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Bad Neustadt
Das Krankenhaus als Unternehmen: Was Rhön-Klinikum-Vorstand Kaltenbach zu Klinik-Sterben und Erfolgsrezepten sagt
Die Krankenhäuser in Deutschland sind in Not. Wohin steuert das Rhön-Klinikum in Bad Neustadt? Im Interview spricht der Vorstandschef über die Zukunft des Unternehmens.
'Dass wir eine problematische Situation in der Branche haben, kann man nicht leugnen': Vorstandsvorsitzender Tobias Kaltenbach spricht im Interview über die Zukunft der Rhön-Klinikum AG in Bad Neustadt.
Foto: Thomas Obermeier | "Dass wir eine problematische Situation in der Branche haben, kann man nicht leugnen": Vorstandsvorsitzender Tobias Kaltenbach spricht im Interview über die Zukunft der Rhön-Klinikum AG in Bad Neustadt.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 17:51 Uhr

Gerade erst hatte die Rhön-Klinikum AG in Bad Neustadt Grund zu feiern: Der von Unternehmer Eugen Münch gegründete Krankenhausbetreiber, einer der größten seiner Art in Deutschland, ist 50 Jahre alt geworden. Das Unternehmen gehört als eigenständiger Teil seit etwa drei Jahren zum Hamburger Asklepios-Klinikkonzern um den Geschäftsmann Bernard große Broermann.

Das Jubiläum des Rhön-Klinikums fällt in eine heikle Zeit: Viele Krankenhäuser in Deutschland befinden sich am finanziellen Abgrund, das Bundesgesundheitsministerium plant dazu eine  Klinikreform.

Seit einem Jahr leitet Tobias Kaltenbach als Vorstandsvorsitzender die Rhön-Klinikum AG. Von 1996 bis 2011 war er in verschiedenen Leitungsfunktionen für den Asklepios-Konzern und ist unter anderem Hochschulprofessor für Management in der Gesundheitswirtschaft. Im Interview skizziert Kaltenbach, der in diesem Monat 63 Jahre alt wird, wie er die Zukunft des Rhön-Klinikums sieht. 

Den deutschen Krankenhäusern geht es finanziell miserabel, ein Kliniksterben wird vorhergesagt. Das Rhön-Klinikum hat binnen Jahresfrist seinen Konzerngewinn um rund 34 Prozent gesteigert. Ihrem Unternehmen geht es also offenbar hervorragend. Wie passt das zusammen?

Tobias Kaltenbach: Unsere Zahlen sind das Ergebnis der guten Leistung aller Mitarbeitenden im Unternehmen – und des Vertrauens der Patientinnen und Patienten. Dass wir eine problematische Situation in der Branche haben, kann man nicht leugnen. Auch wir müssen alles tun, um diese dramatisch schlechten Rahmenbedingungen auszugleichen. Wir handeln in einem schwierigen Umfeld verantwortungsvoll und professionell. Ich nenne das gern unternehmerisches Handeln.

Was heißt das? Was macht das Rhön-Klinikum besser als andere?

Kaltenbach: Wir haben in den vergangenen 50 Jahren als Unternehmen immer anders agiert. Ich nehme – auch für meine Vorgänger und für Eugen Münch – in Anspruch, dass wir immer besser gehandelt haben, wenn es um die Wirtschaftlichkeit und die Qualität unserer Leistungen geht. Da steckt viel Erfahrung drin, die den Unterschied ausmacht.

Das ist noch sehr ungenau. Konkret also: Was ist der Grund für den Erfolg des Rhön-Klinikums?

Kaltenbach: Wir begreifen das Krankenhaus in einem guten Sinne als ein Unternehmen. Das ist der wichtigste Punkt. Das ist die Lehre, die Herr Münch und Herr Broermann, der Gründer von Asklepios, fast zeitgleich in die Branche eingebracht haben. Das Krankenhaus ist nicht nur ein Versorgungsbetrieb, sondern ein spezielles Unternehmen mit staatlichem Versorgungsauftrag. Die Formel ist: Wir müssen jeden Tag darauf schauen, dass alle Stücke, die zum erfolgreichen Führen eines solchen Unternehmens gehören, zusammenpassen.

