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Grafenrheinfeld
Vor der Sprengung in Grafenrheinfeld: Was mussten die zwei Kühltürme des AKW eigentlich können?
Bald sind sie weg: Die beiden Türme des früheren Atomkraftwerks nutzten die Physik von kalter und warmer Luft. Wie sie funktionierten und für was genau sie da waren.
Die Kühltürme des ehemaligen AKW Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) haben schon seit Jahren keine Aufgabe mehr. Am 16. August 2024 werden sie gesprengt.
Foto: Patty Varasano | Die Kühltürme des ehemaligen AKW Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) haben schon seit Jahren keine Aufgabe mehr. Am 16. August 2024 werden sie gesprengt.
Josef Schäfer
 |  aktualisiert: 22.07.2024 02:31 Uhr

Sie sind im Landkreis Schweinfurt das weithin sichtbare Zeichen des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld. Am 16. August sollen sie gesprengt werden: Oft wurden die beiden Kühltürme für das Kernstück der Anlage gehalten. Falsch, denn Mittelpunkt des AKW war der Reaktordruckbehälter im Reaktorgebäude. Er ist bereits ausgebaut.

Was war die Aufgabe der Kühltürme und wie werden sie verschwinden? Antworten auf die wichtigsten Fragen. 

Wie groß sind die Kühltürme?

Jeder Kühlturm ist 143 Meter hoch und hat unten in der sogenannten Kühlturmtasse einen Durchmesser von 105 Metern. Der Durchmesser oben beträgt 64 Meter. Ein Turm steht auf 36 Stützenpaaren. Die Wandstärke nimmt nach oben hin ab und beträgt zwischen 75 und 16 Zentimetern. Die Form mit der Verschlankung auf halber Höhe, die an eine Spindel erinnert, heißt im Fachjargon Hyperboloid.

Was war die Aufgabe der Kühltürme?

Die Türme sollten das die Temperatur des Kühlwassers absenken. Wasserdampf im so genannten Sekundärkreislauf, der keinen Kontakt mit nuklearen Teilen des Atomkraftwerks hatte, wurde auf die Turbinen geleitet, die den Generator zur Stromerzeugung antrieben. Seine Restwärme gab er an das Kühlwasser ab, das in einem separaten Kreislauf zirkulierte. Das erwärmte Kühlwasser wurde auf etwa zehn Meter Höhe in die Türme gepumpt und durch ein komplexes Leitungs- und Verrieselungssystem geschleust.

Durch die Bauweise und die Temperaturunterschiede wurde permanent kalte Luft von unten in den Turm gesaugt, die die Temperatur des Kühlwassers von 37 Grad Celsius auf 24 Grad senkte. 

Vor der Sprengung in Grafenrheinfeld: Was mussten die zwei Kühltürme des AKW eigentlich können?

Was hatte es mit den Dampfschwaden auf sich?

Das am deutlichsten sichtbare Zeichen des AKW-Leistungsbetriebs waren die Dampfschwaden, die aus den Kühltürmen zogen: Hier verdunstete ein Teil des Wassers beim Kühlvorgang. Beim Dampf handelte sich aber nur um einen Bruchteil des verwendeten Wassers: 160 Millionen Liter wurden pro Stunde innerhalb des Kühlwassersystems umgewälzt. Eine vergleichsweise kleine Menge - circa zwei Prozent - verdampfte - und wurde durch Mainwasser ersetzt. Das waren aber immer noch 3,2 Millionen Liter Wasser pro Stunde - deswegen die großen Dampfschwaden.

Über Jahrzehnte ein vertrautes Bild: Dampfschwaden aus den Kühltürmen zeigten von Dezember 1981 bis Juni 2015 an, dass das AKW Grafenrheinfeld in Betrieb war.
Foto: Günther Fischer | Über Jahrzehnte ein vertrautes Bild: Dampfschwaden aus den Kühltürmen zeigten von Dezember 1981 bis Juni 2015 an, dass das AKW Grafenrheinfeld in Betrieb war.

