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Grafenrheinfeld
Die Kühltürme in Grafenrheinfeld verschwinden, aber der Atommüll nicht: Warum die Kernkraftgegner aktiv bleiben
Sie sind Atomkraftgegner der ersten Stunde. Fünf Männer aus dem Landkreis Schweinfurt erklären, warum ihre Arbeit jetzt nicht vorbei ist und wie sie weiterkämpfen werden.
Atomgegner der ersten Stunde vor dem Atomkraftwerk Grafenrheinfeld: (v.li.) Elmar Rachle, Peter Fuchs, Christian Schäflein, Walter Rachle und Herbert Wiener. 
Foto: Anand Anders | Atomgegner der ersten Stunde vor dem Atomkraftwerk Grafenrheinfeld: (v.li.) Elmar Rachle, Peter Fuchs, Christian Schäflein, Walter Rachle und Herbert Wiener. 
Susanne Wiedemann
 |  aktualisiert: 14.08.2024 02:55 Uhr

Herbert Wiener, Christian Schäflein, Peter Fuchs, Elmar und Walter Rachle kommen aus unterschiedlichen Berufen. Aber sie haben eine gemeinsame Geschichte - und ein gemeinsames Ziel: Widerstand gegen Atomkraft und ihre Hinterlassenschaften. Die fünf waren und sind im Landkreis Schweinfurt in der BA-BI, der "Bürgeraktion Lebens-, Umwelt- und Klimaschutz / Bürgerinitiative gegen Atomanlagen", aktiv, die es seit 52 Jahren gibt. 

Die Kühltürme des Kernkraftwerks (KKG) Grafenrheinfeld werden am 16. August gesprengt. Wie und wo die fünf Aktivisten dann die Sprengung der Türme verfolgen, warum sie weiterkämpfen wollen und was ihnen Sorgen macht - darüber sprechen sie an einem symbolträchtigen Ort: am Wegkreuz an der Zufahrt zum Kernkraftwerk, im Schatten der beiden Kühltürme.

Seit 1987 finden hier regelmäßig ökumenische Andachten statt. Sie waren und sind Zeichen des Widerstands. Und auch ein Appell, die Schöpfung zu bewahren, sich Gedanken darüber zu machen, was die Menschen in ihrer Welt anrichten.

Elmar Rachle kommt mit "Atomkraft? Nein danke!"-T-Shirt und Flagge. Christian Schäflein, der Sprecher der BA-BI, trägt das T-Shirt vom Abschaltfest des Atomkraftwerks 2015.. Herbert Wiener hat einen dicken Ordner mitgebracht, in dem akribisch alles dokumentiert ist, was mit der Anlage zu tun hat: Protokolle, Zeitungsausschnitte, Schriftwechsel mit Behörden, Klageschriften. 

Walter Rachle und Peter Fuchs rollen das Demo-erprobte BA-BI-Banner aus für das Gruppenbild mit Türmen. Eines der letzten wohl. Die Stimmung ist nostalgisch - und kämpferisch. Denn der Weg der Aktivisten ist mit dem Ausstieg aus der Atomenergie, dem Verschwinden der Türme nicht beendet. Im Gegenteil. 

"Wir werden hier auf dem Atommüll sitzenbleiben."
Christian Schäflein, BA-BI-Sprecher

Das Verschwinden der Kühltürme sehen die Männer mit gemischten Gefühlen. Herbert Wiener, lange Jahre SPD-Stadtrat in Schweinfurt, wäre dafür gewesen, die Türme als Mahnmal zu erhalten. "Ich freue mich, wenn es wieder freie Sicht gibt", sagt dagegen Christian Schäflein.

Alle Fünf aber befürchten, dass die Sprengung ein falsches Signal setzt: "Aus den Augen, aus dem Sinn", warnt der ehemalige Grünen-Kreisrat Walter Rachle. Denn hochradioaktiver Atommüll wird weiterhin in Grafenheinfeld lagern. Nicht nur von hier, sondern auch aus dem Kernkraftwerk Würgassen. Das Gefahrenpotential ist nicht weg, ist sich die Gruppe einig. 

Befürchtung: Zwischenlager wird zum Endlager

Das Atommüll-Zwischenlager auf dem Kraftwerksgelände werde zum Endlager, das haben die BA-BI-Aktivisten und andere Atomgegner immer befürchtet. Sie sehen sich bestätigt. "Wir werden hier auf dem Atommüll sitzenbleiben", ist sich Schäflein sicher. Dass noch irgendwann ein Platz für ein Endlager gefunden wird, halten die Fünf für utopisch.

