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Grafenrheinfeld
Sprengung der zwei Kühltürme am AKW Grafenrheinfeld: Alles, was man zum Ablauf und zur Detonation wissen muss
Die zwei Türme des früheren Atomkraftwerks im Landkreis Schweinfurt werden am 16. August gesprengt. Was passiert am AKW-Gelände in Grafenrheinfeld? Die wichtigsten Fakten.
Am 16. August 2024 werden die Kühltürme des ehemaligen AKW Grafenrheinfeld im Landkreis Schweinfurt gesprengt. Das Foto stammt aus dem Jahr 1979.
Foto: www.luftbild-bertram.de | Am 16. August 2024 werden die Kühltürme des ehemaligen AKW Grafenrheinfeld im Landkreis Schweinfurt gesprengt. Das Foto stammt aus dem Jahr 1979.
Josef Schäfer
 |  aktualisiert: 16.08.2024 02:43 Uhr

Sie sind 143 Meter hoch, von Weitem sichtbar und sie wirken mächtig: die Kühltürme des ehemaligen Atomkraftwerks in Grafenrheinfeld im Landkreis Schweinfurt. Am Freitag, 16. August, sollen sie gesprengt werden. Weil die Wände der beiden Türme relativ dünn sind, wird nach der Detonation und einer großen Staubwolke gar nicht so viel Betonschutt übrig bleiben, wie man vielleicht vermutet. 

Alle aktuellen Informationen zum Detonationsplan und was rund um die Sprengung bekannt ist. 

Wann werden die Kühltürme des AKW Grafenrheinfeld gesprengt?

Die Sprengung ist für Freitag, 16. August, um 18.30 Uhr terminiert. Im Wesentlichen ist der Termin abhängig von Netzbetreiber Tennet, der in der Nachbarschaft des AKW-Geländes Stromtrassen und die notwendige Infrastruktur unterhält. Nur wenn das Unternehmen keine Auswirkungen, etwa durch Staubeintrag in sein System, erwartet und das europäische Netz trotz Abschaltungen von Kreisläufen in Grafenrheinfeld stabil ist, kann gesprengt werden. Dazu stimmt sich AKW-Betreiber Preussen-Elektra in den Tagen vor der Sprengung regelmäßig mit Tennet ab.

Bald ein Bild aus der Vergangenheit: Am 16. August 2024 werden die Kühltürme des ehemaligen AKW Grafenrheinfeld im Landkreis Schweinfurt gesprengt.
Foto: René Ruprecht | Bald ein Bild aus der Vergangenheit: Am 16. August 2024 werden die Kühltürme des ehemaligen AKW Grafenrheinfeld im Landkreis Schweinfurt gesprengt.

Wie läuft die Sprengung genau ab?

Am 16. August werden das Betriebsgelände und ein äußerer Bereich in Grafenrheinfeld ab 15 Uhr abgesperrt. Die Grenze nach Westen ist der Main. Ab 15 Uhr wird auch die Zufahrt zum AKW-Gelände sowie angrenzende Feldwege gesperrt. Betroffen ist auch die Staatsstraße zwischen dem Kreisel Bergreinfeld und der Einfahrt nach Garstadt. Fußgänger können die Straße nutzen.

Vor der eigentlichen Sprengung wird ein Knall zu hören sein: Durch die sogenannte "Vergrämungssprengung" sollen sich Tiere erschrecken und in Sicherheit bringen können.

Dann kommen verschiedene Sprengsignale: Ein langer Fanfarenstoß bedeutet, dass sich außer den autorisierten Personen kein Mensch im Sperrbereich aufhalten darf. Zwei kurze Stöße kündigen die Zündung an.

Die Türme werden in einem Abstand von 15 Sekunden gesprengt. Danach wird sich eine riesige Staubwolke entwickeln. Anschließend untersuchen die Fachleute das Gelände und kontrollieren insbesondere, ob alle Sprengladungen detoniert sind.

Das kann bis zu 60 Minuten nach der Zündung dauern. Drei kurze Fanfarenstöße beenden die Sprengung dann offiziell.

Warum werden die Kühltürme jetzt gesprengt?

