe.
Auf den Einzug in den Landtag folgt der Haftbefehl
14. September 2023: Die Polizei durchsucht das Verbindungshaus der Teutonia in Würzburg. Hintergrund seien Hinweise auf das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen und Volksverhetzung, teilt die Staatsanwaltschaft mit. Im Fokus der Ermittlungen: Daniel Halemba.
Bei der Landtagswahl am 8. Oktober fährt Direktkandidat Halemba mit 18,1 Prozent das zweitstärkste Ergebnis im Stimmkreis Haßberge/Rhön-Grabfeld ein. Nur der unterfränkische CSU-Chef Steffen Vogel holt mehr. Über die Bezirksliste der AfD schafft der Burschenschafter den Sprung ins Maximilianeum.
Drei Wochen später erlässt das Amtsgericht Würzburg Haftbefehl gegen den frisch gewählten AfD-Abgeordneten Halemba. Drei Tage vor der konstituierenden Sitzung des Landtags. Der 22-Jährige soll nach der Razzia auf andere Mitbeschuldigte "eingewirkt" und versucht haben, deren Aussageverhalten zu beeinflussen. Die Staatsanwaltschaft sieht Verdunklungsgefahr. Halemba taucht drei Tage unter, wird schließlich am Montagmorgen mittels Handyortung südlich von Stuttgart gefunden und festgenommen.
Am Abend wird der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Die Ermittlungen dauern laut Staatsanwaltschaft an. Halembas Anwalt ist Dubravko Mandic, früherer AfD-Stadtrat in Freiburg und rechtskräftig zu einer Haftstrafe auf Bewährung wegen Körperverletzung verurteilt. Sein Name findet sich ebenfalls im baden-württembergischen Verfassungsschutzbericht von 2021.
Rechtsextremes Vorbild Höcke nimmt Halemba in Schutz
Seit Jahren hat der Verfassungsschutz auch AfD-Rechtsaußen Björn Höcke im Blick. Daniel Halemba hingegen verbindet mit dem thüringischen Landeschef nur Gutes. Etwa dessen Politikstil und die Liebe zur Heimat, wie der 22-Jährige im September bei Kakao und Nussschnecke schwärmt. Für ihn sei Höcke ein politisches Vorbild.
Umso stolzer dürfte Daniel Halemba gewesen sein, als sein Idol ihm nach Bekanntwerden des Haftbefehls Ende Oktober in den sozialen Netzwerken zur Seite sprang und von einer "Treibjagd" sprach.
Fakt ist doch, dass es gar nicht mehr Werbung für Halemba und die AfD geben kann.
Da sollte eigentlich "Anzeige" darüber stehen.
Wann hören Sie endlich auf die AfD so hochzustilisieren?
Aufopferendes Verhalten von Alleinerziehenden,von über Jahre hinweg pflegenden Angehörigen, etc. findet bei den Berichterstattungen bestenfalls nachrangig hinter solchen Typen Aufmerksamkeit und Gehör.
Soll hier etwa schon wieder eine Dauerschleife "dieser Redaktion" aufgemacht werden?
Person, Anlass und Umfang erscheinen indessen völlig unangemessen.
Wahrscheinlich nicht nur mir fehlt hierfür jegliches Verständnis.
Zielführender und informativer wäre m.E. eine Analyse dazu, aus welchen Gründen Wähler dieser ganz offenkundig mit den realen Herausforderungen und politischen Sachthemen überforderte Partei - "Patrioten"? - zuneigen. Auch Menschen, die es besser wissen.
Die um sich selbst kreisende irrationale "Wut" auf die CSU oder die Grünen, auf Migranten und "Taugenichtse" und die wiederum dieser Wut zugrundeliegenden abgewehrten Ängste vor Veränderung und Endlichkeit allein können es ja wohl nicht sein....
Mehr interessieren würde mich allerdings, ob die Staatsanwaltschaft immer noch "prüft" - wie zuletzt mehrfach hier im Blatt ausgeführt - ob sie Beschwerde gegen die Außervollzugsetzung des "Haftbefehls" einlegt und wenn nein, warum nicht.
Das ist ja die Behörde, die ihn derart bekannt gemacht hat....