Es ist dunkel und schlammig. "Wenn wir Glück haben, sehen wir einen Flusskrebs." Benedikt und Philipp haben kein Glück. Trotz einer lichtstarken GoPro auf dem Kopf sehen sie bei ihrem Tauchgang im Ellertshäuser See Nichts. Nur eine kleine Qualle huscht vorbei.
"Das hier ist kein Taucher-Mekka", meint Benedikt Kozlowski lachend. Der Boden ist verschlammt, die Sicht mies und die Unterwasserwelt nicht spektakulär. Und trotzdem: Für den 36-jährigen Betreiber der Wassersportschule Kozlowski aus Niederwerrn ist der Ellertshäuser See ein wichtiges Standbein. Hier absolvieren seine Tauchschüler ihre notwendigen Freiwasser-Tauchgänge. Hier findet die Segelausbildung statt. Hier bietet der junge Unternehmer Windsurfing- und Stand-Up-Paddle-Kurse an. Hier gibt es für Kinder Schnupperkurse im Tauchen und Segeln. Hier können sich Badegäste Surfbretter, Boards und Segelboote mieten.
Die "Grüne Hütte", das Domizil der Wassersportschule am Ellertshäuser See, ist längst kein Insider-Tipp mehr. Wenn im Herbst nun das Wasser des Sees abgelassen wird, ist das für das Niederwerrner Unternehmen "wirtschaftlich ein starker Einschnitt". Und das just in einer eh schon durch Corona schwierigen Zeit.
"Unser Geschäft läuft gerade wieder an", sagt Benedikt Kozlowski, der von allen nur Benni genannt wird. Ein trocken gelegter See bedeutet für die Wassersportschule das neuerliche Aus, und das möglicherweise für mehrere Jahre. So lange kann es dauern, bis angesichts der seit 2003 anhaltenden Trockenheit wieder ausreichend Wasser für Tauchgänge und Segelturns vorhanden ist. Denn der Ellertshäuser See wird ausschließlich vom Sauerquellenbach und Regenwasser gespeist.
Sanierungsmaßnahmen erfordern das Ablassen des Sees
Benedikt Kozlowski erkennt aber die Notwendigkeit der Sanierungsmaßnahme an. Die technischen Betriebseinrichtungen am Grunde des Stausees sind von Mikroorganismen zerfressen. Das hat eine Überprüfung des Wasserwirtschaftsamtes Bad Kissingen als Betreiber der Talsperre ergeben. Der Stahlbetonbau muss saniert und die Grundablassleitung komplett erneuert werden. Vor dem großen Damm soll im Zuge der Maßnahme zudem eine Grundsperre, ein zweiter kleinerer Damm, eingebaut werden, die künftige Sanierungsmaßnahmen ermöglicht, ohne den kompletten See erneut ablassen zu müssen. Das alles ist aber nur möglich, wenn das Becken ohne Wasser ist.
"Das muss halt gemacht werden", zeigt Benni Verständnis. Dass der See bei dieser Gelegenheit gleich entschlammt wird, sei ja auch für die Wassersportler von Vorteil. "Da unten ist alles verschlickt." An manchen Stellen könne man den Arm bis zum Ellenbogen in den Schlamm stecken. Auch die Algen haben sich stark ausgebreitet. "Heuer ist die Wasserpest extrem schlimm", sagt Benni, der See rieche förmlich nach Algen.
Manche Angebote werden ins Wasser fallen
Doch was macht die Wassersportschule Kozlowski während der Zeit der Sanierung? Tauchen, Segeln, Paddling sind dann über längere Zeit am Ellertshäuser See nicht mehr möglich. Gibt es Alternativen? "Manche Angebote unserer Wassersportschule werden schlichtweg ins Wasser fallen", bilanziert Benni nüchternd. Zum Beispiel die Surf- und Stand-up-Paddle-Kurse, die Ferienfreizeitkurse wie Schnupperttauchen und Segeln für Kinder und Jugendliche. Der Main als Ausweichterrain scheidet aus. "Viel zu gefährlich für Paddling wegen der Binnenschifffahrt", meint Benni. Und zum Segeln sei der Fluss zu schmal. Auch zum Tauchen eignet sich der Main nicht. "Die Sicht ist schlecht und die Strömung zu stark."