Als Asklepios 2020 das Rhön-Klinikum übernahm, war von Rumoren in der Konzernbelegschaft zu hören. Mit Asklepios ziehe Profitgier ein, hieß es. Wie empfinden Sie die Stimmung der Belegschaft heute?

Kaltenbach: Ich habe solche Vorbehalte nicht angetroffen. Das wäre auch eine Stimmungslage, die nicht der Realität entsprechen würde. Denn Asklepios ist der nachhaltigste private Klinikbetreiber und der einzige, der noch in Familienhand und damit einer langfristigen Ausrichtung verpflichtet ist. Es gibt keine kurzfristigen Bestrebungen der Gewinnmaximierung. Jeder Euro, der verdient wird, wird wieder ins Unternehmen gesteckt.

Die Krankenhauslandschaft in der Region hat sich verändert, die Kreisklinik in Bad Neustadt sowie die kleinen Krankenhäuser in Bad Königshofen und Mellrichstadt sind verschwunden. Jetzt gibt es weit und breit nur noch den Campus des Rhön-Klinikums. Das bedeutet für Patientinnen und Patienten vor allem längere Anfahrten.

Kaltenbach: Das ist kein Phänomen allein dieser Region, obwohl es dort natürlich stark ausgeprägt ist. Schließungen von kleineren Krankenhäusern finden Sie in ganz Deutschland. Das macht ja Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit ganz neuer Dimension sogar zum Gegenstand seiner Reformbestrebungen. Die Argumente sind immer von zwei Seiten zu sehen: Zum einen ist die Erreichbarkeit einer Klinik natürlich ein wichtiger Punkt. Zum anderen entstehen aber durch die Konzentration professionellere Strukturen, die den Patienten letztendlich garantieren, dass sie eine hohe Qualität der Leistungen bekommen.

"In Deutschland gibt es nicht viele Zentren in dieser Form."
Vorstandsvorsitzender Tobias Kaltenbach über den Campus des Rhön-Klinikums in Bad Neustadt
Der 2018 eröffnete Campus in Bad Neustadt wurde  damals als das Krankenhaus der Zukunft bezeichnet. Was ist er jetzt?

Kaltenbach: Es ist eine beispielhafte Einrichtung geworden. In Deutschland gibt es nicht viele Zentren in dieser Form. Die Lage des Campus in einem ländlichen Umfeld ist da ein besonderer Gesichtspunkt. Sein wesentliches Merkmal ist sicherlich die Kombination aus der Hochleistungsmedizin auf vielen verschiedenen Feldern und der Verantwortung für die lokale Versorgung auch im Notfall. Hinzu kommt die starke Verankerung im ambulanten Bereich.

Bekommen Sie ausreichend Fachpersonal für den Campus?

Kaltenbach: Gute Frage. Das ist branchenweit eine große Herausforderung. Am Campus ist es gelungen, eine langfristig ausgerichtete Personalstrategie zu verwirklichen. Das führt dazu, dass wir immer wieder sehr gute, sehr interessierte und sehr qualifizierte Mitarbeitende gewinnen. Im Endeffekt gelingt es uns zum Glück mit allen Anstrengungen, Fachpersonal für unseren Standort zu begeistern. Schwankungen sind dabei natürlich üblich.

Was wird der Campus in fünf oder zehn Jahren sein?

Kaltenbach: Wir werden maßgebliche Entwicklungen an drei Stellen haben. Erstens werden wir weiterhin eine Konzentration von stationären Behandlungsleistungen erfahren – mit dem Ziel, Hochleistungsmedizin an Standorten wie dem Campus anbieten zu können. Wir werden außerdem die Ausweitung der ambulanten Medizin erleben. Wobei ambulante Medizin am Krankenhaus als Ersatz für stationäre Behandlung etwas anderes ist als ambulante Medizin in der Arztpraxis. Das dritte Thema ist die Digitalisierung, die uns große Veränderungen bringen wird.

