Deutschland, so schreibt der Deutsche Wetterdienst (DWD) in einer Pressemitteilung vom 30. Dezember 2022, hätte ein "außergewöhnliches Wetterjahr" erlebt. Bereits seit Juni war es außergewöhnlich warm, sehr trocken und überaus sonnenscheinreich. Im August wurde es in Unterfranken sogar "extrem trocken", so die Analyse des DWD.
In der Berichterstattung dieser Redaktion zeigt sich: Der Klimawandel und die Reaktionen darauf spielen auch im Landkreis Haßberge eine immer größere Rolle. Ein Rückblick auf einige der großen Klima-Themen in der Region im vergangenen Jahr:
Februar: Orkantief "Ylenia" – tragische Erinnerungen kehren zurück
Die Ankündigung des Deutschen Wetterdienstes war nicht zu überhören, und die Sturmfluten im Vorjahr hatten angedeutet, welche Gewalt ein solcher Orkan in sich bergen kann. Der Schreck über das Unheilpotential solcher Wetterkapriolen steckte vielen Bürgerinnen und Bürgern noch in den Gliedern, doch Ylenia war vergleichsweise harmlos: ein umgestürzter Baum bei Maroldsweisach, entwurzelte beziehungsweise abgeknickte Bäume bei Ermershausen, Bundorf, Kurzewind bei Ebern und Weisbrunn bei Eltmann. Bei Dankenfeld stürzte ein massiver Baum auf die Fahrbahn, eine Autofahrerin konnte nicht mehr bremsen und fuhr dagegen, blieb jedoch unverletzt. In Eltmann fielen zwei Bäume auf eine Stromleitung und standen danach in Flammen.
Auf Ylenia folgten Zeynep und Antonia. Innerhalb von fünf Tagen fegten drei Stürme über Unterfranken hinweg. Der Bayerische Rundfunk berichtete am 26. Februar 2022: "Die Abschwächung des Jetstreams könnte bedeuten, dass nicht einzelne Stürme häufiger und heftiger werden, sondern dass es vermehrt zu solchen Sturmserien kommt."
Juni: Wasser wird knapp, Vogeltränken sollen Leben retten
Der Kreisverband für Gartenkultur und Landespflege Haßberge wies darauf hin, dass in der Region das Oberflächenwasser knapp werde. Vögel, Insekten und Kleinsäuger drohten zu verdursten. "Es gibt einfach zu wenige Pfützen, wasserführende Gräben und Wasserstellen im Dorf", zeigte sich Kreisfachberater Guntram Ulsamer besorgt und bat um das Aufstellen von Vogeltränken.
Bereits zuvor hatte der Kreisverband mit der Kür der Pflanze des Jahres 2022 überrascht: "Sanddorn zählt zu den sogenannten Klimabäumen." Er habe den Ruf, mit Hitzeperioden, trockenen Böden und Spätfrösten vergleichsweise gut zurechtzukommen, und könnte daher in der Region mittelfristig heimisch werden.
Ulsamer behielt auch recht mit seiner Prognose trockener Böden, so manche Gartenbesitzerinnen und -besitzer sehnten sich nach Wasserquellen, um dem Ausdörren seiner Rasenflächen nicht untätig zuschauen zu müssen. Am 21. Juli wies das Landratsamt deshalb auf das grundsätzliche Wasserentnahmeverbot aus Bächen und Flüssen hin.
Juli: Trockenheit und Hitze zwingen Landwirte zu frühzeitiger Weizenernte
Trockenheit, in Kombination mit Tagestemperaturen bis 38 Grad, führten in der Landwirtschaft zu einer Verschiebung der Erntezeit für Weizen, die hohen Temperaturen vereitelten ein weiteres Reifen der Pflanzen. Ernteausfälle von 30 Prozent standen im Raum. "Die Wetterextreme werden zunehmen, weil die Klimaerwärmung immer weiter voranschreitet", sagte Biolandwirt und Grünen-Politiker Hans Dünninger aus Goßmannsdorf. Zwar versuchten viele Bäuerinnen und Bauern, der Hitze und Trockenheit mithilfe von Bodenbearbeitung, Betriebsmanagement oder neuer Technik entgegenzuwirken, "aber auch diese Maßnahmen werden Ernteverluste nicht verhindern können".
