"Das wird eine Riesenaktion." Willi Stein, der Präsident des Fischereiverbandes Unterfranken (FVU), der die Angelrechte am See besitzt, blickt dem Vorhaben des Wasserwirtschaftsamtes Bad Kissingen mit großem Respekt entgegen. Die Behörde will Ende September das Wasser vom Ellertshäuser See ablassen, wegen Sanierungsarbeiten an den technischen Anlagen im Stausee. Alle Fische müssen vorher raus. "Das sind 20 bis 25 Tonnen", schätzt der Fachmann. Und er ist sich sicher, "da sind richtige Bären drin".
Beim letzten Mal, 1983, als der See auch wegen Sanierungsarbeiten trockengelegt wurde, kam ein zwei Meter langer Waller zum Vorschein. Damals wurden 18 Tonnen Fisch herausgeholt, für die zu wenig Behälter vorrätig waren. Fische blieben im Ablass stecken, verbuddelten sich im Schlamm und verendeten qualvoll. Willi Stein ist im Besitz eines Videos von der Abfischaktion 1983. Es war ein Drama, erinnert er sich.
Ein Drittel der Fische überlebte demnach die Abfischaktion 1983 nicht. Damit so etwas nicht wieder passiert, will das Wasserwirtschaftsamt diesmal ein professionelles Unternehmen einsetzen. Auch der Fischereiverband Unterfranken hat seine Unterstützung angeboten. "Wir stehen beratend zur Seite und sind auch bereit, mitzuwirken", sagt Stein. Gemeinsam mit seinem Vizepräsidenten Joachim Alka ist er an den See gekommen, um die Problematik einer solchen Aktion und mögliche Lösungsvorschläge zu erläutern.
Die Fangbeschränkungen bleiben bestehen
Vor dem Abfischen will der Fischereiverband ein Hegefischen veranstalten. Der Termin steht schon fest: 12. September. Auch die Fischereijugend will sich mit einem eigenen Hegefischen beteiligen. Stein stellt allerdings klar: "Die vom Gesetzgeber auferlegten Fangbeschränkungen bleiben bestehen." Das heißt, es werden nicht mehr Angelkarten ausgegeben.
Wenn's gut läuft, würde der Fischereiverband auch noch ein zweites Königsfischen veranstalten. Das Gros der Fische wird man damit freilich nicht aus dem Wasser holen. "Wir könnten vielleicht fünf bis zehn Prozent der Fische angeln", meint Stein. Der große Rest muss abgefischt werden, mit Zugnetzen und Booten, die den See durchfahren. Die Fische kommen dann in schwimmende Fangstationen. Hier wird aussortiert, welche Tiere in die Verwertung gehen und welche als Zuchtfische dienen sollen.
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Die Zuchtfische könnten im Vorsee zwischengelagert werden, meinen Stein und sein Vize Alka. Das bedeutet: Der kleine idyllische See hinter dem oberen Damm, der hauptsächlich von Anglern genutzt wird, muss noch vor Beginn der großen Aktion abgelassen, gesäubert und mit Frischwasser befüllt werden. Auch da befinden sich Fische drin, die erst aus dem Wasser geholt werden müssen. Das Wasserwirtschaftsamt hat das auf dem Plan und will bereits im Sommer mit den Sanierungsarbeiten dort beginnen, damit der Vorsee bis zum Abfischen im Herbst wieder zur Verfügung steht.
Doch auch mit dem Vorsee als Zwischenquartier ist klar, dass nur ein kleiner Teil der Fische hier Platz finden wird. "Drei bis vier Tonnen", schätzt Stein. Bleiben also gut und gerne noch 20 Tonnen Fisch, die gefangen und abtransportiert werden müssen. Und das sehen die beiden Fachleute vom Fischereiverband als "die große Herausforderung" an. Denn das Abfischen sei für die Tiere mit Stress und körperlicher Belastung und damit auch mit Leiden verbunden.
