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Bad Neustadt
"Von blindwütigem Abknallen ist da keine Rede": Landrat Habermann fordert die anlasslose Bejagung von Wölfen
Kreischef erläutert im Interview seine Vorstellungen vom Umgang mit den Wölfen und erklärt, wann jetzt auch Schäfer mit einem Bußgeld rechnen müssen.
Um den Gefahren einer stark zunehmenden Wolfpopulation zu begegnen, fordert Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann eine Bejagung der Raubtiere.
Foto: Sonja Demmler (Symbolbild) | Um den Gefahren einer stark zunehmenden Wolfpopulation zu begegnen, fordert Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann eine Bejagung der Raubtiere.
Thomas Pfeuffer
 |  aktualisiert: 16.08.2024 02:43 Uhr

Rhöner Weidetierhalter wurden vor einigen Tagen regelrecht terrorisiert. Fast jede Nacht ein Angriff auf eine Herde. Die Tierhalter sind frustriert, da ein Abschuss der streng geschützten Raubtiere nicht möglich scheint. Nun muss eine Lösung her, da sind sich alle einig. Sind die Herden doch für den Erhalt der Kulturlandschaft unverzichtbar. Bei der Frage nach dem Wie gehen die Meinungen allerdings auseinander. Beim Bund Naturschutz (BN) sieht man Herdenschutz und den Abschuss von Problemwölfen als den richtigen Weg. Das kritisiert Landrat Thomas Habermann im Gespräch mit dieser Redaktion als völlig unzureichend.

Frage: Seit zwei Wochen ist die Problemwölfin nicht mehr aufgefallen. Wissen Sie etwas über ihren Verbleib?

Thomas Habermann: Ich weiß auch nicht mehr.

Seither wurde kein Wolfsangriff mehr in der Rhön registriert. Ist das nicht ein Nachweis, dass es ausreichend wäre, Problemwölfe zu entnehmen?

Habermann: Da gibt es zwei Dinge, die man dazu sagen muss. Erstens haben wir eine sichere Wolfspopulation in der Region und die wächst. Wir sind ja nicht nur anerkannt als Wolfsgebiet, weil eine Problemwölfin da ist, sondern wir haben inzwischen mehr als ein anerkanntes Rudel in der Region. Es gibt auch genügend Sichtungen von Welpen. Das heißt, temporär ist jetzt vielleicht Ruhe, aber das Problem wird in viel größerem Umfang wiederkommen, wenn die Welpen groß sind.

Das heißt, Einzelabschüsse sind nur eine kurzfristige Lösung?

Habermann: Auf Dauer wird das Problem immer brisanter. Wenn die Problemwölfin erlegt würde, ist absehbar, dass die nächsten Problemwölfe kommen. Und das Problem wird immer drängender, weil die Population ständig wächst. Und noch ein wichtiges Argument: Die Tiere wollen sich alle vermehren. Wenn die Population zu groß wird, wächst die Gefahr der Hybridisierung.

Welchen Weg schlagen Sie nun vor?

Habermann: Ich halte nur beides für sinnvoll: Zum einen Herdenschutz plus Einzelabschluss von Schadwölfen, zum andern muss gleichzeitig eine Bestandsregulierung erfolgen. Wenn man es regional sieht, haben wir in der Rhön sicherlich einen günstigen Erhaltungszustand. Nun geht es darum, dass die Population nicht noch mehr wächst. Dafür brauchen wir eine Bestandsregulierung.

Sie fordern die Regulierung des Bestands durch die Bejagung, dabei konnten bisher nicht einmal Einzelabschüsse erfolgreich umgesetzt werden. 

Habermann: Da gibt es mehrere Ursachen. Die erste Ursache: Nach Kenntnis des Risses dauert es zu lang, bis ein Entnahmebescheid da ist. Das hängt damit zusammen, dass die Regierung zuständig ist. Die muss sich abstimmen mit Lfu und Ministerium. Deshalb hab ich gefordert, und es ist auch im Entwurf der neuen Wolfsverordnung so vorgesehen, die gesamte Zuständigkeit auf die Landratsämter zu verlagern. Der zweite Grund ist, nach einem bekannt gewordenen Riss ist in der Nähe des Risses viel zu viel Unruhe. Da kommen Leute, die machen eine Zaunkontrolle, da kommen Wolfstouristen und all das beobachtet der Wolf. Sobald er Witterung von anderen aufnimmt, wird er vorsichtig. Dann erscheint er nicht mehr. Das ist auch ein Grund für die Notwendigkeit der Bestandsregulierung.

