Trotz Höchsttemperaturen von bis zu 38 Grad müssen Landwirt Dieter Reisenweber aus Untermerzbach und seine Mitarbeiter aufs Feld, um den Weizen zu ernten. Viel früher als geplant, denn normalerweise werden die Mähdrescher erst Ende Juli gestartet. Es herrscht Zeitdruck. Der Weizen müsse nun schnell geerntet werden, sonst werde das Korn noch trockener. Grund dafür ist die Hitze der vergangenen Tage. "Wenn der Weizen Hitze abbekommt, reift er ab", erklärt Reisenweber, der außerdem stellvertretender Kreisobmann des Bayerischen Bauerverbandes Haßberge ist, im Gespräch mit der Redaktion. "Bis 30 Grad wächst der Weizen noch weiter, aber ab 33 oder 34 Grad ist Schluss, dann lagert er nur noch in der Pflanze um." Die Folgen: Geringe Ernteerträge sowie finanzielle Einbußen bei den Landwirten, die wiederum zu steigenden Lebensmittelpreisen führen.
Es ist nicht das erste Jahr, in dem die Landwirte im Landkreis Haßberge mit den klimatischen Bedingungen zu kämpfen haben. "Letztes Jahr war die Weizenernte normal", berichtet Hans Dünninger vom Demeterhof Dünninger in Goßmannsdorf, "doch die Jahre davor waren schwierig, da hatten wir drei Mal in Folge eine trockengeschädigte Ernte." Auch bei der diesjährigen Ernte fällt das Fazit der Landwirte wenig optimistisch aus. Was bedeutet das für die Landwirte, aber auch die Menschen im Landkreis Haßberge? Wie können die Bauern jetzt reagieren?
Circa 30 Prozent Ernteeinbußen beim Weizen im Landkreis Haßberge
Sowohl Reisenweber als auch sein Kollege Dünninger gehen von circa 30 Prozent weniger Ertrag als im Vorjahr aus. Noch verheerender schätzt Klaus Merkel (Mariaburghausen), bis vor kurzem Kreisobermann des Bayerischen Bauernverbandes im Landkreis Haßberge, die Lage ein. "Die fehlenden Niederschläge im Mai und Juni sorgen vor allem auf leichten, schwächeren Böden, die keine große Wasserkapazität haben, für geringere Erträge." Das führe wiederum zu deutlichen Einbußen bei der Ernte. "In einzelnen Fällen habe ich von Kollegen schon gehört, dass es sich gar nicht lohnt, mit dem Mähdrescher aufs Feld zu fahren, weil man nicht einmal die Hälfte von einem normalen Jahr erntet."
Egal, wie hoch die Verluste regional nach Abschluss der Weizenernte konkret sind, einen geringeren Ertrag aufgrund der extremen Hitze und Trockenheit, prognostizieren alle Landwirte im Gespräch. Dabei gebe es auch keinen Unterschied zwischen konventioneller Landwirtschaft und Bio-Landwirtschaft. "Jeder Betrieb wird Verluste einfahren", so Bio-Bauer Dünninger, der mit Sorge in die Zukunft blickt. Er rechne nicht nur mit Verlusten bei der Weizenernte, sondern bei den angebauten Sonderfrüchten (beispielsweise Senf oder Sojabohnen) könne es sogar zu einem Totalausfall kommen. "Große Angst habe ich auch vor einem Ausfall der Maisernte," fügt er noch hinzu, "denn auch Mais trifft die Trockenheit besonders hart."
Lebensmittelpreise werden weiter steigen
Bewohner und Bewohnerinnen des Landkreises müssten sich jedoch bezüglich der Lebensmittelversorgung keine Sorgen machen. "Wir werden es nur über steigende Preise merken", schätzt Dieter Reisenweber die Lage ein, schlimmstenfalls "müssen wir auf andere Produkte ausweichen, ähnlich wie kürzlich beim Sonnenblumenöl." Dass die Versorgung hierzulande sichergestellt ist, da sind sich alle drei Landwirte einig, anders sehe es hingegen hinsichtlich der Weltbevölkerung aus. Dort decke die Weizenernte nicht mehr den Bedarf, sodass es in anderen Ländern zu einer Lebensmittelknappheit kommen könnte.
Kompensieren ließen sich die Ernteverluste, vor allem auch in finanzieller Hinsicht, nicht so einfach. Dafür seien die Erzeugerpreise, die sich auf dem Niveau der 50er bis 70er Jahre bewegten, noch deutlich zu niedrig und könnten laut Dünninger auch mithilfe von Mengensteigerungen und höherer Produktivität nicht ausgeglichen werden. Letzten Endes könne dem nur mit höheren Lebensmittelpreisen – unter anderem für Brötchen oder Nudeln – begegnet werden.
Extreme Wetterverhältnisse werden immer häufiger
Doch wie sehen die perfekten klimatischen Bedingungen für den Weizenanbau aus? Dazu bräuchte es laut Reisenweber im Mai und Juni Temperaturen unter 30 Grad und alle zwei Wochen Niederschlag. Hitzewellen gebe es in Deutschland zwar immer wieder, erklärt er, doch das Problem sind die zunehmenden, anhaltenden und in immer kürzeren Zeitabständen auftretenden Wetterextreme.
Dass sich das Problem in Zukunft noch verschärft, da ist sich Landwirt Dünninger sicher: "Die Wetterextreme werden zunehmen, weil die Klimaerwärmung immer weiter voranschreitet." Zwar versuchten viele Landwirte, der Hitze und Trockenheit mithilfe von Bodenbearbeitung, Betriebsmanagement oder neuer Technik, wie beispielsweise kameragesteuerte Hackgeräte und Striegel, entgegenzuwirken, aber auch diese Maßnahmen werden Ernteverluste nicht verhindern können, so sein Fazit.
Vielmehr müsse die Politik den Klimawandel endlich ernst nehmen. "Was ich bisher von der aktuellen Regierung höre, sind nur irgendwelche politischen Schauspielereien", zeigt sich beispielsweise Klaus Merkel, der auch für die CSU im Kreistag sitzt, verärgert. "Es wird davon geredet, was man in drei, vier oder fünf Jahren tun kann." Und weiter: "Es ist jetzt das Handeln geboten."
Die Situation in der Landwirtschaft ist "äußerst prekär"
Allgemein sei die Situation in der Landwirtschaft äußerst prekär und der Frust unter Landwirten groß. "Die Ausgaben haben sich verdoppelt, teilweise verdreifacht", teilt Dünninger mit, "die Schere zwischen Einkommen und Ausgaben klafft weit auseinander." Einig seien sich die befragten Bauern darin, dass die immer neuen Auflagen von Seiten der Regierung und der EU ihre Arbeit zusätzlich erschwere.
Viel wichtiger wäre eine "sinnvolle Landwirtschaft", so der Bio-Landwirt, der auch Kreisrat bei den Grünen ist, doch "die Politik reagiert mit generellen Maßnahmen, ohne Rücksicht auf die speziellen Bedürfnisse der Landschaften, deren Bodenverhältnisse, Niederschlagsmengen, Temperatur und den natürlichen Gegebenheiten vor Ort." Gesetze würden beispielsweise für alle EU-Länder erlassen, unabhängig davon, ob sie im Süden oder Norden liegen. Es brauche aber für Regionen wie die Haßberge, die besonders stark unter der Hitze leiden würden, eine individuelle Unterstützung.