Juli: Spatenstich für Bürgersolarpark in Sand am Main und Energiewende
Mit Blick auf den Klimawandel wurde bereits 2011 unter Federführung des Landkreises Haßberge die Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Technologieprojekte im Landkreis Haßberge (GUT Haßberge) gegründet, laut Landrat Wilhelm Schneider (CSU) eine "Weichenstellung zur Klimaneutralität". Im Sommer 2022 fand nun der Spatenstich für den Bürgersolarpark in Sand statt. Rund 17.900 Solarmodule liefern laut GUT-Geschäftsführer Marco Siller "umweltfreundlichen Strom für die Region", Ortsansässige erhielten die Möglichkeit einer finanziellen Beteiligung.
August: Regierung von Unterfranken schlägt Alarm: Wassersparen ist das Gebot der Stunde
"Flächendeckend", so eine Pressemitteilung der Regierung von Unterfranken, "sind an den Flüssen und Bächen niedrige bis sehr niedrige Abflüsse zu verzeichnen. Teile von kleineren Bächen sind bereits trockengefallen." In Unterfranken fehlten seit 2003 über 350 Millimeter Grundwasserneubildung, was einer Menge von mindestens drei Jahren entspreche. Der Main sei schon lange abhängig von Wasserzufuhr aus dem Süden Bayerns, aktuell erhalte er pro Sekunde 13 Kubikmeter Wasser aus dem Roth- und dem Brombachsee.
August: Flammenmeer zwischen Haßfurt und Augsfeld
Anhaltende Hitze, verdorrtes Gras und ausgetrocknete Böden forderten ihren Tribut: In einer einzigen Nacht fiel eine ehemalige Blühwiese zwischen Augsfeld und Haßfurt den Flammen zum Opfer, bis zu zwei Meter hohe Flammen nährten sich auf 7000 Quadratmetern von der ausgetrockneten Biomasse. Zeitgleich brannte zwischen Bühl und Bramberg ein großer Haufen Hackschnitzel.
August: Haustiere und Weidetiere im Hitzestress
Ellen Schindler, Tierärztin mit Praxis in Fabrikschleichach, wies auf Probleme hin, denen Haustiere in der andauernden Hitze ausgesetzt seien: "Haustiere wie Hund, Katze und Hamster haben im Gegensatz zu uns keine Schweißdrüsen. Zur Regulation ihrer Körpertemperatur hecheln sie, vermeiden die pralle Sonne und nehmen regelmäßig Flüssigkeit auf." Dr. Simone Nowak, Leiterin des Veterinäramtes im Landratsamt, appellierte mit Blick auf Haustiere und Weidetiere eindringlich: "Schattige Plätze, ausreichend Wasser, jeden Hinweis auf Verstöße melden!"
September: Landratsamt verkündet Badeverbot im Kleidersee Augsfeld
Blaualgen besiegelten ein Badeverbot im Kleidersee. Sie sind, so das Landratsamt, große Ansammlungen an Cyanobakterien, von denen einige giftige Stoffe bilden können. Sie entstehen im Sommer bei hohen Wassertemperaturen und kommen vor allem in nährstoffreichen Gewässern vor. Tödlich war das auch für viele Fische, denen die Algen nicht genug Sauerstoff im Wasser übrig lassen.