Das AKW Grafenrheinfeld wurde 2015 stillgelegt und befindet sich seitdem im Rückbau. Derzeit werden unter anderem die technischen Komponenten im Reaktorgebäude ausgebaut. Bis 2035 soll der Rückbau abgeschlossen sein.

Für die Kühltürme hat Betreiber Preussen-Elektra in Grafenrheinfeld keine Verwendung. Anders war das beispielsweise in Kalkar (Nordrhein-Westfalen): Dort hat ein niederländischer Investor auf dem AKW-Areal einen Vergnügungspark gebaut, der Kühlturm wurde unter anderem zur Kletterwand. Eine aufwändige technische Nutzung der Grafenrheinfelder Türme ist aufgrund der Statik nicht möglich.

Rein technisch ist die Sprengung der Kühltürme zum jetzigen Zeitpunkt nicht nötig, man könnte den Abbau auch am Ende der Rückbauphase vornehmen. Doch aus den Reihen der Politik kam der Wunsch, die weithin sichtbaren Monumente der Atomkraft schnell zu beseitigen. "Wir wollen ein Zeichen nach außen setzen", sagte Werksleiter Bernd Kaiser im November 2023.

Welche Vorbereitungen gab es vor der Sprengung am 16. August?

Vor der Sprengung sind vor allem große Teile der Einbauten rund um das Verrieselungssystem entfernt worden - insgesamt 2100 Tonnen. In Mauern und Stützen wurden Öffnungen für die Sprengladungen geschaffen. Ziel ist es, durch die Detonationen Schlitze in die Mauern zu sprengen, damit die Bauwerke ihre Standfestigkeit verlieren und durch ihr Eigengewicht in sich zusammenbrechen.

Vor diesen Arbeiten waren umfangreiche Gutachten und Genehmigungen angefertigt worden. So wurden die Türme formal aus der Wirkung des Atomrechts genommen und die Baugenehmigung für den Abbruch beantragt.

Durch die Erschütterungen dürfen andere Anlagen, die wie der Stromleitungsknotenpunkt von Tennet und die beiden atomaren Zwischenlager weiterbetrieben werden, nicht beeinträchtigt oder gar beschädigt werden. Sie befinden sich in etwa 50 bis 100 Meter Entfernung der Kühltürme.

Wurden in Deutschland bereits AKW-Kühltürme gesprengt?

Die erste Sprengung gab es am 14. Mai 2020: Damals sind die Türme des ehemaligen AKW Philippsburg in Baden-Württemberg gesprengt worden. Auch Türme anderer Kraftwerke mit ähnlichem Aufbau wurden bereits per Detonation eingelegt.

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Kann man sich das Spektakel anschauen?

Das AKW liegt im weitläufigen Maintal. Fast von überall, besonders von den Anhöhen, hat man gute Sicht auf die Kühltürme. Ein offizielles Programm für Schaulustige gibt es nicht. Es kann bei größerem Andrang zu Straßensperrungen kommen. Betreiber Preussen-Elektra weist darauf hin, dass die Rettungswege freizuhalten sind. Privatgrund darf nur mit Erlaubnis der Eigentümer betreten werden. Besondere Rücksicht sollte man auf Äcker und Wiesen nehmen.

Was passiert mit dem AKW-Umfeld nach dem Rückbau?

Gerne wird die Formulierung gebraucht, dass nach dem Rückbau das Gelände zur "grünen Wiese" wird. Doch diese wird streng genommen allenfalls für das heutige AKW-Areal in Verantwortung von Preussen-Elektra gelten. Auch wenn die Gebäudehüllen des ehemaligen AKW abgerissen werden sollten, bleiben die Anlagen daneben erhalten: das Umspannwerk am Stromtrassen-Knotenpunkt Grafenrheinfeld und die beiden atomaren Zwischenlager.

Was wird aus den beiden atomaren Zwischenlagern?

Es gibt zwei Zwischenlager in Grafenrheinfeld: BZR und AZR. Im BZR befinden sich 54 Castoren mit hochradioaktiven Brennstäben. Für diesen Atommüll gibt es noch kein Endlager. Die Betriebsgenehmigung des BZR läuft bis 2046. Eine Verlängerung bereitet die bundeseigene Eigentümerin BGZ derzeit vor. Denn es ist davon auszugehen, dass das Lager auch nach diesem Datum weitergenutzt werden wird und der Abfall lange in Grafenrheinfeld bleiben könnte.

