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Kitzingen/Schweinfurt
Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber: "Wir spielen auf gleicher Augenhöhe mit der Regierung"
Probleme der Bäckereien und fehlende Pflegeplätze: Anja Weisgerber erzählt im Interview, was sie von ihrer Sommertour mitgenommen hat – und welche Fehler die CSU in der Energiepolitik gemacht hat.
Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (CSU) war in den Ferien auf Sommertour durch den Wahlkreis Schweinfurt, zu dem auch der Landkreis Kitzingen gehört. Im Interview berichtet sie von den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger.
Foto: Tabea Goppelt | Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (CSU) war in den Ferien auf Sommertour durch den Wahlkreis Schweinfurt, zu dem auch der Landkreis Kitzingen gehört.
Andreas Brachs
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:39 Uhr

Die CSU-Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber war bei ihrer Sommertour im Wahlkreis Schweinfurt unterwegs, der die Regionen Schweinfurt-Stadt, -Land und Kitzingen umfasst. Im Interview berichtet sie von ihrer Rolle in der Opposition, von ihrer Sicht auf Klima- und Energiefragen und von den Sorgen und Nöten der Bürgerinnen und Bürger, die sie bei ihrer Tour getroffen hat.

Frage: Franz Müntefering nannte es mal "Mist", als Partei in der Opposition zu sein. Sehen Sie das auch so, oder ist der Wechsel für die Union auch fruchtbar?

Anja Weisgerber: Die Opposition ist ein wichtiger Bestandteil der Demokratie und diese verantwortliche Aufgabe füllen wir auch aus. Natürlich hätten wir lieber regiert, aber wir spielen auf gleicher Augenhöhe mit der Regierung und bringen eigene konstruktive Vorschläge ein. Die Bürger erwarten, dass man nicht nur kritisiert, sondern auch seinen eigenen Plan aufzeigt. Bei Themen wie der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine haben wir einen Antrag gestellt und damit überhaupt erst die Koalition zu einer Initiative bewegt, der wir dann zugestimmt haben. Die Bevölkerung erwartet in Krisen ein Stück weit auch ein Zusammenstehen über Parteigrenzen hinweg.

In der Energiepolitik haben Sie, hat die CSU der Ampel Versäumnisse und Fehler vorgeworfen. Haben Sie in der Vergangenheit nicht auch Fehler gemacht, etwa beim Stromtrassen- und Windkraftanlagen-Bau in Bayern?

Weisgerber: Natürlich muss man grundsätzlich bereit sein, das zu reflektieren. Zum Beispiel tragen wir – aber auch die SPD – bei der Abhängigkeit vom Gas Mitverantwortung. Wir müssen unabhängiger werden mit dem massiven Ausbau der Erneuerbaren, aber wir brauchen als Brücke zumindest über die nächsten zwei Winter die drei Atomkraftwerke, sonst kann es zu Netzengpässen kommen und der Druck auf die Strompreise wird weiter steigen.

Ich komme aus einer Region, die mit Stromtrassen rund um Bergrheinfeld stark betroffen ist. Dennoch habe ich immer gesagt, dass wir den Stromnetz-Ausbau brauchen, aber wir müssen die Bürger dabei mitnehmen und die Last auf mehrere Schultern verteilen. So haben wir es geschafft, dass SuedLink erdverkabelt wurde.

Wir brauchen in ganz Bayern den Ausbau der Windkraft, aber mit den Menschen. Das war auch der Hintergrund der 10-H-Regelung. Windkraft war von Anfang an privilegiert und die Gemeinden konnten die Ansiedlung nicht aktiv steuern. Die Windräder wurden immer höher und kamen immer näher an die Gemeinden heran. Nach Bürgerprotesten – der Ausgangspunkt war eine Demo in Kitzingen – hat der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgedreht. Die Gemeinden konnten von 10 H nach unten abweichen. Diese Möglichkeit wurde jedoch nicht ausreichend genutzt. Wenn man das von Anfang an besser kommuniziert hätte, wäre es besser gelungen. Jetzt hat Ministerpräsident Markus Söder darauf reagiert und weitere Ausnahmen auf den Weg gebracht. 

"Die Bevölkerung erwartet in Krisen ein Stück weit auch ein Zusammenstehen über Parteigrenzen hinweg."
Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (CSU)
Warum trauen sich Politiker nicht, Prioritäten zu setzen und den Menschen etwas zuzumuten, um ihre Ziele zu erreichen?

Weisgerber: Das ist ein schmaler Grat. Die Politik muss das Ohr nah am Menschen haben. Das ist unser Markenzeichen als CSU. Wir repräsentieren die Zusammensetzung in der Bevölkerung und wollen die Akzeptanz für unsere Politik behalten. Aber natürlich bedeutet Politik auch Führung. Ein Beispiel dafür war Markus Söder in der Corona-Pandemie. Generell gilt: Man muss ein Konzept haben und die Bevölkerung mitnehmen.