In Bad Neustadt wird die Frage diskutiert, welche Zukunft die Kur dort hat. Es könnte das Prädikat "Bad" in Gefahr geraten. Die zu Ihrem Konzern gehörende BGL Grundbesitzverwaltung ist Eigentümerin mehrerer Immobilien im Kurviertel. Inwieweit ist das alles Thema in Ihrer Chefetage?

Kaltenbach: Die medizinische Rehabilitation, die sich aus der Kurmedizin entwickelt hat, ist im Campus so gestaltet worden, dass sie so optimal wie möglich mit der Akutmedizin verbunden ist. Diesen Teil werden wir sicherlich weiter anbieten. Wir halten das für ein wichtiges Element einer qualitativ hochwertigen Versorgung. Auf der anderen Seite steht das, was traditionell als Kur beschrieben wird. Sie wird heute dem sogenannten zweiten Gesundheitsmarkt zugeordnet, der nicht mehr durch die Sozialversicherung abgedeckt ist. Dort sehen wir nicht unser primäres Engagement. Das liegt sehr stark in der Verantwortung der Kommune.

"Wir begreifen das Krankenhaus in einem gute Sinne als ein Unternehmen."
Tobias Kaltenbach über die Strategie der Rhön-Klinikum AG
Was passiert also zum Beispiel mit dem Kurhaus in Bad Neustadt, dessen Zukunft unklar ist?

Kaltenbach: Solche Immobilienthemen wird es immer geben. Da ist der Dialog mit der Stadt und dem Landkreis ganz wichtig. Wir stehen für jede sinnvolle Nutzung zur Verfügung. Wir wollen doch selbstverständlich auch, dass Leben in den Immobilien bleibt. Dazu brauchen wir aber die Stadt, die die Initiative ergreifen muss.

Eugen Münch hat den Konzern aufgebaut, Eugen Münch hat schließlich die Übernahme durch Asklepios eingefädelt. Er gilt in der Region als Übervater des Rhön-Klinikums. Wie viel Eugen Münch steckt in Ihrem Alltag als Vorstandsvorsitzender?

Kaltenbach: Schon die Rhöndistel im Unternehmenslogo hat viel von Eugen Münch. Das allein ist bereits stetiger Impuls für uns, Dinge nach vorne zu bringen. Herr Münch ist durch seine starke Verankerung in seiner Stiftung jemand, der nicht aufhören wird, seine Ideen einzubringen. Das bleibt für uns immer sehr interessant und wichtig.

Auch lästig? Schließlich ist Eugen Münch ja aus dem Alltagsgeschäft offiziell raus.

Kaltenbach: Ich verfolge das Motto: Fortschritt entsteht durch Widerspruch. Da sind Herr Münch und ich uns einig. Deshalb werden wir nie aufhören, uns manchmal auch zuzugestehen, unterschiedlicher Meinung zu sein. Am Ende muss es zum vernünftigen Konsens kommen.

Über was haben Sie beide bisher am heftigsten gestritten?

Kaltenbach: Ich hatte bislang mit Herrn Münch nicht so viele unmittelbare Berührungspunkte. Ich kann aber sagen: Er hat ständig neue Ideen eingebracht. Und ich weiß, dass vielleicht einige davon ein Stück weit zu schnell gewesen sind. Sie haben trotzdem Impulse gebracht, von denen manche erst Jahre später emporgekommen sind und positive Wirkung entfaltet haben.

Mitarbeit: Julia Back

Das Rhön-Klinikum mit seinem Campus hoch über Bad Neustadt ist einer der größten Krankenhausbetreiber in Deutschland.
Foto: Rhön-Klinikum AG (Archivbild von 2018) | Das Rhön-Klinikum mit seinem Campus hoch über Bad Neustadt ist einer der größten Krankenhausbetreiber in Deutschland.

