
Durch Bayerns Kliniklandschaft geht ein Aufschrei, vielen Häusern steht das Wasser bis zum Hals. Schon jetzt befinden sich drei Kliniken in Schutzschirmverfahren, teilt Eduard Fuchshuber, Sprecher der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) mit. So kämpfen die Rotkreuzkliniken in München, Lindenberg und auch in Wertheim im baden-württembergischen Main-Tauber-Kreis gegen die Insolvenz. Der Standort Würzburg ist nicht betroffen. Noch habe in Unterfranken kein Krankenhaus Insolvenz beantragt, sagt der BKG-Sprecher: "Aber das kann sich schnell ändern".
Denn überall sind die Träger gefordert, finanzielle Löcher zu stopfen. "Wir wissen, dass viele Landkreise Sonderhaushalte beschließen, um die Kliniken über Wasser halten zu können", sagt Fuchshuber. Unbegrenzt funktioniere das jedoch nicht. 2024 könne es für einige Träger eng werden.
Was heißt das für Unterfranken? Wie hoch sind die Defizite und was sind die Ursachen? Wie werde die Verluste derzeit ausgeglichen? Eine stichprobenartige Nachfrage bei Krankenhäusern in der Region ergibt folgende Antworten:
Klinikum Würzburg Mitte (KWM) mit 675 Betten

Defizit 2022: rund 9 Millionen Euro
Defizit 2023: Defizit in ähnlicher Höhe (9 Millionen Euro) erwartet, "ggf. leicht schlechter"
Ursachen: "Die Betriebskostenfinanzierung des Bundes ist seit 2022 unzureichend", sagt Dominik Landeck, einer der beiden KWM-Geschäftsführer. Die hohe Inflationsrate von an die zehn Prozent könne durch die staatlich reglementierten Preissteigerungen in Kliniken von 2,3 Prozent (2022) und 4,3 Prozent (2023) nicht ausgeglichen werden.
Ausgleich: Ausgeglichen werde der Verlust "durch die finanzielle Unterstützung der Stiftung Juliusspital", sagt Landeck. Der Betrieb sei "unverändert" gesichert. Die Unterstützung der Stiftung sei zwar zeitlich nicht begrenzt, "da der Krankenhausbetrieb Stiftungszweck ist" – dennoch müsse sich der Betrieb perspektivisch wieder tragen, "damit die Stiftung nicht selbst größere Schäden erleidet".
Leopoldina-Krankenhaus Schweinfurt mit 711 Betten

Defizit 2022: positives Jahresergebnis "aufgrund von Sondereffekten, die nicht im operativen Geschäft begründet sind"
Defizit 2023: rund 5 Millionen Euro
Ursachen: Ursache seien unter anderem die gegenüber 2019 weiterhin "deutlich verringerten Fallzahlen" und fehlende Ausgleichszahlungen, so Leopoldina-Sprecherin Julia Schüler. Dazu würden sich wegfallende Corona-Zuschüsse, nicht ausgeglichene Kostensteigerungen durch die Tarifsteigerung sowie die Inflation auswirken. Bis die Gesundheitsreform greife, brauche es aus Sicht des Leopoldina-Krankenhauses ein "Vorschaltgesetz", um die finanzielle Situation übergangsweise zu stabilisieren.
Ausgleich: Bisher bestehen keine Regelungen zum Defizitausgleich, sagt Schüler. Es fänden aber derzeit Gespräche mit dem Träger statt. "Im Leopoldina-Krankenhaus rechnen wir mindestens bis zum Wirksamwerden der Krankenhausreform 2026 mit einem anhaltenden Defizit."
Klinikum Main-Spessart mit 264 Akut- und Geriatriebetten

Defizit 2022: rund 4,5 Millionen Euro
Defizit 2023: rund 9,9 Millionen Euro
Ursachen: Schuld an den Verlusten sind laut Albert Prickarz, kaufmännischer Direktor des Klinikums Main-Spessart, unter anderem die gedeckelten Krankenhauserlöse, die von der Kostenentwicklung "seit zwei Jahrzehnten" weitgehend abgekoppelt seien. So würden etwa Tarifsteigerungen nicht richtig refinanziert. Durch die Krankenhausreform werde sich das "in Summe voraussichtlich nicht ändern". Gleichzeitig werde die Leistungsfähigkeit der Kliniken durch "stetig steigende Strukturvorgaben sowie überbordende Bürokratie" behindert. Die von den Ländern finanzierten pauschalen Investitionsmittel könnten den tatsächlichen Bedarf nicht decken.
Ausgleich: "Der Träger gleicht Defizite aus", sagt Prickarz. Der Landkreis Main-Spessart "bekennt sich weiterhin zu seinem Krankenhaus" und investiere "in dessen Zentralneubau".
Uniklinikum Würzburg mit 1438 Betten