Das AKW-Gelände in Grafenrheinfeld und sein Umfeld aus: Vorne ist der Stromnetzknotenpunkt zu sehen. Die beiden grünen Gebäude hinten rechts sind die Atommülllager, rechts das AZR und links das BZR für hochradioaktiven Abfall.
Foto: Preussen Elektra | Das AKW-Gelände in Grafenrheinfeld und sein Umfeld aus: Vorne ist der Stromnetzknotenpunkt zu sehen. Die beiden grünen Gebäude hinten rechts sind die Atommülllager, rechts das AZR und links das BZR für ...

Im AZR landen die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle aus dem Abbau des Werks. Dieser Müll soll in das zentrale Lager Schacht Konrad in Salzgitter kommen, das laut Betreiber BGE "zu Beginn der 2030er Jahre" in Betrieb gehen soll. Sollten die Hallen in Grafenrheinfeld in ferner Zukunft leergeräumt sein, könnten sie auch anderweitig genutzt werden.

 
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  • Franz Schröter
    Zur Sprengung kommen doch sicherlich auch alle grünen Bundesminister oder zumindest Wirtschaftsminister Habeck.
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  • Dietmar Eberth
    Kommen MP Markus Söder und/oder Hubert Aiwanger als Ehrengäste zur Sprengung? Oder kommen die beiden erst wenn der letzte Castorbehälter ins Endlager transportiert wird?
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  • Dominik Temming
    Weiß man schon, ob es eine NOTAM dazu geben wird? Würde mir das gern aus der Luft mit meiner Cessna ansehen.
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  • Dietmar Eberth
    Sie müssen Ihren Flug bei der Preussen-Elektra anmelden, da Sie sonst eventuell abgeschossen werden.
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  • Gerald Effertz
    Manfred Englert: ich hatte angeregt die Türme als Technikmanmahl (oder wie man es auch nennen mag) stehen zu lassen... und wenn ich nun noch lese dass es ggf. möglich gewesen WÄRE das ganze als Wasserkraftvariante zu nutzen ......
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  • Emilie Krenner
    Wozu braucht ein Wasserkraftwerk einen Kühlturm? Und wie sollte man an dieser Stelle überhaupt ein Wasserkraftwerk bauen?
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  • Manfred Englert
    Trotz des guten und informativen Berichtes verstehe ich diese Sprengung nicht.
    Was mich noch interessieren würde, wer denn diese "Reihen der Politik" sind, die den Abriß dieses Industriemonuments fordern, Herr Schäfer. Danke für die Antwort
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  • Dietmar Eberth
    Das ist weder ein Monument noch ein Denkmal das erhaltenswert ist. Bitte keine Verherrlichung einer Technologie die noch die nächsten 2-3 Generationen mit Milliardenkosten und strahlenden Müll belasten wird.
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  • Manfred Englert
    Herr Eberth, das ist keine Verherrlichung einer Technologie, wie Sie es auszudrücken pflegen, sondern lediglich die Feststellung, daß diese Türme sogar geeignet wären, unsere Nachkommen darauf hinzuweisen, daß es strahlenden Müll gibt.
    Herr Effertz fände sogar noch eine andere Möglichkeit, die unschuldigsten und sauberen Gebäude einer grünen Nutzung zuzuführen.
    Bitte korrekt bleiben und keine Wortverdrehungen!
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  • Dietmar Eberth
    Es braucht keine ausgedienten Kühltürme - egal ob Kohle, Gas oder Kernkraft - um unsere Nachkommen an unser "Erbe" hinzuweisen. Das Thema Endlagerung Atommüll wird die nächsten Jahrzehnten aktuell bleiben, bis vielleicht bis Ende des Jahrhunderts das Endlager existiert.

    "Die Kommission erwartete das Ende der Einlagerung zwischen den Jahren 2075 und 2130, während der „Zustand eines verschlossenen Endlagerbergwerks zwischen 2095 und 2170 oder später“ erreicht werden solle."
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kommission_Lagerung_hoch_radioaktiver_Abfallstoffe

    Einfach nur Wahnsinn.
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