CSU-Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (Mitte) auf Sommertour im Wahlkreis Schweinfurt, hier vor der Wallfahrtskirche in Dettelbach mit Parteifreunden und Bürgern.
Foto: Martin Schlör | CSU-Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (Mitte) auf Sommertour im Wahlkreis Schweinfurt, hier vor der Wallfahrtskirche in Dettelbach mit Parteifreunden und Bürgern.
Welche Themen haben Sie bei Ihrer Sommertour im Wahlkreis von den Bürgerinnen und Bürgern mitgenommen?

Weisgerber: Probleme der kleinen und mittleren Betriebe, wie Bäckereien, Metzgereien und Gastronomie wegen der Energiepreise und wegen Fachkräftemangels. Wenn wir die jetzt nicht gezielt unterstützen, werden manche Selbstständigen überlegen, ob sie vielleicht noch allein oder mit wenigen Mitarbeitern weitermachen, aber andere entlassen. Dann sähe ich schwarz für die Arbeitslosenquote. 

Ein weiteres Problem ist die Unsicherheit im Zusammenhang mit der Energiewende. Welche Fördermittel gibt es beim Umbau der Häuser? Das Heizen mit Holz muss weiter möglich bleiben. Viele Menschen machen sich auch Sorgen wegen fehlender Pflegeplätze, den Pflegekosten oder dem Ärztemangel.

Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber im Interview mit der Redaktion.
Foto: Tabea Goppelt | Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber im Interview mit der Redaktion.
Obwohl wir in der Corona-Krise froh waren, dass es so viele Krankenhäuser gibt, wird nun wieder eine Debatte um die Schließung von kleinen Häusern geführt. Was sagen Sie dazu?

Weisgerber: Die CSU hat schon bei der letzten Krankenhaus-Reform für die kleinen Häuser gekämpft und dass sie ihre Leistungen besser honoriert bekommen. Die Menschen müssen die Sicherheit haben, dass sie im Notfall in kürzester Zeit ins Krankenhaus kommen und versorgt werden. Dennoch ist es richtig zu kooperieren und sich zu spezialisieren. Aber die Grund- und Notfallversorgung in der Fläche muss gewährleistet sein. 

Der Klimawandel wird auch im Wahlkreis sichtbar, zum Beispiel an Starkregen und Überschwemmungen, aber auch an der anhaltenden Trockenperiode. Was hat die CSU vor?

Weisgerber: Ich bin seit 18 Jahren Klimapolitikerin; das Thema ist mein Steckenpferd. Die CSU fordert ein bundesweites Klimaanpassungsgesetz. Wir müssen Maßnahmen treffen wie Hochwasserprävention, zum Beispiel KfW-Gelder für die Bürger, die Rückstauventile einbauen. Es braucht einen besseren Katastrophenschutz, der frühzeitig warnt und dann Einsätze gut koordiniert. Gegen die Wasserknappheit, die uns in Unterfranken stark betrifft, gibt es vier Pilotprojekte des Freistaats mit jeweils zweistelliger Millionenförderung. Das Ziel: Wasser bei Regen und Hochwasser zu speichern, um es bei Trockenheit gezielt für Tröpfchenbewässerung zu nutzen. Das soll für Sonderkulturen eingesetzt werden, aber sicherlich nicht für die normale Landwirtschaft.

In Schweinfurt gibt es seit einem Jahr ein Forschungsprojekt, wie man aufbereitetes Wasser aus Kläranlagen nutzen kann, zum Beispiel für Sportflächen. Außerdem müssen wir den Bau von Regenwasserzisternen bei den Bürgern voranbringen. In den Städten könnten Grünflächen intensiviert werden, die das Klima positiv beeinflussen. 

"Wenn man Dirndl trägt, muss es authentisch sein."
MdB Anja Weisgerber
Sie sind Bezirksvorsitzende der Frauen-Union und werben für mehr Frauen in der Politik. Wie stehen Sie zur Frauenquote?

Weisgerber: Wir haben im CSU-Parteivorstand und auf Bezirksebene eine Quote von 40 Prozent. In Unterfranken haben wir diese Quote übertroffen. Auf Kreisebene haben wir bisher nur eine Soll-Vorschrift. Das gilt es zu überprüfen. Aber der Anteil von Frauen in der Partei muss insgesamt steigen. Dafür haben wir ein Mentoring-Programm mit dem Titel "Frauen fördern Frauen", in dem Mandatsträgerinnen andere Frauen stärken. 

Trachtenmode war vorherrschend bei den CSU-Vertretern zum Auftakt der Weinlese in Zeil. 
Foto: Lukas Reinhardt | Trachtenmode war vorherrschend bei den CSU-Vertretern zum Auftakt der Weinlese in Zeil. 
Bei der symbolischen Eröffnung der Weinlese neulich erschienen alle CSU-Frauen im Dirndl im Weinberg. Gehört für die Frauen in der CSU das Dirndl zur Ausgehuniform?