Wer hat da "versagt", wie es jüngst der Vertreter des BN an dieser Stelle bezeichnet hat?

Habermann: Versagt?  Ja, die bisherigen Entnahmebescheide sind aufgehoben worden, und da muss man den Herrn vom Bund Naturschutz klar sagen: Der Bund Naturschutz tut ja alles, um eine unkomplizierte Entnahme zu erschweren. Er ist generell gegen Wolfsentnahmen, er hat erfolgreich gegen die Wolfsverordnung geklagt, er ergibt seine Zustimmung ausschließlich für ganz konkrete Entnahmebescheide nach Rissen. Das ist die bisherige Übung, davon ist der Bund Naturschutz leider auch nicht abgewichen.

Landrat Thomas Habermann fordert von Bundesumweltministerin Lemke, auf europäischer Ebene Schritte zu unternehmen, um den Weg für eine Bejagung von Wölfen in der Rhön freizumachen.
Foto: René Ruprecht | Landrat Thomas Habermann fordert von Bundesumweltministerin Lemke, auf europäischer Ebene Schritte zu unternehmen, um den Weg für eine Bejagung von Wölfen in der Rhön freizumachen.
Was erwarten Sie vom Bund Naturschutz?

Habermann: Ich würde mich freuen, wenn der Bund Naturschutz sich mit einer regionalen Bestandsregulierung einverstanden erklären würde. Es wäre auch ein politischer Hinweis an die Bundesumweltministerin, dass man sie da, wo es notwendig ist, durchführen kann. Ich fordere das nicht für ganz Deutschland, aber da, wo man merkt, der Wolfsbestand ist gesichert, kann man doch regulierend eingreifen. Wir haben im Alpenbereich kaum Risiken. Da brauche ich keine Bestandsregulierung. Wir haben bei uns unglaublich viele Risse und eine stark wachsende Population,  deshalb braucht man zumindest eine regionale Bestandsregulierung. Es würde ausreichen, wenn wir das für bestimmte Gebiete machen würden, zum Beispiel für die Rhön.

Wie sähe also für Sie ein langfristig tragfähiger Weg im Umgang mit dem Wolf aus, der in der Rhön gegangen werden sollte?

Habermann: Langfristig? Wir haben nichts gegen den Wolf in der Rhön, aber der Bestand muss in einer Größe bestehen, die gewährleistet, dass im Wesentlichen keine Nutztiere gerissen werden.

Das heißt, Sie wollen eine Bejagung von Wölfen?

Habermann: Eine anlasslose Bejagung von Wölfen. Man muss sich mal auf eine gewisse Größenordnung einigen, ich will da keine Zahlenvorgabe machen, aber einfach zuzuschauen wie die Population wächst und wächst und wächst. Das ist keine Lösung.

Wie stellen Sie sich das weitere Vorgehen vor?

Habermann: Warum sagt man nicht, wir erklären den günstigen Erhaltungszustand und geben euch in der Rhön Wölfe zur Bejagung frei. Kann man doch genauso mal ausprobieren. Dann bräuchte ich auch die rechtliche Konstruktion für die Problemwölfe nicht mehr. Dann könnte man sofort schwerpunktmäßig dort bejagen, wo Risse aufgetreten sind. Ein Anruf, "in Sondheim haben wir einen Riss" und es sind noch zwei Wölfe frei. Dann sitzen morgen die Jäger an und die Chance, dass man den Wolf erwischt, ist um ein Vielfaches größer. Von blindwütigem Abknallen ist da nicht die Rede.

Der Bund Naturschutz kritisiert aber, bei der anlasslosen Bejagung von Wölfen werde nur "blindwütig" durch die Gegend geschossen, ohne dass es den Tierhaltern etwas bringt.