Mit den Tauchschülern will die Wassersportschule Kozlowski eventuell an andere Standorte ausweichen. Zum Beispiel an den Steinberger See in der Oberpfalz oder an den Sundhäuser See in Thüringen. Der nahegelegene Schweinfurter Baggersee ist wahrscheinlich keine Option. "Der ist zu sehr überlaufen."
Für die Stand-up-Paddler möchte Benni Touren auf der Fränkischen Saale anbieten, die auch bei Bootswanderern sehr beliebt ist. Für die Segler hat der junge Unternehmer bislang noch keinen Ersatz gefunden. Es gebe zwar Überlegungen, Segelturns auf der Ostsee ins Programm zu nehmen, doch für eine solche Jugendfreizeit würden dann schnell mal doppelt so hohe Kosten wie am Ellertshäuser See anfallen.
Vater Siegfried Kozlowski ist 18 Jahre zur See gefahren
Die fehlenden Kurs- und Trainingsmöglichkeiten in den nächsten Jahren am Ellertshäuser See sind für den Niederwerrner zwar ein wirtschaftlicher Einschnitt, er hofft jedoch, dass er den Verlust auffangen kann. Die Wassersportschule Kozlowski hat mehrere Standbeine und Standorte. Neben dem Hauptsitz in Niederwerrn und dem Ellertshäuser See sind das Wertheim, Bayreuth, Fulda, Würzburg und Bad Neustadt/Bad Bocklet.
Am Ellertshäuser See finden die Einstiegskurse für Tauchen und Segeln sowie die Jugend- und Ferienfreizeiten statt, an den anderen Standorten die Theorie und Praxis für die Motor- und Segelbootausbildung. Hier kann man den Sportbootführerschein für die Binnen- und Seeschifffahrt sowie für Küste und Hohe See erwerben. Das Fachwissen vermittelt Vater Siegfried Kozlowski. Er ist Kapitän und 18 Jahre zur See gefahren. Seine Spezialaufgabengebiete waren die Versorgung von Ölplattformen, Bohrungen und Unterwassersprengungen.
Die Praxis-Ausbildung für die Sportbootführerscheine erfolgt auf dem Main bei Wipfeld. Hier bietet die Wassersportschule ihren Kursteilnehmern auch die Möglichkeit, mit erfahrenen Skippern das Schleusen bei einer Übungsfahrt durch die Schleuse Wipfeld selbst mitzuerleben. Denn die Jungfernfahrt durch eine Schleuse sollte man unter fachlicher Anleitung durchführen. Auch Funk- und Spezialkurse, wie den Erwerb des Pyroscheins, gehören zum Programm. Am Standort Wertheim gibt es zudem Info-Abende auf dem Clubschiff "Germania".
Mit zehn Jahren den Spaß am Tauchen und Segeln entdeckt
Philipp Kleinwechter hat seinen Tauch- und Segelschein bei der Wassersportschule Kozlowski gemacht. Der 15-Jährige aus Wetzhausen hat bei einer Jugendfreizeit mit zehn Jahren den Spaß an diesem Wassersport entdeckt und ist in seiner Freizeit bei schönem Wetter oft am Ellertshäuser See. Entweder zum Segeln oder zum Tauchen, auch wenn es hier unter Wasser "nicht besonders viel zu sehen gibt". Anders als auf den Malediven, wo der junge Mann schon an Korallenriffen getaucht ist. "Im Ellertshäuser See sieht man nur Algen und gelegentlich mal einen Fisch." Trotzdem: "Ich bedauere es sehr, dass das Wasser abgelassen wird", meint der 15-Jährige.
Auch Benjamin Kozlowski weiß die Möglichkeit zum Segeln und Tauchen direkt vor der Haustür zu schätzen. Für die Nachwuchsarbeit sei der Ellertshäuser See ein idealer Standort. Sollte er aber über mehrere Jahre nicht mehr zur Verfügung stehen, "dann wäre die ganze Jugendarbeit dahin".