Wo sollen die radioaktiven Abfälle hin? Schon als das Atomkraftwerk in der Planung war, sei das eine Hauptsorge gewesen, erinnert sich Peter Fuchs an die Anfänge der Anti-Atom-Bewegung. "Ich bin froh, dass hier zumindest kein neuer Atommüll mehr entsteht", meint Walter Rachle, "man hätte Atomkraft nie ins Leben rufen dürfen." Seine Mitstreiter nicken..

2011, nach der Katastrophe im japanischen Fukushima, demonstrierten Tausende in Bergrheinfeld in Sichtweite des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld.  
Foto: Waltraud Fuchs-Mauder | 2011, nach der Katastrophe im japanischen Fukushima, demonstrierten Tausende in Bergrheinfeld in Sichtweite des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld.  

Atomkraft ohne Endlager? Elmar Rachle hat dafür einen Vergleich: "Das ist wie in ein Flugzeug zu steigen, ohne zu wissen, ob es eine Landebahn gibt." Den nachfolgenden Generationen, da sind sich die Fünf einig, wird mit dem Lager einiges aufgebürdet. 

Sicherheit des Zwischenlagers im Blick

Deswegen soll sich die weitere Arbeit der Bürgerbewegung BA-BI auf die maximale Sicherheit des Zwischenlagers fokussieren. Man will Nachbesserungen fordern und das Thema in der Öffentlichkeit präsent halten. "Wir haben zwar Atomkraft nicht verhindert, aber wir haben einiges bewegt", sagt Christian Schäflein. 

Sind die Kühltürme weg, könne es immerhin keine Diskussionen mehr geben, ob man das 2015 abgeschaltete KKG oder andere Meiler in Bayern doch wieder aktiviert - und so Zweifel am Erfolg der Energiewende sät. CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder habe das Thema aufgebracht, die AfD sich ähnlich geäußert. "Reiner Populismus", ist das für die Fünf. Oder wie Christian Schäflein sagt: "Ein totes Pferd reiten."

Gemeinsame Aktion der Atomkraft-Gegner am 16. August

Was sie für den 16. August, den Tag der Sprengung, planen? Gemeinsam mit den Bündnispartnern Bürgeraktion Müll und Umwelt, Greenpeace und Naturfreunden wollen die Aktivisten ein Anti- Atom- Picknick veranstalten. Und auch eine Luftballonaktion geplant. Motto: Die Kühltürme sind weg, der Atommüll und die Gefahren und Probleme bleiben. 

Details werden sie noch bekannt geben. Aber die Aktion soll in Bergrheinfeld, hinter der Kläranlage steigen. Dort hat 2011 nach dem Super-GAU in Fukushima auch schon eine große Anti-Atom-Demo stattgefunden. Ein symbolischer Ort - wie das Wegkreuz.

 
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  • Dietmar Eberth
    Die allermeisten Bundesbürger werden die sichere Endlagerung (nach 2100) des Atommülls nicht mehr erleben und stattdessen Dutzende von Transporten von einem "Zwischenlager" zum anderen. (ganz neue Bedeutung von Zwischenlager)

