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Bad Neustadt
Wolfsland Rhön-Grabfeld: Wie sieht der Landrat die Lage und warum klappt es mit den Abschüssen von Wölfen nicht?
Thomas Habermann zur momentanen Wolfssituation in der Rhön. Wo er die Probleme sieht und warum er Nutztierrisse nicht veröffentlicht haben will.
Die Zahl der Wölfe in der Rhön dürfte zunehmen und damit auch die Probleme. Um das zu vermeiden, fordert Landrat Thomas Habermann die Bejagung der Tiere.
Foto: Michael Bauer/dpa (Symbolbild) | Die Zahl der Wölfe in der Rhön dürfte zunehmen und damit auch die Probleme. Um das zu vermeiden, fordert Landrat Thomas Habermann die Bejagung der Tiere.
Thomas Pfeuffer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 18:27 Uhr

Die Wölfe in der Rhön verhalten sich gerade relativ unauffällig. Grund könnte sein, dass sie gerade mit der Aufzucht von Jungen beschäftigt sind und ausreichend Wildtiere als Nahrung finden. Im Gegensatz dazu nimmt die Diskussion über die Raubtiere und ihre mögliche Bejagung wieder an Intensität zu. Damit stellt sich auch die Frage, welche Handlungsmöglichkeiten der Landkreis bei diesem Thema hat.

In einem Gespräch mit dieser Redaktion erläutert Landrat Thomas Habermann die Spielräume und vertritt beim Thema Wolfsabschuss eine klare Position: Wölfe sollten bejagt und dezimiert werden dürfen und nicht - wie bisher - lediglich aufgrund konkreter Anlässe über Ausnahmegenehmigungen verfolgt werden können.

Wie schätzt man im Landratsamt die aktuelle Situation Thema Wolf in der Rhön ein?

Für den Landrat ist die aktuelle Entwicklung beim Thema Wolf "sehr kritisch". Die Population habe eine Dichte erreicht, die nach seiner Ansicht nicht mehr zunehmen dürfte. Es gebe schon jetzt eine hohe Zahl von Tieren. Durch die Vermehrung werde die noch weiter zunehmen. Nach Ansicht von Habermann erzeugt das für die Tiere einen starken Druck, in die Umgebung auszuweichen. Man könne über genetische und sonstige Nachweise beobachten, wie der Wolf schon jetzt immer weiter nach außen vordringe.

Was bedeutet das für die Weidetiere in der Rhön?

Besonders kritisch sieht der Kreischef diese Entwicklung mit Blick auf die beginnende Weidesaison. Wie verschiedene Fachleute geht auch er davon aus, dass auch die Problemwölfin möglicherweise Nachwuchs bekommen hat, was nun durch verstärkten Einsatz von Kameras beobachtet werden soll. Würde sich die Annahme bestätigen, hätte das zum einen Muttertierschutz zur Folge. Zum anderen würde es einen erhöhten Futterbedarf bedeuten. Irgendwann würden die Jungtiere selbstständig und gingen auf Futtersuche – möglicherweise, in dem sie das Jagdverhalten ihrer Mutter annehmen. Habermann erwartet deshalb, "dass wir in diesem Jahr eine noch größere Rissproblematik haben werden als im vergangenen Jahr." Die Zahl der Übergriffe könne "exponentiell" zunehmen. 

Lassen sich die Herden in der Rhön nicht schützen?

Herdenschutz ist für Habermann "ein rechtliches, aber kein faktisches Kriterium". Er sei rechtlich erforderlich, um nach einem Riss eine Entnahmegenehmigung für einen Wolf zu erhalten. Daher würden die Herden in der Rhön – in der Regel sehr sorgfältig – eingezäunt und teilweise auch von Hunden oder Eseln bewacht. Faktisch aber sei der Zaun in aller Regel kein Hindernis für den Wolf, auch Schutzhunde könnten von den Wölfen überlistet werden. Zudem ist eine sichere Zäunung in der Rhön wegen unebener, trockener Böden, Felsen und Gestein oder Bachläufen gerade für die Wanderschäfer häufig schwierig.  