Was wurde vor der Sprengung bereits erledigt?

Nach umfangreichen Gutachten sind die Türme formal aus der Wirkung des Atomrechts genommen worden, die Baugenehmigung für den Abbruch wurde erteilt. 

Große Teile der Einbauten rund um das Verrieselungssystem der Türme sind bereits entfernt worden, insgesamt 2100 Tonnen. Derzeit werden Öffnungen in Mauern und Stützen gebohrt, in die die Sprengladungen kommen. Ziel ist es, Schlitze in die Mauern zu sprengen, damit die Türme ihre Standfestigkeit verlieren und durch das Eigengewicht in sich zusammenbrechen.

Werden zum ersten Mal Kühltürme eines deutschen AKW gesprengt?

Am 14. Mai 2020 sind die Türme des ehemaligen AKW Philippsburg in Baden-Württemberg gesprengt worden. Auch Türme anderer Kraftwerke mit ähnlichem Aufbau sind per Detonation bereits eingelegt worden.

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Wie läuft die Sprengung am 16. August ab?

Am 16. August wird das Betriebsgelände und ein äußerer Bereich abgesperrt. Vor der eigentlichen Sprengung wird ein Knall zu hören sein: die sogenannte "Vergrämungssprengung", damit Tiere sich erschrecken und in Sicherheit bringen. Es folgen verschiedene Sprengsignale: Ein langer Fanfarenstoß bedeutet, dass sich außer den autorisierten Personen kein Mensch im Sperrbereich aufhalten darf. Zwei kurze Stöße kündigen die Zündung an.

Die Türme werden in einem Abstand von 15 Sekunden gesprengt. Danach wird sich eine riesige Staubwolke entwickeln. Anschließend untersuchen die Fachleute das Gelände und überprüfen, ob alle Sprengladungen detoniert sind.

Nach der Zündung kann es bis zu 60 Minuten dauern - dann beenden drei kurze Fanfarenstöße die Sprengung offiziell.

Kann man die Sprengung am AKW mitverfolgen?

Das AKW Grafenrheinfeld liegt im weitläufigen Maintal. Fast von überall aus, besonders auf den Anhöhen, hat man gute Sicht auf die Kühltürme. Die Uhrzeit der Sprengung ist noch nicht bekannt. Bei größerem Andrang von Schaulustigen kann es zu Straßensperrungen kommen. AKW-Betreiber Preussen-Elektra, der für den Abbau verantwortlich ist, weist darauf hin, dass die Rettungswege freizuhalten sind.

 
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Kommentare
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  • Herbert Völkel
    Völlig überflüssiger Bericht in "Quarks & Co"-Diktion.

    Wann erfährt der Leser endlich, was am 18. Juli beim Brand im nuklearen Kontrollbereich des KKG wirklich passiert ist?

    Warum muss das KKG nahezu zehn Jahre nach der Abschaltung weiterhin enorme Mengen an Kühlwasser aus dem Main entnehmen, nach Betreiberangaben immerhin 20 Millionen Kubikmeter im Jahr 2021 - wasserrechtlich genehmigt wären sogar 65 Millionen Kubikmeter jährlich! (s. MP v. 21. Mai 2024)

