Am Mittwoch eine vom Wolf gerissene Ziege bei Ginolfs, ebenfalls am Mittwoch fünf getötete Schafe, schon wieder bei Ginolfs, am Donnerstag eine getötete Ziege nahe Oberelsbach. Die Wolfsrisse in der oberen Rhön haben in diesen Tagen und Wochen wieder dramatisch zugenommen. Entsprechend angespannt ist die Stimmung bei vielen Tierhaltern. Gleichzeitig veröffentlicht das Landesamt für Umwelt beinahe täglich neue Ergebnisse der Gentests nach Rissen in der Rhön. Demnach ist fast ausschließlich die Problemwölfin mit dem Kürzel GW3092f die Angreiferin gewesen.
Um über diese Situation zu sprechen, lud Landrat Thomas Habermann Presse und Tierhalter in das Landratsamt ein. Es wurde ein sehr ungewöhnlicher Termin. Der ansonsten so meinungs- und handlungsstarke Kreischef zeigte sich ratlos und konsterniert. Statt klare Ansagen zu machen, sprach er von Ohnmacht und Hilflosigkeit. "Wir sitzen gefesselt und gelähmt hier. Ich kann einfach nichts machen", beschrieb er seine Situation. Es sei derzeit nicht einmal möglich, zumindest die Problemwölfin entnehmen, also töten zu lassen – alleine schon, weil sie bis 1. August unter Muttertierschutz steht.
Fotos von getöteten Tieren direkt von der Ziegen-Weide in der Rhön
Während der Kreischef die Lage beschreibt, zückt Sven Breunig betroffen sein Handy und zeigt es herum. Ihn erreichten gerade brutale Bilder. Geschickt hat sie sein Vater Günter – live von der Weide. Er dreht gerade die Morgenrunde bei der Ziegenherde, die oberhalb von Ginolfs steht. Zu sehen sind eine Ziege mit abgerissenem Kopf oder ein weiteres getötetes und angefressenes Tier: zwei von vier Opfern eines Wolfsangriffes auf seine Herde aus der vergangenen Nacht.
Solche schlimmen Bilder müssten veröffentlicht werden, poltert Schäfer Frank Scharbert in Richtung Presse, wohl wissend, dass das nicht möglich ist. Währenddessen rechnet Sven Breunig vor, dass zum Ende der Weidesaison von seinen bisher 150 Ziegen keine mehr übrig ist, sollten die Verluste durch Risse weitergehen wie in vergangenen Tagen. Und auch seine Frage lautet: "Was soll ich denn machen?"
Der Landrat ist aufgebracht, aber er hat beim Thema Wolf und Wolfsentnahme einfach keine Zuständigkeit, wie er betont. Die Situation werde für die Weidetierhalter immer verzweifelter und er könne einfach nichts machen. Das bringt ihn offensichtlich an seine Grenzen.
Forderungen an Umweltministerin, Justiz und Umweltverbände
Die Rechtssetzung, die Rechtsprechung und die Umweltverbände, einschließlich des Bund Naturschutz, ließen die Rhöner Weidetierhalter im Stich, benannte Habermann die für ihn Verantwortlichen. Und er stellte fünf Forderungen auf.
Der "entscheidende Flaschenhals", der die Bejagung des Wolfes verhindere, sei das Bundesumweltministerium. Deshalb forderte Habermann von Umweltministerin Steffi Lemke, endlich entsprechend tätig zu werden, damit der Schutzstatus des Wolfes auf europäischer Ebene gesenkt werde. Er werde der Umweltministerin ein Schreiben zukommen lassen und sie in die Rhön einladen, damit sie sich ein Bild vor Ort machen könne.
Die zweite Forderung des Landrats richtete sich an die Umweltverbände, endlich den Widerstand gegen eine Bestandsregulierung der Wölfe aufzugeben. Vom Freistaat Bayern forderte Habermann, nicht nachzulassen bei seinen Initiativen, den Schutzstatus der Wölfe zu reduzieren. Die Forderung des Landrats an die Rechtsprechung lautete, Ermessenspielräume bei Klagen gegen die Entnahme von Wölfen auszunutzen.
Forderung: Entnahmebescheide künftig vom Landratsamt
Vom bayerischen Umweltministerium und dem Landesamt für Umwelt schließlich forderte Habermann, die Kompetenz für die Entnahmebescheide von Wölfen an die Landratsämter abzugeben. Hier könne innerhalb von Stunden und nicht erst Tage nach Nutztierrissen entschieden werden. Bei Krisen werde im Landratsamt rund um die Uhr gearbeitet, so der Landrat und "der Wolf kennt auch keine Dienstzeit".
Die Lange Rhön sei schon jetzt nicht mehr die Lange Rhön, beschrieb Frank Scharbert die Situation. In der Nacht würden die Warnlichter an den Weidezäunen blinken, Herdenschutzhunde bellen und die Wachfeuer lodern. "Wir versuchen alles, aber es nützt alles nichts", beschrieb Scharbert seine Hilflosigkeit. Auf Dauer könne man die Verträge zur Landschaftspflege nicht mehr einhalten.
Wie Scharbert hob auch Sven Breunig die Bedeutung kleiner Betriebe und kleiner Herden hervor. Die würden die kleinen, aber feinen Flächen bearbeiten. Gerade steinige, schlecht erreichbare Randflächen seien durch die Beweidung zu Lebensräumen von Orchideen oder seltenen Vögeln wie dem Raubwürger geworden.
Europäischer Hotspot der Artenvielfalt in Gefahr
Der Landrat ist mit den Weidetierhaltern einer Meinung: Wenn sich am Umgang mit dem Wolf nichts ändert, ist die weitere Bewirtschaftung der Rhöner Wiesen mit Weidetieren in Gefahr. Die Kulturlandschaft der Rhön sei ein europaweiter Hotspot der Artenvielfalt, den die Rhöner Landwirte mit ihrer Hände Arbeit geschaffen hätten. Der sei bedroht, wenn nicht endlich die Reduzierung des Wolfsbestandes, das heißt seine Bejagung, möglich wird, so der übereinstimmende Tenor – auch wenn die Tierhalter deutlich drastischere Formulierungen gebrauchten.
Um diesen naturschutzfachlichen Wert der Rhön und die Weidewirtschaft zu erhalten, werde er als Landrat "bis zum letzten Blutstropfen kämpfen", erklärte Habermann. Und etwas weniger martialisch stellte er dazu fest, aktuell bliebe ihm nur, die Landwirte zu motivieren und an sie zu appellieren:"Bitte macht weiter!"
Naja anderes Thema, hier wird ja anders gejammert. Es gibt Subvention für Weidezäune und es gäbe die Möglichkeit von Herdenhunden. Aber was macht der Deutsche? Genau, jammer und abknallen. Sonst sind ja die armen Sportjäger ausm Dorf irgendwann auch noch arbeitslos.