
Herbstadt, Burgwallbach, Burglauer, Bastheim, Sulzdorf, Lebenhan oder Oberwaldbehrungen. Das sind nur einige der Ortschaften im Landkreis, in denen man sich in den vergangenen Wochen und Monaten auf den Weg gemacht hat, ein eigenes Wärmenetz zu organisieren. Das Thema boomt und es herrscht großer Informationsbedarf.
Lange Jahre Erfahrung mit dem Bau und dem Betrieb von Wärmenetzen hat Michael Gottwald von der Rhöngas. Über Untergesellschaften und Beteiligungen betreibt die GmbH mit Sitz in Bad Neustadt sieben solcher Anlagen im Landkreis. Entsprechend ist der Abteilungsleiter Wärme und regenerative Energien bei der Rhöngas derzeit sehr gefragt.
Das war früher ganz anders, erinnert sich der Fachmann. In den Jahren 2008 und 2009, als die Aktivitäten der Rhöngas im Bereich klimafreundlicher, erneuerbarer Energien in kleinem Rahmen starteten, sei das Interesse verhalten gewesen. Zunächst initiierte das Unternehmen unter anderem mit der Agrokraft Nahwärmeprojekte in Unsleben, Oberelsbach, Mellrichstadt und Burglauer, in der Folge kamen Bad Königshofen, Ostheim und Bad Neustadt dazu.
Die über Kraft-Wärme-Kopplung aus Biogasanlagen oder die Verbrennung von Holzhackschnitzeln gewonnene Wärme ging zunächst an große Abnehmer wie eine Gärtnerei in Unsleben sowie das Schwimmbad und die Mälzerei in Mellrichstadt. Dazu kamen große öffentliche Gebäude und Einrichtungen wie in Bad Neustadt, aber auch einzelne Privatbesitzer ließen ihre Gebäude anschließen.
Nahwärme: Viele wollen angeschlossen werden
Nahwärme ist klimafreundlich und hat viele weitere Vorteile, aber lange Zeit einen schwerwiegenden Nachteil, der die Nachfrage einschränkte. Sie war schlicht teurer als die fossilen Brennstoffe für die Heizungen. Dann aber kamen die massiven Preissteigerungen von Öl und Gas in Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und die Verunsicherungen durch das neue Heizungsgesetz.
Damit hat sich das Interesse an Wärmenetzen, beziehungsweise den Anschluss an die bestehenden Netze enorm erhöht, so Gottwald. Während man bislang mit großem Aufwand nur einzelne Kunden werben konnte, herrsche nun eine unheimliche Nachfrage. Alleine in Ostheim, wo das Netz gerade erweitert wird, hätten sich etwa 50 neue Anschlussnehmer angemeldet.

In der aktuellen Situation hätten sich die in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen und daraus entwickelten Konzepte in hohem Maße bewährt, zeigt sich Gottwald zufrieden. So habe man bei der Wärmeerzeugung schon immer auf regionale Ressourcen und klimaschonende, erneuerbare Energieträger gesetzt. Nur für die Spitzenlasten kämen fossile Heizkessel zum Einsatz. Somit übererfüllen alle Netze schon bislang bei weitem die Forderung von mindestens 65 Prozent regenerativem Energieeinsatz.
Eine gute, aber nicht immer die beste Lösung
Der Abteilungsleiter Wärme und regenerative Energien bei der Rhöngas begrüßt die gestiegene Nachfrage nach neuen Anschlüssen und den Neubau von Wärmnetzen zum einen, andererseits rät er aber auch zu einer sehr genauen Planung, um die Wirtschaftlichkeit eines solchen Vorhabens zu garantieren. "Nahwärme ist eine sehr gute, aber nicht in jedem Fall die richtige Lösung", macht er deutlich. Fakt ist aber laut Gottwald: Jedes Haus, das derzeit noch eine Öl- oder Gasheizung hat, ist geeignet für einen Anschluss an die Nahwärme. Das ist ein großer Vorteil gegenüber der Wärmepumpe."
Nicht nur die Rhöngas stehe bei der Wärmewende vor verschiedenen Herausforderungen. So erfordert der Ausbau der Wärmenetze immer mehr erneuerbare Energien. Die seien aber derzeit nicht unbegrenzt verfügbar. Mit Holz zum Beispiel könnten in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld etwa 25 bis 30 Prozent des Energiebedarfs nachhaltig abgedeckt werden.
Entsprechend müssten neue Wind- oder Solaranlagen errichtet oder Erdwärme, Abwärme aus der Industrie und weitere regenerative Energiequellen erschlossen werden. In Bad Neustadt sei beispielsweise an ein neues Heizwerk im Bereich des Wertstoffhofes gedacht, in Mellrichstadt könnte regenerativer Strom für die Wärmeerzeugung in der Kläranlage erzeugt werden.

Eine riesige Herausforderung seien die sich ständig ändernden rechtlichen Rahmenbedingungen, Anforderungen und Fördervoraussetzungen. Dies erfordere zum einen ständige Anpassungen und zum anderen einen Vorlauf von aktuell etwa zweieinhalb Jahren für ein neues Netz. Dazu käme ein Mangel an qualifizierten Fachkräften, der zu Engpässen sowohl beim Betrieb als auch bei der Planung neuer Netze führt.
Bei der Rhöngas, so Gottwald, seien derzeit drei dafür zur Verfügung stehende Mitarbeiter mit vier Großprojekten, dem Ausbau der Netze in Bad Neustadt (Erweiterung samt neuer Heizanlage), Mellrichstadt (Hainberg), Ostheim (Altstadt) und Oberelsbach (Heizzentrale), völlig ausgelastet. Insgesamt arbeiten von 35 Mitarbeitern des Unternehmens neun Angestellte in der Wärmeabteilung. "Und wir könnten zusätzlich zehn weitere Mitarbeiter brauchen", sagt Michael Gottwald.
Kostenexplosion wegen Inflation und Materialmangel
Was einen Netzneu- oder -ausbau weiter erschwert, seien Rohstoff- und Materialmangel, die neben der Inflation für explodierende Kosten sorgen. Hätten die Aufwendungen für einen Meter Wärmenetz früher bei 500 bis 700 Euro betragen, lägen sie nun teils mehr als 1000 Euro. Wenn jemand zum Beispiel 100 Meter von einer Wärmeleitung entfernt wohne, könne man bei diesen Kosten nicht einfach mal einen Anschluss legen. Das sei wirtschaftlich nicht machbar.
Ein entscheidender Faktor sei neben der Höhe der Förderungen die Anschlussdichte, also die Zahl der Anschlussnehmer im Verhältnis zur Länge des Wärmnetzes. Und hier sei die Wirtschaftlichkeit in locker bebauten ländlichen Räumen naturgemäß schwerer zu erreichen als in einer Stadt.
"Früher haben wir eine Million Euro jährlich investiert", so Gottwald. "Heute steckt der zehnfache Betrag in nur einem Projekt", macht der Abteilungsleiter deutlich. Das Gasnetz will er dennoch nicht abschreiben: "Wir werden das Gasnetz noch lange brauchen, unter anderem auch im Zuge der Biomethan-Aufbereitung", blickt er voraus.
Wichtig für die Zukunft der Wärmeversorgung ist für Gottwald, dass die Kommunen die Initiative ergreifen. "Es gibt Gemeinden, die meinen, alles selbst regeln zu können", so Gottwald. Falls es gewünscht sei, könne die Rhöngas aber auch unterstützen und Konzepte anbieten.