Der Bund Naturschutz (BN) wird nicht erst seit den jüngsten Nutztierrissen in der Rhön und seiner erfolgreichen Klage gegen die bayerische Wolfverordnung heftig angegriffen. Er sei mit dafür verantwortlich, dass bislang noch keine Abschüsse von Problemwölfen möglich waren. Zu diesen Vorwürfen und der grundsätzlichen Position des BN zum Thema Wolf nimmt der Wolfsexperte des BN, Uwe Friedel, Stellung.
Uwe Friedel: Ja, die Wölfin muss entnommen werden, sobald es möglich ist.
Friedel: Haben wir noch nie. Übrigens auch der LBV (Landesbund für Vogelschutz) nicht. Wir vertreten seit vielen Jahren die Meinung, dass Wolfsabschüsse als Ultima Ratio zum Wolfsmanagement zwingend dazugehören.
Friedel: Nein! Es gibt hier auch einige Punkte, die richtiggestellt werden müssen. Erstens stimmt es nicht, dass wir als BN gegen den Abschuss dieser Wölfin geklagt hätten. Es stimmt auch nicht, was verbreitet wird, dass wir mit dem Wolf Spendenwerbung betreiben würden. Wir sind gegen eine Bejagung der Wölfe und da sind wir übrigens auch mit dem LBV ganz einer Meinung. Die Aussage von Landrat Habermann, dass LBV-Vorsitzender Norbert Schäffer einer Bejagung zugestimmt habe, stimmt nicht. Wir denken, dass hier abgelenkt werden soll, weil hier Verantwortliche offensichtlich versagt haben und der BN als Sündenbock ganz gut ins Konzept passt.
Friedel: Wir haben uns den ersten Entnahmebescheid der Regierung von Unterfranken angeschaut. Der war handwerklich schon sehr schlecht gemacht und hat viele Einfallstore für die Klage eröffnet, die dann von anderen genutzt wurden. Wir haben uns gegen eine Klage entschieden, weil wir gesagt haben: erstens ist Herdenschutz überwunden worden und zweitens war unser Eindruck, dass die Tierhalter sich durchaus Mühe gegeben hatten, ihre Tiere zu schützen. Für uns war der Fall klar: Die Wölfin wird entnommen. Wie auch immer. Es hat nicht funktioniert, aber es hätte aus unserer Sicht funktionieren müssen.
Friedel: Also erstmal höre ich zu. Ich war jetzt selbst noch nicht oben, aber Kollegen schon. Wir bedauern zutiefst, was da passiert ist, die toten Tiere, die physische Belastung, die emotionale Belastung, die Hilflosigkeit der Leute. Wir können hier als Naturschutzverband nicht mehr wirklich helfen. Das Kind ist längst in den Brunnen gefallen – unserer Meinung nach vor allem in der frühen Phase, als die Wölfin sich daran gewöhnt hat, die ungeschützten Schafe zu attackieren und danach die Versäumnisse, als es nicht gelungen ist, die Wölfin abzuschießen.
Friedel: Also wenn die Tiere, die gelernt haben, den Herdenschutz zu überwinden, geschossen werden, ist das ganz klar eine Entlastung für die Tierhalter. Die haben ja sonst überhaupt keine Möglichkeit mehr, noch irgendwas zu machen. Das ist natürlich kein langfristiger Schutz. Der geht nur mit Herdenschutzmaßnahmen.
Friedel: Wir sehen nicht, was das bringen soll, um Weidetiere tatsächlich zu schützen. Was wir aus anderen Ländern und der internationalen Studienlage wissen, ist, dass die Bejagung tatsächlich nicht dazu beiträgt, die Risse in Wolfsgebieten zu reduzieren. Und es werden Wölfe geschossen, die nie ein Weidetier gerissen haben. Da fragen wir uns einfach, was das den Tierhaltern bringen soll. Wir sehen es stattdessen als wichtig an, dass man in Abhängigkeit vom Verhalten der einzelnen Tiere oder des Rudels Maßnahmen ergreift, aber nicht einfach blindwütig durch die Gegend schießt.
Friedel: Ja, also das können wir tatsächlich in den früheren Besiedlungsphasen von Gebieten, in denen es noch keine Wölfe gibt, beobachten. Da werden freie Reviere besetzt. Das war auch in Deutschland so, allerdings hat sich dieses Wachstum verlangsamt. Die letzten drei Jahre waren es insgesamt plus 40 Prozent.