    Ich finde das ganze ist für die nächsten 3 Generation genug Mahnmal mit zusätzlichen Milliardenkosten.
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  • Hiltrud Erhard
    Ein sinnfreier Artikel über 5 Menschen....
    man kann zu etwas stehen oder dagegen sein, aber das ist grad ein Artikel über eine "aussterbende Art oder einem toten Pferd"!
    Den Strom haben alle gerne genommen, von den Steuern profitiert!
    Das Endlagerproblem löst die Ampel gerade auch nicht. Das Energieproblem auch nicht.
    Etwas nicht wollen aber den Strom aus der Steckdose schon, das ist populistisch.
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  • Michael Albert
    @Fr. Erhard, zur Erinnerung, die Endlagersuche läuft schon seit über 40 Jahren. In einer sehr umstrittenen, politischen Entscheidung hat die Regierung Kohl 1983 das Erkundungsverfahren in Gorleben beschlossen. Seit 2020 ist Gorleben endgültig gescheitert. Genauso gescheitert ist das CSU-Projekt WAA-Wackersdorf. Und Sie werfen der Ampel vor, dass noch kein Endlager gefunden wurde?
    Es war eine CDU Regierung, die 2011 endgültig aus der Atomenergie ausgestiegen ist. Wenn es in Bayern Energieprobleme gibt (?), liegt das an der Politik der CSU, die Windräder und Stromleitungen sabotiert hat.
    Außerdem sollten Sie wirklich mal über Ihr Menschenbild nachdenken. Diese Mitbürger, die sich seit Jahrzehnten dafür einsetzen, dass mit dem gefährlichen Atommüll möglichst verantwortungsvoll umgegangen wird, bezeichnen Sie tatsächlich als „Aussterbende Art“ oder „Totes Pferd“? Das ist unter aller Würde, selbst für Sie, die ja immer scharfe Worte für jeden findet, der irgendwie „links“ von der CSU steht.
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  • Hiltrud Erhard
    Sie verdrehen Tatsachen!
    Ich hab geschrieben, das die Ampel das Endlagerproblem AUCH nicht löst! Obwohl alles so vollmundig angekündigt war.
    Ebenso ist es unwahr, dass das Windradproblem ein Problem der CSU sei. Ja, es gab die 10h Regel, aber die hätte kein einziges Windrad verhindert wenn es die Gemeinden gewollt hätten!
    Und da wo sie es gewollt haben, haben Bürgerinitiativen und die Grünen sie verhindert (z.B. Arnstein, Oerlenbach, etc)
    Und Stromleitungen wurden keine sabotiert! Das ist böswillige Unterstellung!
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  • Michael Albert
    @Fr. Erhard, die Fakten sind halt ganz einfach andere Ihre doch sehr ideologisch gefärbten Meinung.
    Wie der Faktencheck des BR am Beispiel der Windkraft in Bayern klar nachweist.

    "Fazit: Es spricht sehr viel dafür, dass die 10H-Regel die wichtigste Ursache für den Zusammenbruch des Windenergie-Zubaus in Bayern ist. Zwar gibt es auch weitere, bundesweit wirksame Hemmnisse, etwa rechtliche Auflagen. Sie haben dazu geführt, dass auch deutschlandweit weniger Windräder neu gebaut wurden. Der starke Rückgang von Windkraft-Anträgen im Freistaat fällt jedoch zeitlich genau mit der Einführung der Mindestabstandsregel zusammen. Er kam früher und fiel stärker aus als im restlichen Bundesgebiet."

    https://www.br.de/nachrichten/bayern/faktenfuchs-windkraft-flaute-der-einfluss-der-10h-regel,SsLWe33
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  • Michael Albert
    @Fr. Erhard, nein ich verbreite hier keine böswilligen Unterstellungen. Es ist eher Ihr Problem, wenn Sie sich den Tatsachen verweigern.
    Es ist nun einmal so, dass Horst Seehofer 2014 einen Planungsstopp für die notwendigen Stromleitungen gefordert, damit das ganze Projekt in Frage gestellt und unnötig verzögert hat. Das ist Tatsache.
    Und der Grund: Reiner Populismus vor anstehenden Wahlen!

    https://www.zeit.de/news/2014-02/05/energie-bayern-fordert-stromtrassen-moratorium-05132016

    https://www.bundestag.de/webarchiv/textarchiv/2014/49508599_kw07_aktstd_stromnetzausbau-215686

    Besonders bemerkenswert dabei ist, dass die CSU - damals in der "guten alten Zeit" in der Bundesregierung - nur ein Jahr vorher genau diese Stromtrassen mit beschlossen hatte!
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  • Hiltrud Erhard
    ... und man zusammen mit Sigmar Gabriel erkannt hat, dass man nicht Bürger und Sensible Gebiete mit Masten einfach so überzieht wenn es eine bessere Möglichkeit zur Erdverkabelung gibt, die weniger belastend ist.
    Die Stromtrassen sind nicht die Frage, die braucht es! Das WIE ist entscheidend!
    Die Planfeststellungsverfahren - und da denke ich, sind wir uns einig, dauern viel zu lange
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  • Ulrike Schneider
    @Hiltrud Erhard
    "populistisch" ist wohl eher Ihre Kommentierung zu den Akteuren und zum Strom aus der Steckdose. Die Energiewende ist dringend notwendig, sie wird auch gelingen - trotz steter und jeder wissenschaftlichen Erkenntnis zuwider laufenden Störmanöver aus den Reihen der CSU/CDU/AfD.
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  • Manfred Englert
    Ganz Ihrer Meinung, Herr Wiener, was die Sprengung der Türme anlangt. Ansonsten, naja....
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