Gerade Halter kleiner Herden können den Aufwand für den Herdenschutz nicht stemmen und wären die ersten, die die Weidetierhaltung in großer Zahl aufgeben, steht für Habermann zu befürchten.  Damit seien nachteilige Folgen für die genetische Vielfalt, aber auch für den Kulturraum, das Landschaftsbild und das Leben in den Dörfern zu erwarten, sorgt er sich. Schließlich, so Habermann, zeichne sich die Rhön durch Kleinteiligkeit und Vielfalt aus. Darüber, dass die Aufgabe der Beweidung in der Rhön einen enormen Verlust für die Kulturlandschaft bedeute, müsse man gar nicht erst reden.

Der Landrat Thomas Habermann hält die bisherigen Regelungen zur Bejagung von Wölfen für nicht erfolgversprechend.
Foto: René Ruprecht | Der Landrat Thomas Habermann hält die bisherigen Regelungen zur Bejagung von Wölfen für nicht erfolgversprechend.

Warum ist es in der Rhön noch nicht gelungen, einen Wolf zu entnehmen?

Es hat in der Rhön bislang schon vier Ausnahmegenehmigungen zum Töten von Wölfen gegeben. Allerdings blieben alle erfolglos, erläutert der Landrat. In zwei Fällen haben Gerichte die Genehmigungen aufgehoben. In den anderen beiden hatten die Jäger keinen Erfolg. Dafür gibt es, so die Ansicht des Landrats, zwei Gründe. Zum einen müsse der Zeitpunkt des jagdlichen Eingriffs ganz kurz auf einen Riss – am besten schon am folgenden Abend – folgen. Bislang dauere das zu lang, moniert der Kreischef. Die Bescheide dürften nicht von Präsenzzeiten von Behörden abhängig sein und müssten zum Beispiel auch am Samstag und Sonntag ergehen können, sieht Habermann diesbezüglich die Regierung in der Pflicht.

Zum zweiten darf, nach seiner Ansicht, die Öffentlichkeit gar nicht erfahren, dass sich ein Riss ereignet hat. Wenn er zum Beispiel über Bilder in Social-Media bekannt wird, kämen sofort Interessierte an die Schadensstelle. Das registriere der Wolf und meide das Gebiet, auf dem er eigentlich bejagt werden soll. Eine fehlende Öffentlichkeit erhöhe zudem die Chancen, Klagen zu vermeiden, über die die Entnahmebescheide aufgehoben würden. Die Gerichte, kritisiert Habermann, selbst ehemaliger Richter, würden aktuell die rechtlichen Vorgaben sehr streng auslegen und Spielräume nicht nutzen. 

Ein drittes Problem scheint gelöst. Nach neuesten Gerichtsentscheidungen macht sich ein Jäger nicht mehr strafbar, wenn er bei einer genehmigten Wolfsjagd den falschen Wolf erschießt. Die bislang gegenteilige Regelung hatte die Motivation von Jägern, sich für die Wolfsjagd zu melden, in der Vergangenheit wohl eingeschränkt.

Welche Möglichkeiten haben Landrat und Landratsamt?

Als Landrat könne er zum einen politisch aktiv werden, zum Beispiel mit Veranstaltungen wie jüngst einem Treffen von der Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber und Rhöner Schäfern. Damit könne man das Thema bundespolitisch platzieren, aber auch auf Landesebene und beim Umweltministerium sei man entsprechend aktiv. Ansonsten ist das Landratsamt selbst nur sehr eingeschränkt handlungsfähig. Nach der Wolfsverordnung kann es lediglich eine Entnahmegenehmigung zur Gefahrenabwehr erlassen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn sich ein Wolf mehrfach Menschen genähert hat. Damit es in einem solchen Fall schnell gehen kann, ist man in der Kreisbehörde vorbereitet. "Der entsprechende Bescheid liegt schon in der Schublade", so Habermann.