Weisgerber: Wenn man Dirndl trägt, muss es authentisch sein. Es liegt mir im Blut und ich finde es identitätsstiftend, wenn man zu seinen Traditionen und seiner Kultur steht. Bei mir kommt es aus dem Herzen. Und wenn es zum Termin passt, ziehe ich gern Dirndl an. Es ist für mich keine Verkleidung, sondern ich trage es mit Stolz.

Für die Nachfolge des Landtagsmandats von Gerhard Eck im Stimmkreis Schweinfurt bewerben sich parteiintern vier Kandidaten: Martina Gießübel, Thomas Siepak, Christian Zeißner und Bernd Weiß. Wie sehen Sie diesen Wettkampf?

Weisgerber: Wir sind stolz auf diesen basisdemokratischen Prozess. Die Delegierten haben bei der Nominierungsveranstaltung am 7. Oktober die Verantwortung und die Wahl. Ich glaube, dass sich viele erst an diesem Abend entscheiden werden. Alle vier Kandidaten sind vor Ort verwurzelt und bringen kommunalpolitische Erfahrung mit. Ich als Kreisvorsitzende und der Kreisvorstand haben bewusst keine Vorgaben gemacht.

Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (CSU) ist umweltpolitische Sprecherin der Union im Bundestag.
Foto: Tabea Goppelt | Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (CSU) ist umweltpolitische Sprecherin der Union im Bundestag.
Die SPD in Schweinfurt schickt Landrat Florian Töpper als Direktkandidaten für den Bezirkstag und den Schonunger Bürgermeister Stefan Rottmann als Direktkandidaten für den Landtag ins Rennen. Wie ernst nehmen Sie diese Wettbewerber?

Weisgerber: Wir nehmen jeden Kandidaten ernst; wir haben ja auch noch den Mandatsträger Paul Knoblach von den Grünen. Im Wettbewerb muss man fair kämpfen und um die Sache streiten. Wir werben um jede Stimme und sind selbstbewusst.

Eine schnelle Frage zum Abschluss: Wie soll es weitergehen mit der Steigerwaldbahn-Strecke?

Weisgerber: Wir von der CSU setzen auf einen modernen ÖPNV mit einem autonom fahrenden Bus auf dieser Strecke, kombiniert mit einem Fahrradweg. Das wäre eine gute Zukunftsperspektive.

Anja Weisgerber

Die CSU-Bundestagsabgeordnete, geboren am 11. März 1976 in Schweinfurt, wurde nach ihrem Jura-Studium mit Promotion und der Zulassung als Rechtsanwältin 2004 ins EU-Parlament gewählt. Dem Europäischen Parlament gehörte sie bis 2013 an. Seither sitzt sie für den Wahlkreis Schweinfurt im Bundestag.
Seit 2021 ist Weisgerber Vorsitzende der Arbeitsgruppe für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und damit umwelt- und verbraucherschutzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Weisgerber ist CSU-Vorsitzende im Kreisverband Schweinfurt-Land und unterfränkische Bezirksvorsitzende der Frauen-Union.
Die evangelische Christin ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Schwebheim (Lkr. Schweinfurt).
Quelle: Weisgerber
 
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  • MarKa
    Ein Strassenbus, der auf Gummirädern auf einer Asphaltstrecke fährt, ist - rein physikalisch bedingt - IMMER das energiebilanzmäßig schlechtere System als ein Verkehrsmittel auf Schienen und damit NIE EIN MODERNER ÖPNV.
    Anderen Parteien wird regelmäßig die Ignoranz von Fakten vorgeworfen, hier werden offensichtlich sogar Naturgesetze ignoriert.....
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  • Lebenhan1965
    @ Marka

    Obendrein ist dieses Büschen zu langsam und steht in Schweinfurt im Stau mit den Autopendlern vor den Mainbrücken, dem klassischen Flaschenhals auf dem Weg nach Schweinfurt.

    Wer würde da jemals umsteigen?
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  • sgeorgm
    Gutes Interview mit kritischen Fragen aber auch verständlichen Antworten. Wir können froh sein über eine solch engagierte Abgeordnete!
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  • osollner@yahoo.de
    Wie lange träumt diese Frau noch diesen Schwachsinn.
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  • Lebenhan1965
    Also auch Fr. Weisgerber

    ist gegen eine vernünftige Anbindung von Gerolzhofen nach Schweinfurt.

    Dieser seltsame autonom fahrende Minibus kann das Pendlerproblem nicht lösen. Die Menschen aus dem Steigerwald werden weiterhin mit dem Auto zur Arbeit fahren müssen und das ist offensichtlich und deutlich von der CSU (sichtbar gesteuert von der Autolobby) so gewollt.

    Vernünftige zukunftsfähige Energiepolitik sieht eindeutig anders aus, als das was die CSU hier propagiert.
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