Friedel: Genau. Es gibt einen Selbstregulierungsmechanismus, der dafür sorgt, dass in von Wölfen besiedelten Gebieten das Wolfswachstum stark nach unten geht, sobald sich Rudel etabliert haben. Dann gibt es durch Territorialkämpfe und andere Mechanismen eine deutlich erhöhte Sterblichkeit. Das geht dann irgendwann in einen Gleichgewichtszustand über. Dann braucht es diese Bejagung nicht.
Friedel: Also Wölfe sind von Natur aus vorsichtig. Es ist gar nicht notwendig, sie scheu zu halten oder zu machen. Die Frage ist doch, welches Verhalten soll den Wölfen abtrainiert werden. Zum Schutz der Weidetiere bringt das überhaupt nichts. Die Wölfe werden den Abschuss nicht damit in Verbindung bringen, dass sie doch bitte keine Weidetiere mehr reißen sollen.
Friedel: Ja, weitgehend. Wie auch viele europäische Studien belegen, hängt in Gebieten, in denen es Wölfe gibt, die Anzahl der Risse primär eben nicht von der Anzahl der Wölfe ab, sondern von vielen Faktoren. Der wichtigste ist die Anzahl der ungeschützten Weidetiere, also Weidetiere ohne Herdenschutz.
Friedel: Ja, das kann natürlich der Fall sein. Und zwar im Gebiet eines Rudels, das gelernt hat, Herdenschutzmaßnahmen zu respektieren und keine Weidetiere mehr attackiert. Wenn ich da ein Tier rausschieße, insbesondere eines der Elterntiere, dann wandert ein anderes Tier nach. Dann gibt es eine neue Dynamik. Dann kann es durchaus sein, dass aus einem ruhigen Gebiet ein Gebiet wird, in dem wieder Weidetiere gerissen werden.
Friedel: Wir haben noch nicht viele Wölfe in Bayern und die sind oft recht unauffällig. Fast alle Risse – die Rhöner Wölfin ist die erste große Ausnahme in Bayern – betrafen ungeschützte Weidetiere. Und solche Risse rechtfertigen eben keine Abschüsse. Herdenschutz ist nicht nur der einzige wirklich präventive Schutz der Weidetiere, sondern er ist auch die Voraussetzung, dass Wolfsabschüsse überhaupt möglich sind.
Friedel: Wir brauchen vor allem eine flächendeckende Herdenschutzförderung, insbesondere für die Schafhaltung. Es müssen auch laufende Kosten gefördert werden. Und es sollte unbedingt aufgehört werden, den Tierhaltern die falsche Hoffnung zu machen, die Bejagung werde die Probleme lösen. Für notwendige Entnahmen sollten für Wolfsabschüsse geschulte Berufsjäger hinzugezogen werden. Was wir dringend brauchen, ist weniger Stimmungsmache, mehr miteinander reden und zuhören, um wirklich Lösungen zu suchen.
Friedel: Sehr sicher. Weil Menschen, auch Kinder, nicht im Beutespektrum des Wolfes sind. In der freien Natur gibt es weitaus größere Gefahren, mit denen wir seit vielen Jahrzehnten gut leben. Wir haben in Mitteleuropa keine Tollwut, und von Experten als verhaltensauffällig eingestufte Wölfe werden bereits früh entnommen. Und mit Blick auf über 20 Jahre Wolfspräsenz mit aktuell um die 1000 erwachsenen Tieren in Deutschland ohne einen einzigen verletzten Menschen würde ich sogar sagen, der Wolf ist ungefährlich.
Friedel: Die Entnahme von einzelnen Wölfen ist überhaupt nicht fraglich. Wir sind auch bereit, über die Bejagung von Wölfen zu diskutieren. Aber dann bitte faktenbasiert und lösungsorientiert. Wichtig ist der gegenseitige Respekt vor unterschiedlichen Positionen und Werten. Das konstruktive Gespräch miteinander hilft immer und wir verschließen uns da auch keinen Fragestellungen.
Eine anlassunabhängige Bejagung des Wolfs bringt zwar nichts, außer vermutlich Jagddruck und dadurch wachsende Populationen, aber solch mittelalterlich anmutender Aktionismus scheint doch beim Wahlvolk gewisser Couleur positive Reaktionen auszulösen.
Außerdem hege ich den Verdacht, daß bei den Freizeitjäger*innen aus Politik, Wirtschaft, Hoch,-Nieder,-und Geld-Adel doch ein wie auch immer geartetes Interesse daran besteht, zum Vergnügen, warum auch immer oder zu Ehren von St.Hubert mal wieder den Isegrim plattzumachen.