Es gäbe noch die Möglichkeit, dass das Landratsamt selbst Entnahmen verfügen kann, wenn die Rhön als "nicht schützbares Weidegebiet" oder "nicht zumutbar zäunbare Region" gelten würde. Rhön-Grabfeld fällt aber noch nicht unter diese Regelung. Von Seiten des Landratsamtes wurde die entsprechende Forderung beim dafür zuständigen Umweltministerium in München erhoben, so der Landrat. Bislang allerdings ohne Erfolg.

Wie steht es um die geltenden rechtlichen Regelungen zur Entnahme?

In dieser Frage ist die Position von Habermann eindeutig: Man werde das Problem nicht lösen, wenn man nur reaktiv, also immer nur auf einen Riss hin, tätig wird, kritisiert er die aktuelle Herangehensweise. Der Wolfsbestand in der Rhön ist nach seiner Meinung schon jetzt zu hoch. Mit rein reaktiven Maßnahmen werde man ihn nicht senken können, er werde weiter anwachsen, ist er sich sicher. Entsprechend befürchtet eine Verschärfung der Situation, bis "der Widerstand so groß wird, dass man politisch handeln muss. Bis dorthin haben wir aber erhebliche Kollateralschäden", so seine Prognose.

Die Weidetierhaltung in der Rhön ist für Landrat Thomas Habermann unverzichtbar. Entsprechend fordert er ein strengeres Vorgehen gegen den Wolf. Das Bild zeigt ihn mit Rhönschäfer Josef Kolb beim Weideabtrieb in Ginolfs im vergangenen Jahr.
Foto: René Ruprecht | Die Weidetierhaltung in der Rhön ist für Landrat Thomas Habermann unverzichtbar. Entsprechend fordert er ein strengeres Vorgehen gegen den Wolf.

Welche alternativen Methoden kommen infrage? 

"Wir brauchen einfach eine Bestandsregulierung!", lautet die klare Forderung von Landrat und Jäger Habermann, mit der sich nach seiner Ansicht die Wolfsproblematik erfolgversprechend angehen ließe. Wie bei anderen Wildtieren auch müsse man zum Beispiel sagen können, ich habe eine gewisse Zahl von Wölfen in der Rhön frei. Wenn sie auftauchen, können sie erlegt werden. Andere Länder in Europa hätten diese Bestandsregulierung eingeführt, nur Deutschland nicht, weil sich die Bundesregierung aus ideologischen Gründen sperrt, so seine Überzeugung. 

 
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  • Gerhard Zwierlein
    "Zum einen müsse der Zeitpunkt des jagdlichen Eingriffs ganz kurz auf einen Riss–am besten schon am folgenden Abend–folgen. Bislang dauere das zu lang, moniert der Kreischef. Die Bescheide dürften nicht von Präsenzzeiten von Behörden abhängig sein und müssten zum Beispiel auch am Samstag und Sonntag ergehen können, sieht Habermann diesbezüglich die Regierung in der Pflicht." Wieso die Regierung? Die Regierung erlässt doch keine Bescheide. Als Landrat kann er den Bescheid schon vorfertigen und es wird sich doch jemand finden, der da den Stempel drauf macht. "
    --
    "Als Landrat könne er zum einen politisch aktiv werden" ... NEIN....er kann auch tatsächlich aktiv werden und den fertigen Abschussbescheid auf dem nur das Datum fehlt vorfertigen und auf tel. des betroffenen Herdeninhabers ausstellen! "Ansonsten ist das Landratsamt selbst nur sehr eingeschränkt handlungsfähig. " Nach meiner Erinnerung hat den letzten Abschussbescheid lt MP das Landratsamt erlassen! Gehts nun nicht mehr?
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