"Es ist eine brachiale Maßnahme." Das im Herbst geplante Ablassen des Ellertshäuser Sees bereitet Gerhard Weniger "erheblich Bauchweh". Das werde starke Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt haben. "Es wird massive Verluste geben." Für den Naturschutzbeauftragten am Landratsamt Schweinfurt ist aber die Notwendigkeit der Maßnahme mit der Sanierung der technischen Einrichtungen und der Entschlammung zur Verbesserung der Wasserqualität belegt: "Es ist ein unvermeidbarer Eingriff."
Seit Bekanntwerden der Pläne des Wasserwirtschaftsamtes wird das Vorhaben viel diskutiert. Und die Gerüchteküche rund um den See kocht: Die Gelder für die Maßnahme seien noch gar nicht bewilligt; der See solle nur zur Hälfte abgelassen werden; mitten durch den See solle ein Damm gebaut werden; und, und, und. Was ist tatsächlich wahr?
Anfang August soll der Genehmigungsantrag eingereicht werden
Das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen als Betreiber der Talsperre hat die Trockenlegung des Sees für Herbst 2021 projektiert. Daran hat sich nichts geändert. Aktuell wird der Genehmigungsantrag vorbereitet. Das Naturschutzgesetz schreibt bei solchen Eingriffen in den Naturhaushalt vor, die Notwendigkeit der Maßnahme als "unvermeidbar" zu belegen und ein entsprechendes Konzept für ein möglichst naturverträgliches Vorgehen vorzulegen. Dies wird derzeit in Abstimmung mit Fischereiverband und Naturschutzbehörde erstellt und soll Anfang August beim Landratsamt Schweinfurt eingereicht werden. Weniger geht davon aus, dass die Genehmigung dann "zügig" erteilt wird, der Zeitplan also eingehalten werden kann.
Dieser sieht folgendermaßen aus: Ende September wird mit der Absenkung des Wasserspiegels begonnen. Sechs bis acht Wochen wird es dauern, bis die 1,5 Millionen Kubikmeter Wasser abgeflossen sind. Über die Wintermonate passiert nichts. Der Schlamm soll auf natürliche Weise entwässern und erst im Frühjahr 2022 abgefahren werden. Ein Verwertungskonzept wird erstellt. Danach beginnen die eigentlichen Sanierungsarbeiten, die drei bis vier Monate dauern werden. Von den klimatischen Bedingungen ist es dann abhängig, wie schnell sich das Becken wieder füllt. Das Wasserwirtschaftsamt rechnet aufgrund der niederschlagsarmen Sommermonate mit drei Jahren.
Die größten Beeinträchtigungen sieht Weniger in dieser Zeit für die Amphibien. Molche, Unken, Kröten und Frösche leben am See. "An manchen Tagen kann man lautstarke Froschkonzerte erleben." Die Tiere sollen beim Absenken des Pegels eingesammelt und während der Trockenlegung in den Vorsee umgesiedelt werden. Auch ein Teil der Fische soll dort einquartiert werden. Der zwei Hektar große See unterhalb von Ebertshausen, der für die Rückhaltung von Schweb- und Nährstoffen da ist, wird dann um einen halben bis dreiviertel Meter höher aufgestaut. Mehr Wasser bedeutet mehr Sauerstoff und damit mehr Wasserqualität für die zusätzlichen Bewohner.
Vorsee soll als Pufferbecken dienen
"Wir wollen die maximale Kapazität zum Aufstauen ausnutzen", erläutert Andreas Kirchner, der zuständige Abteilungsleiter beim Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen und Talsperrenbeauftragte am Ellertshäuser See. Denn der Vorsee muss während der gesamten Baumaßnahme im Hauptsee als Pufferbecken zur Hälterung der Fische und Amphibien dienen. "Volumen und Qualität sind dafür ausreichend", sagt Kirchner. Im Frühjahr 2023, wenn der Hauptsee sich nach der großen Baumaßnahme wieder etwas regeneriert hat, soll dann auch der Vorsee abgelassen und entschlammt werden.
Richtig aufwändig wird die Krötenrettung. "Kröten gehen immer zu ihrem angestammten Laichbiotop", erklärt Weniger. Sie werden sich also auch dann Richtung Ellertshäuser See auf den Weg machen, wenn dort kein Wasser mehr ist. Damit sie nicht auf dem Trocknen sitzen, müssen sie eingesammelt und zum Vorsee gebracht werden.