"Die Aufenthaltsdauer der Fische außerhalb des Wassers muss so kurz wie möglich gehalten werden", sagt Stein. Das größte Problem aber sei der Schlamm. Je weiter der Wasserspiegel abgesenkt wird, desto kritischer werde die Situation. Große Fische wühlen dann Schlammlöcher auf, in denen auch kleinere sich einbuddeln. Der Schlamm setzt sich in den Kiemen fest, die Fische können kaum noch atmen und ersticken qualvoll.
An diesem kritischen Punkt "muss es richtig schnell gehen", sagen Stein und Alka. "Die Kiemen müssen sofort ausgespült werden." Dazu braucht es viel Frischwasser. Das heißt, von einem Hydranten aus müssen Schläuche in den See hineingelegt werden, um ständig frisches Wasser für die Auffangbehälter vorrätig zu haben. Stein und Alka halten hier die Unterstützung von Feuerwehr oder Technischem Hilfswerk für erforderlich.
Ganz wichtig: "Es müssen genug Behälter da sein." Befinden sich zu viele Fische in einer Box, fehlt Sauerstoff, und sie würden den Transport nicht überleben. "Das ist eine Kampfaktion", wählt Stein einen drastischen Vergleich.
Wie sollen die Fischbehälter abtransportiert werden?
Doch wie bekommt man die vielen Behälter mit den Fischen dann aus dem Wasser? 1983 hatte man eine Baustraße in den See gebaut, damit die Lastwagen zum Abtransport vorfahren konnten. Die Fachleute vom Fischereiverband schlagen eine andere Lösung vor. "Ich würde einen Kran auf den Damm stellen", meint Stein. Die Behältnisse könnten am Ausleger befestigt aus dem Becken auf die Transportfahrzeuge gehoben werden.
Auch hinter dem Damm, am Ausfluss in den Sauerquellenbach, müssen Auffangbehälter bereitstehen. 1983 waren viele kleinere Fische durch die 80 Meter lange Abflussleitung in den Bach gespült worden. Sie mussten mit Käschern herausgeholt werden. Auch das birgt Lebensgefahr für die Tiere. Denn werden zu viele Fische im Käscher gestapelt, erdrücken die oberen die unteren.
Stein und Alka sind sich bewusst, dass trotz aller Vorbereitung und Planung Unwägbarkeiten bleiben, weil man nicht weiß, wie viele Fische sich tatsächlich im Ellertshäuser See befinden. "Dass bei dieser Aktion Fische sterben, ist klar", erwartet Stein nüchtern.
Auch über die Zeit danach, wenn die Sanierungsarbeiten abgeschlossen sind, haben sich Stein und Alka Gedanken gemacht. "Es wird Jahre dauern, bis wir hier wieder angeln können." Zuerst einmal muss wieder Wasser im Becken sein, um überhaupt neuen Fischbesatz einbringen zu können. Da der Ellertshäuser See ausschließlich vom Sauerquellenbach und Regenwasser gespeist wird, rechnen die Fachleute vom Wasserwirtschaftsamt mit einem Zeitraum von mindestens drei Jahren, bis das 15 Meter tiefe Becken wieder gefüllt ist. "Dann muss sich der See erst einmal erholen und der Besatz akklimatisieren", verdeutlicht Alka.
Bei den Anglern hat die Nachricht vom Ablassen des Ellertshäuser Sees zu einem Aufschrei geführt. Wo sollen die Besitzer von Jahreskarten in dieser langen Zeit hin? Einen Ausweichsee gibt es nicht. Fischereiverbandspräsident Stein will versuchen, das Angelkartenkontingent für den Main aufzustocken, damit zumindest den Daueranglern eine Alternative angeboten werden kann.
Einen positiven Aspekt hat die Sanierungsmaßnahme des Wasserwirtschaftsamtes allerdings auch für den Fischereiverband Unterfranken. "Wir haben danach die Chance, gezielt Fischbesatz einzubringen", so Stein. Denn Raubfische wie der Waller oder die einst zur Algenbekämpfung eingesetzten Chinakarpfen sollen künftig nicht mehr im Ellertshäuser See herumschwimmen.
Was sollen Fische denn sonst machen?