Rhön-Klinikum in Zahlen

Mit 18.000 Beschäftigten in Deutschland, darunter 2900 am Stammsitz in Bad Neustadt, zählt die Rhön-Klinikum AG zu den großen Arbeitgebern in Mainfranken. Zum Konzern gehören das Klinikzentrum Campus in Bad Neustadt, die Zentralklinik im thüringischen Bad Berka, das Klinikum Frankfurt/Oder sowie die Uni-Kliniken in Gießen und Marburg. Diese Einrichtungen behandeln nach Konzernangaben pro Jahr insgesamt 855.000 Patientinnen und Patienten. Damit zählt sich das Rhön-Klinikum zu den größten Krankenhausbetreibern in Deutschland.
Knapp 1,1 Milliarden Euro Umsatz machte der Konzern von Januar bis September 2023. Das sind nach Unternehmensangaben zwei Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der Gewinn stieg demnach um 33,7 Prozent auf 23,8 Millionen Euro. 
aug
 
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  • Olaf Schlemmer
    Mal sehen wie lange dieser Artikel noch online zu lesen ist. Ich hatte meine Meinung dazu schon bei dem Festaktartikel geschrieben. Da der Beitrag anscheint zu kritisch war hat man Ihn erst gar nicht veröffentlich. Man hat es nicht mal begründet. Als ich mich dann Beschwerte und sagt das ich mich an den Presserat wende wurde der Artikel dann ganz gelöscht. Auch einen Art mit Kritik umzugehen. Aber das ist anscheint bei der Mainpost so üblich. Passt es nicht ins Bild der der schönen heilen Pressewelt oder spricht man kritische Themen offen an werden Sie gelöscht oder gar nicht erst veröffentlich.
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  • M. Schiessl
    Bemerkenswert ist auch, dass die Artikel über den Campus Rhön Klinikum AG immer nur von einer Seite - nämlich der Seite der Geschäftsführung und Aktionäre- dargestellt wird. Wünschenswert wäre doch auch einmal eine direkte Kontaktaufnahme mit Angestellten und Mitarbeitern, welche ja im Landkreis immerhin im mehrstelligen Tausenderbereich am Campus angestellt sind, und die dort erlebte Situation mal interviewt wird. Die Sichtweise eines betroffenen Klienten mit Familienangehörigen, die im Gesundheitswesen tätig sind, liegt ja gerade vor, und ist für mich voll nachvollziehbar. Auch in unserer Familie ist ein Drittel der Familienmitglieder Arbeitnehmer im Gesundheitswesen.
    Einladung , vielleicht mal diesen Vorschlag zu überdenken ...
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  • Klaus - Peter Eschenbach
    Profitgier und Dividende für Aktionäre stehen an erster Stelle. Mit ein Grund warum das Gesundheitswesen in Deutschland total ausgesaugt ist. Unrentable medizinische Leistungen werden gestrichen, sehr zum Leidwesen des Patienten, und kleine Krankenhäuser die dies dann erbringen müssen gehen finanziell den Bach runter Markt Bereinigung nennt man das. Gesundheit für den Menschen bzw. Heilung nach schwerer Krankheit darf keine Milliardäre hervorbringen oder Rekordgewinnen bei Aktionären erzielen. Der Campus ist das beste Beispiel wie Medizin nicht sein sollte, mit einem Gesundheitsminister im Rücken der diese Art der Massenabfertigung mit ins Leben gerufen hat wird dies aber leider die Zukunft der Medizin sein. Und ehe jetzt wieder kommt dass ich keine Ahnung habe: Ich selbst bin chronisch krank und Krebspatient und in meiner Familie sind 80% im Gesundheitswesen tätig. Ich denek da kann man sich eine Meinung bilden.
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  • Hubert Endres
    Genau. Mittlerweile hat der Campus einen sehr schlechten Ruf. Und gutes Personal verlässt den Laden, welcher nur auf Gewinnmaximierung ausgeht. Gesundheitssektor, Bahn , Post und andere wichtige Einrichtungen gehören in staatlicher Hand, auch wenn es in früheren Jahren auch verbesserungswürdig war.
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