    Etwa weil die Kühltürme seit 2015 nicht mehr dampfen? Aber der Main wird offensichtlich aufgewärmt. Wovon? Um ein Grad Celsius, zwei, drei ...? Wo ist die Grenze? Was genau muss immer noch gekühlt werden?
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  • Christoph Schuller
    Schade - "Was mussten die [...] Kühltürme [...] eigentlich können?"
    Die Überschrift des Artikels verheißt Großes. Doch warum wird das Wasser im 2. Kreislauf heruntergekühlt, während es doch zuvor vom 1. Kreislauf, der aus dem Reaktor kommt, mühsam aufgeheizt wurde? Letztlich sollte im Kernkraftwerk doch innere Energie in elektrische umgewandelt werden. Somit wäre eine Energieabgabe durch die Kühltürme - und genau das passiert doch beim Herunterkühlen - doch reinste Energieverschwendung.
    Eine Antwort auf diese Frage verspricht die Überschrift, der Artikel leistet in dieser Hinsicht jedoch nichts. Einfach Schade. Vielleicht könnte sich der verantwortliche Redakteur mal etwas genauer mit den physikalischen Hintergründen beschäftigten und seine Leser mit einem angemessenen Artikel daran teilhaben lassen - Stichwort Entropie...
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  • Hermann Wegner
    Hallo Herr Schuller,
    ich weiß nicht, ob Ihre Frage ernst oder ironische gemeint ist. Ich versuche dennoch die Frage einmal vereinfacht und damit hoffentlich allgemeinverständlich zu beantworten.
    Die Energiemenge zur Stromgewinnung, die aus der Turbine entnommen werden kann, hängt stark von der Temperaturdifferenz ab zwischen Turbineneingang, wo der Heißdampf zugeführt wird und dem Turbinenausgang, der im Turbinenkondensator endet. Da die Temperatur auf der Eingangsseite der Turbine technischen und physikalischen Begrenzungen unterliegt, gilt es auf der Ausgangsseite eine möglichst niedrige Temperatur zu gewährleisten und konstant zu halten, die wirtschaftlich sinnvoll zu erreichen ist. Der Einsatz des Kühlkreislaufs dient also dazu, die Effizienz der Anlage zu steigern.
    Sonnigen Tag auch.
    PS: Als Stichwort ist Kreisprozess zum Recherchieren und Verständnis besser.
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  • Dominik Temming
    Ich hoffe, dass wir irgendwann vernünftig genug sind, um neue Anlagen zu bauen. Mit unserer "Wir schalten alle AKWs ab, wir retten die Welt" stehen wir ziemlich isoliert da. Weltweit sind 437 Anlagen in Betrieb, Tendenz stark steigend (176 in Planung/ im Bau). Und wir meinen echt, mit unseren abgeschalteten 33 Anlagen bewirken wir irgendwas? Nein, ausser massiver Wohlstandsverlust wird dabei nicht viel rauskommen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kernenergie_nach_L%C3%A4ndern#:~:text=Weltweit%20nutzen%2032%20von%20195,Januar%202024).
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  • Peter Koch
    Ich hätte nichts dagegen, aber nur wenn Sie Ihren Garten für ein Endlager zu Verfügung stellen.
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  • Manfred Englert
    Herr Koch, meinen Garten stelle ich zur Verfügung!
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  • Patrick Rettner
    Sie scheinen sich sehr gut auszukennen. Erklären Sie mir doch bitte, warum es vernünftig ist, Atomkraftwerke zu bauen, deren Strom pro kWh ca 42 ct kostet, die massivst subventioniert werden müssen und für die es in absehbarer Zukunft kein Endlager für verbrauchte Brennstäbe gibt.
    Und wo wir gerade dabei sind, wo würden Sie den benötigten Brennstoff hernehmen?
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  • Stefan Lieblein
    Kurze Internetrecherche, Faktencheck zu angeblichen 42 Cent:

    Dies sind die Vollkosten von Energiequellen für Deutschland in Eurocent pro Kilowattstunde Strom bei 5% Abzinsfaktor:

    3,0 €Cent/kWh AKW Verlängerung
    3,9 €Cent/kWh Wasserkraft
    5,3 €Cent/kWh AKW neu
    6,1 €Cent/kWh Wind an Land
    7,0 €Cent/kWh Solarpark
    8,4 €Cent/kWh Wind offshore
    11,7 €Cent/kWh Dachsolar
    13,9 €Cent/kWh Erdgas & Dampf
    17,2 €Cent/kWh Biomasse
    17,6 €Cent/kWh Kohle

    Quelle: https://www.tech-for-future.de/kosten-kwh/
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