Habermann: Also es tut mir leid, diese Formulierung, die ist emotional und auch hetzerisch. Es geht darum, dass man vernünftig und abgewogen eine Bestandsregulierung vornimmt. Wer sich so äußert, leider Gottes, der hetzt letztlich gegen Jägerinnen und Jäger. Und zeigt auch letztlich sein wahres ideologisches Gesicht. Als ich das gelesen habe, da musste ich sagen: schade, wirklich schade! Und was ich nicht verstehen kann, der Bund Naturschutz hat sich in der Vergangenheit so wertvoll engagiert in der Rhön und nun setzt er so viel auf das Spiel.

Aber was antworten Sie den Schafhaltern, die Sie jetzt um Unterstützung bitten?

Habermann: Ich kann nur sagen: Wendet euch an die Bundesumweltministerin, da ist der Flaschenhals. Fordert einfach die Meldung des günstigen Erhaltungszustands nach Brüssel. Und ansonsten macht sehr präzise euren Herdenschutz. Was nicht geht, ist, dass wir sozusagen sämtliche Vorschriften der Naturschutzgebietsverordnung außer Kraft setzen. Das werden wir weiter nicht zulassen.

Heißt das, ein Schäfer, der seine Schafe mit Feuer und Licht schützt, erhält, wenn er Pech hat, einen Bußgeldbescheid?

Habermann: Ja. Mit einem Schäfer, dem es um die eigene Herde geht, werden wir vielleicht noch anders umgehen. Aber wenn es Dritte und Fremde sind, die massiv gegen die Vorschriften der NSG-Verordnung verstoßen, werden wir Bußgeldverfahren einleiten. Wir werden nicht weiter zulassen, dass in der Nacht Feuer brennen auf der Rhön, dass fremde Menschen sich nicht mehr an die Wegegebote halten. Die Hochrhön ist in manchen Bereichen nachts zum Zirkus verkommen.

Die Weidetierhalter hat Landrat Thomas Habermann mit seiner Forderung nach einer Bestandsregulierung von Wölfen hinter sich. Das Bild entstand auf der Demonstration des Bauernverbandes am im Juli in Bad Neustadt.
Foto: René Ruprecht | Die Weidetierhalter hat Landrat Thomas Habermann mit seiner Forderung nach einer Bestandsregulierung von Wölfen hinter sich. Das Bild entstand auf der Demonstration des Bauernverbandes am im Juli in Bad Neustadt.
Wie sehen Sie die Chancen, dass die Bundesregierung in Ihrem Sinne aktiv wird?

Habermann: Ich hoffe darauf. Es gibt jetzt einen Brief von mir, Fulda und Bad Kissingen werden nachziehen, es gibt Resolutionen von Gremien. Das Problem wird in der Presse immer dringender dargestellt. Und ich glaube schon, in einem persönlichen Gespräch der Ministerin einfach die Tatsachen noch mal darstellen zu können und hab die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie den günstigen Erhaltungszustand nach Brüssel meldet. Damit hätten wir auch nach der jetzigen Rechtslage ganz andere Möglichkeiten.

Wie lang würde es dann noch dauern, bis eine Bestandsregulierung kommen könnte? 

Habermann: Ganz schnell. Dann ist das innerhalb von einem Jahr erledigt.

Gibt es eigentlich schon eine Antwort auf Ihr Schreiben an Umweltministerin Lemke?

Habermann: Nein.

 
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Kommentare
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  • Hans Schlunk
    Erst muss die auffällige Wölfin weg dann sieht man weiter weil auch Wildschweine können angreifen es muss nicht immer der wolf sein. Sogar Hirsche gönnen angreifen es muss nicht immer der wolf sein.
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  • Hans Schlunk
    Es ist wichtig das nur die Wölfin entnommen wird wenn sie überhaupt noch lebt von anderen wölfe wo in der thön rumlaufen besteht momentan keine Gefahr.
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  • Hans-Karl Heil
    Ja..das dachte man in Holland auch..
    https://www.spiegel.de/panorama/niederlande-kleines-maedchen-offenbar-von-wolf-gebissen-a-57f19ce0-433d-4fef-903d-46c3164cbb8f
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  • Hans Schlunk
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