September: Vorzeitiger Blattabwurf in den Wäldern
Daniel Steuer, stellvertretender Forstbetriebsleiter bei den Bayerischen Staatsforsten in Ebrach, sprach von einem Wandel der Baumarten im Steigerwald: der Oberboden, das ist die durchwurzelbare Schicht im Waldboden, trockne aktuell mehr und mehr aus, viele Bäume seien gezwungen, ihre Wasserzufuhr zu drosseln. Dies führe zu lichten Baumkronen und Blattgrün auf dem Waldboden. Besser als Buchen stünden die Eichen und die Tannen da. Diplom-Forstwirt Hans Stark, Leiter des Universitätsforstamtes Sailershausen, sprach von Akzenten, die der Klimawandel setzte: die Fichte habe ausgedient, Zukunft hätten Elsbeere und Speierling. Wasserzurückhaltung sei Gebot der Zeit, ebenfalls ein Totholzkonzept und die Wertschätzung von Biotopbäumen.
Oktober: Unverpacktladen in Neubrunn – regional und saisonal statt global
Eigeninitiative in Zeiten von Klimawandel und Naturzerstörung zeigen drei Damen in Neubrunn. "Eine gesunde und respektvolle Lebensweise vorleben und so sensibilisieren für einen achtsamen Umgang mit sich und der Natur", plante Anette Wibke und eröffnete gemeinsam mit Susanne Heckelmann und Anja Stretz den Unverpackladen "Schusderra". Sie kooperieren mit lokalen Anbietern, und bei der Ware handele es sich um regionale, saisonale und biologische Lebensmittel "zu fairen Preisen". Auch in Hofheim eröffnete in der ersten Hälfte des Jahres ein Unverpacktladen.
November: Kirchen sollen kalt bleiben
"Klimapolitik ist Menschenrechtspolitik", erklärte Dekan Dr. Christian Lutz gegenüber der Redaktion und unterstrich damit das Ansinnen, die Beheizung der Gotteshäuser in den anstehenden Wintermonaten weitestgehend herunterzuschrauben: "Alles ist finanziell durchorganisiert, und dementsprechend hat uns mittelbar tatsächlich der Kostendruck zum Handeln getrieben."
Doch Geld dürfe nie die ultimative Triebfeder sein, nie Grund, den ethischen Anspruch hintenanzustellen. Dieser sei die Ehrfurcht vor der Schöpfung Gottes und der verantwortungsbewusste Umgang mit der Erde. Denn: "Genau das wurde der Glaubensgemeinschaft ans Herz gelegt." Und hierzu gehöre ganz wesentlich der Klimaschutz, als Bewahrung des Lebensraumes: Mit Sorge beobachte er die Verflechtung von Wirtschaft und Politik, die einem zügigen Ausstieg aus Öl und Gas im Wege stünde.
November: Regionalwerk – Klimaneutralität bis 2030
Bis 2030 soll der Landkreis klimaneutral werden und Strom und Wärmebedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien erzeugen. Dieses Ziel verkündete Marco Siller, Geschäftsführer der GUT, im November und erläuterte konkrete Pläne: bis Ende 2023 soll ein Regionalwerk gegründet werden, dessen Aufgabe es sei, die kommunale Wertschöpfung zu stärken und angemessen auf Herausforderungen wie den Klimawandel zu reagieren. Investitionen sollten in die Heimatregion fließen.
Dezember 2022: Hochwassergefahr und Hochwasserschutz in Theres und Kirchaich
Die Gemeinde Theres unterstützt private Hochwassereigenvorsorge an bestehenden Gebäuden mit bis zu 20 Prozent. 75 Prozent Förderung für Schutzmaßnahmen wurden der Gemeinde zuvor vom Wasserwirtschaftsamt im Rahmen des Förderprogramms "Konzept zum Sturzflutmanagement" infolge der Schäden des Starkregens im Juli 2021 in Aussicht gestellt. In Kirchaich, so vermeldete Oberaurachs Bürgermeister Thomas Sechser, kann der Bau von Hochwasserschutzmaßnahmen demnächst starten.