Defizit 2022: Uniklinik (Trägerschaft Freistaat) nennt keine konkreten Zahlen. Das Jahresergebnis sei ausgeglichen, heißt es.
Defizit 2023: Ziel sei es, "2023 erneut mit einem ausgeglichenen operativen Betriebsergebnis abzuschließen"
Ursachen: Generell spitzen sich die Rahmenbedingungen laut Uniklinik-Sprecher Stefan Dreising zu. Dringend nötig sei eine ausreichende Krankenhausfinanzierung, "die auch die Folgen der Inflation und generellen Preisentwicklung auffängt". Die Finanzierung der "Vorhaltekosten" durch die Krankenhausreform sei ein wichtiger Schritt, darüber hinaus müssten Unikliniken bei ihren Koordinationsaufgaben gestärkt und der Dokumentations- und Nachweisaufwand reduziert werden.
Ausgleich: Ziel bleibe ein ausgeglichenes Ergebnis, sagt Dreising. "Das ist angesichts der Inflation und insbesondere der gestiegenen Energiekosten eine große Herausforderung." Positiv sei, dass die Patientenzahl fast wieder das Vor-Corona-Niveau erreiche.
Klinikum Aschaffenburg-Alzenau mit 876 Betten

Defizit 2022: 14,8 Millionen
Defizit 2023: "Auch für 2023 erwarten wir ein Defizit"
Ursachen: Grund für das Minus sind laut Sprecherin Annika Hollmann vor allem die "immens" gestiegenen Kosten, die Inflation und die Tarifsteigerungen bei den Gehältern. "Dem entgegen steht keine entsprechende Erhöhung der Vergütung der erbrachten Leistungen." Anders als in anderen Branchen könnten die gestiegenen Kosten nicht einfach an die Patientinnen und Patienten weitergeben werden.
Ausgleich: "Der Träger, die Stadt und der Landkreis Aschaffenburg, gleichen das Defizit jährlich aus", sagt Hollmann.
Main-Klinik Ochsenfurt mit 140 Betten

Defizit 2022: 2,45 Millionen Euro
Defizit 2023: 2,3 Millionen Euro
Ursachen: "Die Ursache liegt darin, dass die Erlössteigerung für die Patientenversorgung weit unter der inflations- und tarifbedingten Kostensteigerung liegt", sagt Klinik-Geschäftsführer Christian Schell. Außerdem würden die Investitionen "durch den Freistaat nicht ausreichend finanziert".
Ausgleich: Verlustübernahme durch den Landkreis Würzburg
Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt mit 1500 Betten

"Zu Zahlen der einzelnen Klinikstandorte äußern wir uns grundsätzlich nicht", heißt es von der Rhön-Klinikum AG in Bad Neustadt. Zu dem Unternehmen unter dem Dach der Asklepios Kliniken gehören neben dem Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt noch Kliniken an vier weiteren Standorten in Deutschland, wie beispielsweise in Frankfurt (Oder) oder Gießen.
Haßberg-Kliniken mit 200 Betten

Defizit 2022: 7,5 Millionen Euro
Defizit 2023: ca. 7,5 Millionen Euro
Ursachen: Gestiegene Kosten beim Personal sowie stark gestiegene Energie- und Sachkosten könnten durch die Erlöse über das Fallpauschalen-System, "die nicht im gleichen Maß gestiegen sind", nicht abgedeckt werden, sagt Monika Göhr, Sprecherin des Landkreises Haßberge, der Träger des Kommunalunternehmens Haßberg-Kliniken ist. Von der geplanten Krankenhausreform erwarte man sich "eine dringend benötigte pauschalisierte Grundabsicherung, vor allem von Häusern der Grund- und Regelversorgung im ländlichen Raum". Und: "Hoffentlich keine Einschränkungen in unseren Leistungen über den sogenannten Qualitätsstandard."
Ausgleich: Als alleiniger Träger müsse der Landkreis sicherstellen, dass das Kommunalunternehmen Haßberg-Kliniken seine Aufgaben nachhaltig erfüllen könne, sagt Göhr. "Ein entstandenes Defizit wird durch den Landkreis ausgeglichen." Ein entsprechender Betriebskostendefizitausgleich sei im Haushalt eingeplant "und wird bei Bedarf angepasst".
Helios St. Elisabeth-Krankenhaus Bad Kissingen mit 225 Betten

Zur wirtschaftlichen Entwicklung der Krankenhäuser könne man "keine Haus-bezogenen oder regionalisierten Angaben machen", heißt es vom Helios St. Elisabeth-Krankenhaus Bad Kissingen. Das Krankenhaus gehört wie die Helios OrthoClinic Hammelburg zur Helios-Gruppe des Fresenius-Konzerns. Insgesamt verfügt Helios nach eigenen Angaben über 87 Kliniken in Deutschland.
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Helios hatte vergangenes Jahr ein Betriebsergebnis von 1,6 Milliarden Euro verbucht und für 2022 ein Gewinnplus von zehn Prozent angekündigt....
Das EBITDA lag mit 45,2 Millionen Euro unter Vorjahresniveau (2022: 52,8 Millionen Euro). Unter Berücksichtigung von Abschreibungen, Finanzierungskosten und Steuern resultiert aus dem EBITDA ein Konzernergebnis von 12,2 Millionen Euro (2022: 12,8 Millionen Euro).
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RhönKlinikum:
Für das laufende Geschäftsjahr 2023 geht der Konzern unverändert von einem Umsatz in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Für das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) rechnen die Verantwortlichen mit einem Wert zwischen 1BITDA lag unter dem Vorjahresniveau
Das EBITDA lag mit 45,2 Millionen Euro unter Vorjahresniveau (2022: 52,8 Millionen Euro).
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---> die Zahlen stammen alle aus veröffentlichten Zahlen (siehe MainPost bis Handelsblatt)