Die Krötenrettung wird sehr aufwändig
Ehrenamtliche Naturschützer sind zwar schon immer am Ellertshäuser See im Einsatz, um die Kröten auf ihrem gefährlichen Weg sicher über die Asphaltstraße zum Nordufer zu bringen, doch der bevorstehende Aufwand wird deutlich größer sein. Die Kröten müssen ja nicht nur über die Straße, sondern zu dem knapp einen Kilometer entfernten Vorsee transportiert werden. Und das zweimal täglich während der gesamten Dauer der Krötenwanderung von Ende Februar bis Mitte Mai. "Morgens und abends muss kontrolliert werden", sagt Weniger. Die Naturschützer bräuchten deshalb "massive Unterstützung" vom Wasserwirtschaftsamt.
Hinzu kommen noch die Kontrollgänge am Südufer. Bislang waren die Naturschützer hier nicht gefordert, weil die Kröten gefahrlos über einen Schotterweg zum Ufer gelangen konnten. Wenn das Wasser aber weg ist, müssen auch hier täglich die Amphibien eingesammelt werden. Angesichts dieses enormen Aufwands hofft Weniger, dass sich bis Frühjahr 2023 so viel Wasser im See angesammelt hat, dass dort wieder abgelaicht werden kann. "Da reicht eine geringere Wassertiefe, das Becken muss nicht randvoll sein."
Doch nicht nur den Amphibien wird der See fehlen, auch manche Insekten legen ihre Eier im Wasser ab. Die Libelle zum Beispiel. Je nach Art kann es Wochen bis Monate dauern, bis aus der Larve das Vollinsekt herangereift ist. Im schlimmsten Fall kann die gesamte Brut beim Ablassen des Wassers zerstört werden.
Auch Muscheln gibt es im Ellertshäuser See. Weniger vermutet, dass die Teichmuschel hier heimisch ist. Die Tiere leben am Boden und ernähren sich von Mikroorganismen, sind also lebende Wasserfilter. Sie müssen nach dem Ablassen des Wassers genauso abgesammelt werden wie Frösche und Lurche. "Das Wasserwirtschaftsamt hat hier eine hohe Verantwortung", stellt Weniger klar.
Und dann gibt es noch den Biber, der sich auf der kleinen Insel in der sogenannten Biotopbucht am Südufer angesiedelt hat. Diese wurde in den 1980er-Jahren im Zuge der Ausweisung des Ellertshäuser See als Landschaftsschutzgebiet angelegt. Hier hat die Natur Vorrang, für Freizeitaktivitäten darf dieser Bereich nicht genutzt werden.
Angenagte und gefällte Bäume zeugen von den Aktivitäten des Bibers. Weniger geht davon aus, dass der Biber sich an den Vorsee verlagern wird, wenn sein Revier hier trockengelegt wird. Auch für die Uferpflanzen erwartet er nicht allzu schlimme Auswirkungen. Sumpfvegetation sei nur in geringem Umfang vorhanden. Sie werde sich wieder regenerieren.
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Trotzdem wäre es dem Naturschutzbeauftragten lieber, wenn das Biotop verschont bliebe. Das Wasserwirtschaftsamt lässt derzeit deshalb von einem Ingenieurbüro ein Konzept erstellen, wie das Projekt vor allem für die Biotop-Bucht möglichst naturverträglich abgewickelt werden kann.
Laut Kirchner ist geplant, die obere Hälfte der vom "Warmen Lochgraben" gespeisten Bucht durch die Aufschüttung eines Damms vom Hauptsee abzutrennen und als Rückzugsort für die Amphibien zu erhalten. Dazu müsse aber trotzdem erst einmal das komplette Wasser abgelassen werden. Ein Dammbau im Wasser sei technisch zwar möglich, aber sehr aufwändig, weil der Damm zur Sicherung der Standfestigkeit viel größer dimensioniert werden müsste. Auch das Verdichten unter Wasser sei problematisch. "Der Nutzen ist geringer als der Schaden", bilanziert Kirchner.
Weniger befürwortet diese Pläne: "Der Erhalt der Biotop-Bucht ist in jedem Fall eine gewinnbringende Maßnahme für die Tier- und Pflanzenwelt." Auch im Hinblick auf die Zukunft. Denn der Damm soll mit wieder verwertbaren Material gebaut werden, um daraus später neue Flachwasserzonen im Uferbereich anlegen und so die Biotop-Bucht ökologisch aufwerten zu können. Kirchner: "Wir lassen nichts unversucht, um das Projekt so naturverträglich wie möglich abzuwickeln."
Normalerweise wird vorher mit unterschiedlichen Typen von Netzen gefischt und der Bestand nach und nach erheblich dezimiert. Auch kombinierte Methoden kommen zum Einsatz. Wer mit solchen Methoden nicht regelmäßig arbeitet, sollte besser die Finger vom Projekt lassen.
