Sie genießen die "letzte Saison" noch einmal ausgiebig, die Segler am Ellertshäuser See. Denn wenn im Herbst der Stausee abgelassen wird, können sie über lange Zeit hier keine Boote mehr zu Wasser lassen. "Das wird uns fehlen", sagt Gerhard Weippert, der Vorsitzende des Segelclubs Ellertshäuser See-Schweinfurt (SCES).
Der rund 200 Mitglieder starke Verein hat sein Clubgelände in der Altenmünsterer Bucht am Nordufer des Sees. In der Saison ist hier fast täglich Betrieb. Man segelt, trinkt Kaffee, grillt am Abend und fachsimpelt dabei. "Das ist wie Urlaub", verweist Gerhard Weippert auf den "unheimlichen Erholungswert am See". Hier könne man abschalten, entspannen, die Ruhe in der Natur genießen.
Das alles wird es für einige Jahre aber nicht mehr geben. Das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen als Betreiber der Talsperre will die technischen Betriebsanlagen am Seegrund sanieren und muss dazu das Wasser ablassen. Bis sich nach Abschluss der Arbeiten – voraussichtlich im Sommer 2022 – das 330 000 Quadratmeter große und 14 Meter tiefe Becken mit Niederschlägen und Wasser aus dem Sauerquellenbach soweit gefüllt hat, dass auf dem See wieder gesegelt werden kann, wird es Jahre dauern. Was machen die Segler in dieser Zeit?
Windstärken der Höhe drei sind am Ellertshäuser See gang und gäbe
"Wir werden mal an den Gardasee fahren", meint Ehefrau Hanni. Schriftführer Thomas Reuß will mit seiner "Lusiel" an den Altmühlsee ausweichen, ein anderes Clubmitglied am Balaton in Ungarn segeln. Echte Alternativen seien das aber nicht. Denn so nah, so günstig, so gemütlich wie am Ellertshäuser See ist das Segeln andernorts nicht.
Die meisten Clubmitglieder kommen aus der Region, haben keine weiten Anfahrtswege, können also spontan die Segel hissen, wenn die Webcam des Wasserwirtschaftsamtes am See gutes Segelwetter verheißt. Windstärken der Höhe drei sind hier gang und gäbe.
Auch Flautensegeln kann reizvoll sein, wie ein kleiner Ausflug mit dem Segelboot bei annähernd Windstelle und herrlichem Sonnenschein zeigt. "Beim Segeln lernt man Gelassenheit", sagt Thomas Reuß. Der Münnerstädter ist seit 2007 SCES-Mitglied und kümmert sich als ehemaliger Journalist um alles Schriftliche und Kommunikative im Verein. Bei schönem Wetter ist er regelmäßig am See. So wie Vorsitzender Gerhard Weippert aus Bad Kissingen, der als Rentner wieder aktiv mit dem Segeln begonnen hat und mit Ehefrau Hanni viel Zeit am Ellertshäuser See verbringt.
"Segeln kann man bis ins hohe Alter", verweist Weippert auf hochbetagte Clubmitglieder. Alle Altersgruppen sind gut vertreten und ziemlich gleichmäßig verteilt. Wer keine eigene Yacht besitzt, kann sich als Clubmitglied eines der vereinseigenen Boote gegen eine Chartergebühr ausleihen. Die clubeigene Flotte ist mittlerweile auf zwei Laser, zwei Kielzugvögel, neun Optimisten, zwei 420-er und eine O-Jolle angewachsen.
Große Einschnitte für den Segler-Nachwuchs
Es ist mitnichten aber nur das Freizeitvergnügen, das verloren geht. Die größten Einschnitte wird das Ablassen des Wassers für den Segler-Nachwuchs bringen. Der SCES betreibt intensive Jugendarbeit am Ellertshäuser See. Schon ab sieben Jahren werden hier Kinder für den Segeljüngstenschein ausgebildet, der sie bis zur ihrem 17. Geburtstag Jollen von bis zu 13 Quadratmetern Segelfläche segeln lässt. Zum Kräftemessen werden interne Regatten veranstaltet. Der Verein hat auch einen großen Boots-Hänger, damit sich die Jugend zudem gemeinsam an überregionalen Wettkämpfen beteiligen kann.
So können die Nachwuchssegler in der Optiliga Nordbayern erstmals Regattaluft schnuppern. Nächste Stufe ist die Ansell-Welle, ein speziell für Jugendliche und junge Erwachsene entwickelter Wettkampf für Einhand- und Zweihandschwertjollen am Ellertshäuser See. Er soll die Opti-Umsteiger an die nächsten Bootsklassen heranführen.
Zur Förderung der Gemeinschaft werden Camps und Ferienfreizeiten veranstaltet. Jahreshöhepunkt ist das Opti-Camp zu Pfingsten. Da verwandelt sich das Clubgelände in ein Piratenlager mit Nachtwanderung und Lagerfeuer, an dem natürlich auch Seemannsgarn gestrickt wird.
Jugendausbildung soll an den Baggersee verlagert werden
"Wir haben uns schon Strategien überlegt, wie wir die Jugendarbeit weiterführen können", sagt Schriftführer Thomas Reuß. So soll die Jugendausbildung teilweise an den Schweinfurter Baggersee verlagert werden. Auch mit befreundeten Segelclubs in Nürnberg und Erlangen habe man Kontakt aufgenommen. Angedacht seien zudem Wochenendausflüge an der Brombachsee. Thomas Reuß bleibt aber realistisch: "Wenn mehrere Saisons ausfallen sollten, wird das einen erheblichen Aderlass geben."
Auch für die Erwachsenen führt der SCES jährlich interne Regatten durch, denn bei allem Freizeitspaß versteht man sich als Sportverein. Die Mitglieder besuchen zudem verbandliche Wettfahrten und mischen regelmäßig vorne in der Kielzugvogelklasse mit.
Auch für neue Tätigkeitsfelder ist der SCES offen: Im Juli war das Vereinsgelände Austragungsort für den German Micro Magic Cup, die internationale Deutsche Meisterschaft für Modellsegelboote der Micro Magic-Klasse. Aus Deutschland, Tschechien und den Niederlanden waren die Teilnehmer mit ihren "Bötchen" angereist. Im Regattafeld dabei waren drei SCES-Mitglieder bei ihrem ersten Ausflug ins Microformat. Sie bedauern sehr, dass solche Aktivitäten in nächster Zeit nun nicht mehr möglich sein werden.
Es gibt zudem noch eine logistische Herausforderung für den SCES. Denn wahrscheinlich müssen die drei Bootsstege nach dem Ablassen des Wassers komplett abgebaut werden. Die Holzplanken sind mit Ketten auf schwimmenden Fässern befestigt. Wenn das Becken leer ist, liegen die Fässer auf Grund und sind damit beim Abfahren des Schlamms im Weg. "Das sind Riesenkonstruktionen, die zerlegt werden müssen", verweist Vorsitzender Weippert auf den aufwändigen Abbau und die noch ungelöste Frage der Zwischenlagerung.
Die Stimmung bei den Clubmitgliedern ist getrübt. "Eine Saison wäre ja nicht so schlimm", meint Thomas Reuß. Angesichts der geringen Sommerniederschläge geht man aber auch beim Segelclub davon aus, dass erst in einigen Jahren das Becken wieder gut gefüllt sein wird. Vorsitzender Gerhard Weippert schaut trotzdem optimistisch nach vorne. "Ich bin mir sicher, dass der Verein die trockene Zeit überleben wird."