Man kann den Kopf in den Sand stecken oder neue Ideen entwickeln: Das Betreiberteam der kleinen Tiny-Lodge-Siedlung am Ellertshäuser See gehört zweifellos zur zweiten Kategorie. Wenn der See jetzt im Herbst aufgrund von Sanierungsarbeiten an den technischen Betriebseinrichtungen abgelassen und über lange Zeit ohne Wasser sein wird, ist das "kein Grund zur Sorge, denn es gibt vor Ort noch soooo viel zu entdecken". Mit diesem Slogan bewirbt das Team ganz offensiv auf seiner Homepage das "einzigartige Naturschauspiel" und ist überzeugt, dass die Gäste auch ohne See "ganz viel Spaß" haben werden.
Dabei hätten Claudia und Ralf Fambach, die Geschäftsinhaber der Tiny-Lodge, allen Grund zum Jammern. Just zur Eröffnung ihrer kleinen Oase am Ellertshäuser See im November 2020 gab's den ersten Corona-Lockdown mit dem touristischen Übernachtungsverbot. Kaum eröffnet, mussten sie die Ferienanlage sofort wieder schließen und alle Buchungen stornieren. Für die Gäste war das traurig, für die jungen Unternehmer bitter. Denn es gab keine Überbrückungshilfen für coronabedingten Umsatzrückgang, weil man ja noch gar keinen Umsatz gemacht hatte.
Nun ist der Corona-Lockdown überstanden, und schon kommt die nächste Herausforderung. Mit einem trocken gelegten See lässt sich natürlich nicht für einen Badeurlaub in der Ruhe und Abgeschiedenheit der schmucken Tiny-Lodge werben. Möglicherweise wird es sogar Jahre dauern, bis angesichts der seit 2003 anhaltenden Trockenheit überhaupt wieder ausreichend Wasser für die touristische Nutzung des Sees vorhanden ist. Denn der Ellertshäuser See wird ausschließlich vom Sauerquellenbach und durch Regenwasser gespeist.
Ralf Fambach räumt ein, dass die Nachricht vom Ablassen des Sees zuerst einmal ein Schock war. Immerhin sind Baden, Angeln, Segeln und Surfen Teil des Tiny-Lodge-Konzeptes am Ellertshäuser See. Die vier exklusiven Ferienhäuser befinden sich nur zwei Gehminuten vom See entfernt. Aber: "Wir stehen voll hinter der Sanierungsmaßnahme und erkennen die Notwendigkeit an", sagt Ralf Fambach.
Die technischen Betriebseinrichtungen am Grunde des Stausees sind von Mikroorganismen zerfressen. Das hat eine Überprüfung des Wasserwirtschaftsamtes Bad Kissingen als Betreiber der Talsperre ergeben. Der Stahlbetonbau muss saniert und die Grundablassleitung komplett erneuert werden. Vor dem großen Damm soll zudem im abgelassenen Zustand ein zweiter kleinerer Damm eingebaut werden, damit bei künftigen Arbeiten an den Betriebsanlagen nicht mehr der komplette See abgelassen werden muss.
Die Tiny-Lodge-Betreiber sehen das Ablassen des Sees als Chance, neue Ideen zu entwickeln. Not macht bekanntlich erfinderisch und so entstand schon während des Corona-Lockdowns das Konzept "work & lake" – Arbeiten am See. Lukas, der kreative Projektmanager des Teams, hatte einfach mal das Dauerwohnen in den leer stehenden Tiny-Ferienhäusern ausprobiert und festgestellt, dass sie der ideale Ort fürs Home-Office sind. "In der Ruhe und Abgeschiedenheit lässt es sich prima arbeiten." Eine neue Geschäftsidee war entstanden, für betriebliche Zwecke durften die Häuser ja genutzt werden.
"Wir integrieren Arbeit mit ins Leben, indem wir von dort aus arbeiten, wo andere gerne Urlaub machen", heißt es jetzt auf der Homepage. Das Angebot wird genutzt. Seit kurzem besteht zudem eine Kooperation mit dem Fightclub Schonungen, der Yoga-Wochenenden in der Abgeschiedenheit der Tiny-Lodge anbietet. "Das wollen wir weiter ausbauen", sagt Ralf Fambach.
Inzwischen dürfen auch die Feriengäste wieder kommen, was für eine gute Auslastung sorgt. Die vier liebevoll eingerichteten Häuser werden aber nicht nur von Urlaubern gebucht. Sie sind Treffpunkt für größere Familienfeiern.
Claudia und Ralf Fambach sehen sich bestätigt in ihrer Vision, "a great place for great people", einen großartigen Ort für großartige Menschen, zu schaffen. "All das fing vor vielen Jahren auf einer gemeinsamen Weltreise an", erzählt Claudia von ihrem Thailand-Urlaub in liebevoll gestalteten Lodges. Der dort prägende "Simply your life"-Gedanke habe sie so fasziniert, "dass wir beschlossen, auch anderen Menschen dieses Erlebnis zu ermöglichen".
Zurück in Deutschland verwirklichten die Eheleute aus dem Schonunger Ortsteil Hausen ihren Traum. Sie erwarben von der Gemeinde Stadtlauringen das erschlossene Baugrundstück hinter der Eigentums-Ferienwohnanlage am Südufer und errichteten mit viel Eigenengagement und Hilfe von Freunden vier Tiny-Häuser. Die Idee des minimalistischen Wohnens im "Tiny House" – wörtlich übersetzt bedeutet das "winziges Haus" – kommt aus Amerika. Jedes der vier Häuser am Ellertshäuser See hat nur 25 Quadratmeter Wohnfläche, ist aber mit allem ausgestattet, was man braucht. Allerdings: "Bei uns gibt es keinen Fernseher, kein Radio, keine Ablenkung", betont Projektmanagerin Nina.
Wichtig war Claudia und Ralf Fambach das ökologische Bauen. Die Häuser sind in Holzständerbauweise errichtet und stehen auf zweieinhalb Meter langen Stahlschrauben, sodass keine Fundamente den Boden versiegeln. In naher Zukunft soll der Strom mit einer Photovoltaikanlage selbst produziert und eine E-Ladesäule installiert werden. "Wir wollen einen besonderen Ort schaffen, an dem sich Gleichgesinnte treffen können", erklärt die Geschäftsinhaberin ihre Philosophie.
Deshalb braucht es auch nicht unbedingt das Wasser, um eine schöne Zeit in der Tiny-Lodge zu verbringen. "Der See ist ein super Gimmick", sagt Ralf Fambach, "aber nicht der Grund, warum Menschen bei uns sind." Die Gäste der Tiny-Lodge seien keine "Partyleute", sondern Menschen, die sich nach Ausgleich und Entspannung sehnen, die dem Alltag entfliehen und die Natur genießen wollen. Dazu gebe es rund um den Ellertshäuser See vielfältige Möglichkeiten, zum Beispiel die schönen Wander- und Fahrradwege oder die touristischen Angebote im Schweinfurter Oberland.
Ganz auf das Element Wasser möchte man aber auch nicht verzichten. Ralf Fambach wünscht sich deshalb, dass das Wasserwirtschaftsamt für die Dauer der wasserlosen Zeit im Hauptsee als Alternative eine kleine Badebucht am Vorsee anlegt. "Das wäre machbar", ist er überzeugt.