Der Countdown läuft: In wenigen Wochen wird der "Stöpsel" gezogen und das Wasser aus dem Ellertshäuser See abgelassen. Warum diese einschneidende Maßnahme für Natur, Umwelt und Tourismus nötig ist, das will jetzt auch das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen als Betreiber des größten Stausees in Unterfranken der Öffentlichkeit erklären.
Gemeinsam mit einem Augsburger Medienbüro hat die Behörde die Webseite wwa-ellertshaeusersee.de erstellt, die über die notwendigen Sanierungsarbeiten an den technischen Betriebseinrichtungen im Ellertshäuser See informiert. Hier werden die einzelnen Baumaßnahmen und deren Abläufe im Detail dargestellt.
Dazu gibt es ein fünfeinhalbminütiges Erklärvideo mit Statements von Bürgermeister und Landrat zur Bedeutung des Sees für Unterfranken, mehrere kurze Info-Clips, eine virtuelle Besucherplattform und einen Antwortkatalog zu häufig gestellte Fragen.
"Wir wünschen uns, dass die Website von vielen Bürgern des Landkreis Schweinfurt und der Nachbarlandkreise angesehen wird", hofft Baudirektor Uwe Seidl. Ein Link zur Ellertshäuser-See-Webseite findet sich auch auf der Startseite der Homepage des Wasserwirtschaftsamtes Bad Kissingen.
Schatzsuche statt Badespaß
Seit Bekanntwerden der Pläne vom Ablassen des Sees vor gut einem halben Jahr wird das Projekt des Wasserwirtschaftsamtes in der Region kontrovers diskutiert. Denn ein See ohne Wasser legt nicht nur den Wassertourismus mit Baden, Segeln, Surfen oder Tauchen still, er setzt auch die Tier- und Pflanzenwelt aufs Trockene. Experten aus Fischerei und Naturschutz sprechen von einem massiven Eingriff und großem Schaden für die Ökologie.
Das kommt in dem Erklärvideo zwar nicht zur Sprache, dafür preisen Bürgermeister Friedel Heckenlauer und Landrat Florian Töpper eingangs den abgelassenen See als neue Attraktion an. "Wartet mal, was da geboten wird", verspricht Heckenlauer touristische Aktionen für die Zeit ohne Wasser. Die Gemeinde werde Metallsuchgeräte zum Erkunden des Sees zur Verfügung stellen. Und vielleicht finde man dabei gar die Kirchturmspitze des früheren Ellertshausen.
Die Badesaison 2021 ist noch sicher
Wann geht es los? Der Zeitplan sieht folgendermaßen aus: Ab Oktober wird der Wasserspiegel abgesenkt, im Februar 2022 beginnen die Sanierungsmaßnahmen und ab August 2022 soll wieder aufgestaut werden. "Die Badesaison heuer ist also noch sicher", sagt Behördenleiter Leonhard Rosentritt in dem Video. 2022 und 2023 allerdings werden ausfallen.
Warum das Ablassen des Wassers überhaupt notwendig ist, erklärt der für den Landkreis Schweinfurt zuständige Abteilungsleiter und Talsperrenbeauftragte Andreas Kirchner. Demnach habe die sogenannte vertiefte Überprüfung, die regelmäßig an allen staatlichen Speichern in Bayern durchgeführt werden müsse, erheblichen Sanierungsbedarf an den Massiv- und Wasserbauteilen offenbart. Damit der 1960 in Betrieb genommene Stausee auch künftig seine Funktionen – die Hochwasserrückhaltung und Niedrigwasseraufhöhung – erfüllen kann, müsse deshalb die aufwendige Sanierungsmaßnahme durchführt werden. Das Ablassen des Sees sei dafür "zwingend erforderlich".
Blick ins Herz der Anlage
Christian Heitel, der Sachgebietsleiter für Wasserbau und Gewässerentwicklung beim Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen, gewährt dem Betrachter des Videos einen Blick ins Herzstück der Anlage, in den 150 Meter langen Stollen, der unter dem Damm hindurch in den See zum Grundablass führt. Die darin verlegte Rohrleitung ist von Mikroorganismen "zerfressen" und muss ausgetauscht werden. Auf Seeseite sei dies nur möglich, wenn das Wasser komplett abgelassen ist.
Diese Gelegenheit wird genutzt, um den See in abgelassenem Zustand zu entschlammen, was die Wasserqualität verbessern wird. Im Zuge der Sanierung soll gleichzeitig auch Vorsorge für die Zukunft getroffen und eine Grundsperre, ein zweiter kleinerer Damm vor dem Hauptdamm, errichtet werden. Dieser ermöglicht künftige Sanierungsmaßnahmen, ohne den kompletten See erneut ablassen zu müssen. Im Video wird das grafisch anschaulich dargestellt.
Damit der Vorsee während der gesamten Maßnahme befüllt und als Pufferbecken für die Hälterung von Fischen und Amphibien dienen kann, wird aktuell der Vordamm ertüchtigt. Gleiches steht für den Hauptdamm an, sollten die geotechnischen Untersuchungen Undichtigkeiten zu Tage bringen. Parallel mit der Absenkung des Wasserspiegels erfolgt zudem eine Dammaufschüttung vor der Ökobucht, um dort ein kleines Reservoir für Amphibien während der Sanierungsmaßnahme zu erhalten.
360°-Besucherplattform auf der Ellertshäuser-See-Website
Eine häufig gestellte Frage: Kann der See ab 2022 noch besucht werden? Ja. Das Wasserwirtschaftsamt verspricht den Besuchern sogar "interessante Einblicke in die Tiefen des Sees". Ungewöhnliche Perspektiven auf den See bietet schon jetzt die virtuelle 360°-Besucherplattform auf der Ellertshäuser-See-Website. Die Plattform wird laut Wasserwirtschaftsamt im Laufe der Maßnahme erweitert, sodass Besucher zwischen befülltem und abgelassenem Zustand hin und her wechseln können.
Der abgelassene See kann sogar betreten werden. Nur der unmittelbare Baubereich werde aus Sicherheitsgründen abgesperrt, heißt es. Auch der Rundweg um den See bleibe offen.
Das Wasserwirtschaftsamt bezeichnet sein Vorhaben als "Ereignis mit Seltenheitswert". Landrat Florian Töpper spricht im dem Video von einer "attraktiven Phase". Und Bürgermeister Friedel Heckenlauer empfiehlt allen Besuchern, ab September das Maßband mitzubringen und den sinkenden Wasserstand zu messen.