
Einige Tausend Besucher hatte Organisator Christian Schäflein von der Bürgeraktion Lebens- und Umweltschutz-Bürgerinitiative gegen Atomanlagen (BA-BI) erwartet. Dass das Abschaltfest der BA-BI aber bis Redaktionsende am Sonntagabend schon weit über 4000 Menschen besucht hatten, damit rechnete er nicht.
Schon zum ökumenischen Gottesdienst um 13 Uhr, musikalisch begleitet von der Mainberger Blasmusik, waren alle 1500 Sitzplätze vor der Bühne auf dem Marktplatz in Schweinfurt besetzt.
„Halleluja Jesu für das Abschaltfest“
Krankenhausseelsorger Franz Feineis und seine evangelische Pfarrerskollegin Eva Loos machten aus ihrer Freude über das baldige Ende in Grafenrheinfeld keinen Hehl. „Halleluja Jesu für das Abschaltfest“ hatte Feineis seinen Abschalt-Rap überschrieben, den die Besucher gerne mitsagen – so weit sie einen Liederzettel ergattert hatten. 100 Kopien hatte Feineis mitgebracht.
Die, die einen Liederzettel haben, sollen die anderen halt mit reinschauen lassen, gestand Feineis seine totale Fehlkalkulation ein. Ein Refrain im Rap lautete: „Ich sing/abgeschott,/vor den Gefahr'n/dazu helfe Gott“.
„Hopp, Hopp, Hopp, Atomkraftwerke Stopp“
Und Loos, wie Feineis regelmäßige Mitgestalter der monatlichen Wegkreuz-Gottesdienste am KKG, sagte: „Die angebliche Ohnmacht des Kreuzes hat sich als stärker erwiesen und wir bleiben weiter der Stachel im Fleisch der Mächtigen“.
Dann stürmten die BA-BI-Verantwortlichen die Bühne. In die Rufe „Hopp, Hopp, Hopp, Atomkraftwerke Stopp“ und „Abschalten, Abschalten“ stimmten viele Besucher gerne mit ein.
BA-BI-Vorsitzender Hubert Lutz nannte den nahen Abschalttermin in Grafenrheinfeld „ein Ereignis, wofür wir lange gekämpft haben“. Grünen-Kreischef Stefan Fuchs, auch Mitglied der Mainberger Musiker, blies mit einem Trompetensolo „das KKG nieder“.
40 Künstler haben der BA-BI spontan ihre Zusage für einen Auftritt gegeben. Alle traten ohne Gage auf. Entsprechend abwechslungsreich war der kulturelle Teil.
Zwischen den Polit-Talks Stargast Andreas Kümmert
Die DGB-Songgruppe zum Aufakt, der niederbayerische Liedermacher Christoph Weiherer, Petra Eisend und als Star am Nachmittag Andreas Kümmert, alle angekündigt von Wolfram Hanke, BR-Redakteur aus Schweinfurt.
Dazwischen Polit-Talks, moderiert vom früheren Zeitungskollegen und Pressesprecher der Landtagsgrünen, Holger Laschka. Vornweg aber der viel beklatschte Auftritt von Schirmherrin Gudrun Pausewang: „Helft mit, dass wir nach Grafenrheinfeld weitere Erfolge feiern“.
Alt-OB Kurt Petzold erinnerte an die Klagen der Stadt gegen den Bau des KKG. „Es war undenkbar, so was zu akzeptieren“, sagt er. Herbert Wiener, SPD-Stadtrat damals bis heute, nannte die ungelöste Endlagerung eine „Bankrotterklärung“. Man habe sich in ein Flugzeug gesetzt, aber nicht an die Landung gedacht.
"Behinderung der Energiewende durch Ministerpräsident Horst Seehofer"
Das sah auch Umweltaktivist Jochen Stay von „Ausgestrahlt“ so, weshalb auch er zu Wachsamkeit riet. Schwebheims Ex-Bürgermeister Hans Fischer bedauerte, dass Tschernobyl und Fukushima zum Wachrütteln nötig gewesen seien. Zwei Katastrophen, die für unendliches Leid sorgten, erinnerte Kreisrat Walter Rachle.
Landtagsabgeordnete Kathi Petersen (SPD) fragte sich, ob in der Behinderung der Energiewende durch Ministerpräsident Horst Seehofer nicht eine Laufzeitverlängerung „mitgedacht wird“. Grünen-Landeschef Eike Hallitzky wollte sich dagegen mit Seehofer nicht beschäftigen. Die Energiewende werde von den „Menschen hier gemacht“, sagte er.
Neue Jobs dank regenerativer Energien
DGB-Chef Frank Firsching freute sich über die vielen neu geschaffenen Arbeitsverhältnisse im regenerativen Bereich. Diese Beschäftigten seien aber oft nicht organisiert und dementsprechen nicht gut bezahlt, bedauerte er.
Abschaltfest auf dem Marktplatz: die Band "Mischbrett" steuert klassischen Bluesrock bei.
Posted by Schweinfurter Tagblatt on Sonntag, 31. Mai 2015
Grußworte hatten für die Stadt Sorya Lippert und für den Landkreis Florian Töpper gesprochen. Die Bürgermeisterin erinnerte an den parteiübergreifenden Einsatz gegen das wie ein Damoklesschwert über der Stadt schwebende KKG. Der Landrat dankte den Atomkraftgegnern der ersten Stunde, die „oft gegen den Strom“ im Protest nicht locker ließen. Einer von ihnen ist Emil Linke aus Schweinfurt. Der 85-Jährige sagt zum Abschalten: „Ich habe gewonnen“.
Zu unserem Themenspecial rund um das Thema Atomkraft-Ende.