Dieses Mal werden sicher sehr viele Augen die Aktionen verfolgen und es ist damit zu rechnen, dass es hier und da zu Anzeigen kommen kann. Dem kann man nur mit absoluter Professionalität und Kompetenz entgegentreten.
Das Wasserwirtschaftsamt und alle Verantwortlichen wären daher sehr gut beraten, das im Vorfeld zu besprechen und zu klären, denn das ist heutzutage ein sehr sensibler Bereich.
Man sollte daher wissen, über was man hier spricht. Diesen Eindruck konnte ich bisher leider aufgrund der Berichterstattung (zugegeben - schwieriges fachliches Thema) nicht erkennen.
Auch der Vorsee ist ein Ökosystem, in dem eine gewisse Biomasse an Gewässerorganismen lebt, die ich nicht beliebig erhöhen kann, indem ich den See in eine Art Hälterbecken für des Anglers liebste Fische umwandle. Das wäre ein schwerwiegender Eingriff in die Gewässerökologie, wäre weder angemessen noch gerechtfertigt.
Das Abfischen des Sees sollte in verschiedenen Phasen erfolgen, um einen Großteil der Fische schon vor dem eigentlichen Abfischen im Restwasser aus dem Gewässer zu entnehmen. Ein Abfischen des gesamten Fischbestandes an wenigen Tagen würde im Chaos enden und sollte auf ein Minimum reduziert werden.
Hierfür gibt es Profis, die damit Erfahrungen haben. Mindestanforderung: Fischmeister Fluss- und Seenfischerei, spezialisiert auf Talsperren und Stauseen, mit langjähriger praktischer Erfahrung. Meines Wissens gibt es im Fischereiverband solche Personen nicht und auch nicht in der Fischereifachberatung des Bezirks.
Fortsetzg.
Der Oktober 1983 war sehr heiß (Temperaturen bis 30C) und infolgedessen der Sauerstoffgehalt während des Abfischens gering. Allein deshalb gingen viele Tonnen Fische qualvoll zugrunde. Das war nicht nur unprofessionell - wie die gesamt Kampagne - sondern quasi mit Ansage, wenn man sich in der Fischerei und Gewässerökologie etwas auskennt.
Und das soll sich jetzt möglicherweise wiederholen? Der See darf keinesfalls vor Anfang November abgefischt werden. Nicht ein Datum ist hier entscheidend, sondern die Wassertemperaturen. Diese Flexibilität muss gegeben sein.
Dass hier immer wieder von einem "Zwischenhältern" der Fische und anderer Lebewesen im Vorsee gesprochen wird, zeugt von einer gewissen Ahnungslosigkeit in Gewässerfragen.
Fortsetzg.
Und was ist mit den unzähligen Klein- und Kleinstlebewesen, von den Wasserpflanzen mal ganz abgesehen - werden die auch eingesammelt und während der Trockenlegung gepflegt?
Amphibien- und Insektenlarven, Schnecken, Würmer, Krebstierchen, Einzeller und andere Mikroorganismen, usw. usf. Dazu kommen Spezies, die ebenfalls auf das Wasser angewiesen sind, wie Ringelnattern, Wasservögel, Schilfbrüter, fischfressende Beutegreifer wie etwa Reiher, Libellen und andere Wasserinsekten - die Liste ist endlos. (Wie es mit Ottern, Bibern, Bisam und anderen vom Wasser abhängigen Säugetieren dort aussieht, weiß ich grad nicht)
Ein See ist eine immense Biozönose, bestehend aus Abertausenden von Lebewesen. Und nicht nur aus Fischen und Fröschen.
Wird er jetzt abgelassen und über Monate trockenfallen gelassen, dann ist das nichts anderes als ein Massaker.
Es wird Jahrzehnte dauern, bis sich das halbwegs wieder regeneriert.
Weder auf der Internetseite des Wasserwirtschaftsamtes noch auf den Seiten des Schweinfurter Oberlandes und des Marktes Stadtlauringen gibt es (transparente) Informationen zu diesem gigantische Projekt. Das ist extrem bedauerlich und unprofessionell. Weiterhin deutet das auch auf eine äußerst geringe Wertschätzung gegenüber Besuchern und engagierten Menschen rund um den Ellertshäuser See hin.
Zweifel, Gerüchte, etc. der Bevölkerung sind somit ein naheliegendes Ergebnis.
Bleibt zu hoffen, dass das Projekt selbst prof. und zügig abgewickelt wird. Die Tatsache, dass noch nicht einmal eine Genehmigung vorliegt und viele Punkte noch nicht geklärt sind wecken bei dem aufmerksamen Leser doch erheblichen Zweifel.