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KITZINGEN
Hilferuf und Notfallplan für den Main: „Bei Temperaturen über 21 Grad wird es gefährlich“
Hitze in Veitshöchheim       -  Den Fischen im Main geht der Sauerstoff aus. Symbolfoto: Patty Varasano
Foto: Patty Varasano | Den Fischen im Main geht der Sauerstoff aus. Symbolfoto: Patty Varasano
Von Julia Volkamer
 |  aktualisiert: 24.09.2022 02:36 Uhr

Nicht nur die Menschen ächzen unter der Sommerhitze. Auch Flora und Fauna im Landkreis haben mit den hohen Temperaturen, der Trockenheit und den niedrigen Wasserständen zu kämpfen. Eine Zusammenfassung. Ein Hilferuf. Und ein Notfallplan.

So bittet die Regierung von Unterfranken schon seit Wochen darum, achtsam und sparsam mit Wasser umzugehen. Flächendeckend sind an den Flüssen und Bächen niedrige bis sehr niedrige Abflüsse zu verzeichnen. Teile von kleineren Bächen sind bereits trockengefallen.

Genauere Informationen dazu liefert der Niedrigwasser-Informationsdienst (NID) des Bayerischen Landesamt für Umwelt anhand aktueller Messwerte über die Situation der Fließgewässer, Seen und des Grundwassers. Auf der Basis der aktuellen Daten von rund 165 Abflusspegeln, 320 Niederschlagsmessstationen und 620 Grundwassermessstellen veröffentlicht die Behörde aktuell wöchentlich einen Lagebericht – und der malt, auch für die Gewässer im Landkreis Kitzingen, ein bedenkliches Bild.

Kein Sauerstoff im Main

Das muss Herbert Przybylla, der zuständige Kreisbeauftragte für Kitzingen im Fischereiverband Unterfranken, zu seinem Bedauern bestätigen. Er könne zwar derzeit aus gesundheitlichen Gründen nicht allzu nahe in Ufernähe gelangen, habe sich aber aus der Ferne sein Bild von der bedenklichen Situation machen können. „Mit der Überlegung, dass die Wasserentnahme untersagt werden soll, will man zwar entgegenwirken“, würde Przybylla auch diesen Schritt der Regierung befürworten. „Ich hoffe, dass er nicht zu spät kommt und wir ein Fischsterben verhindern können.“ Spätestens im Herbst, wenn die Algen im Main beginnen abzusterben, kein CO2 mehr binden und keinen Sauerstoff mehr produzieren, werde es so richtig kritisch.

Jetzt und dann geht es den Fischen, die im Bereich einer Stauhaltung mit entsprechend intensiverer Strömung stehen, besser als denen, die ihren Lebensraum im nahezu stehenden Wasser haben. Die Überlebenschancen seien aber auch artenabhängig. Eine Forelle, die über kleinere Fließgewässer im Main Einzug gehalten haben, brauche zum Beispiel bedeutend mehr Sauerstoff als ein Waller oder Karpfen. Sehr robust sei hingegen der Aal – bis zu einem gewissen Maß. „Bei Temperaturen über 21 Grad wird es gefährlich, bei 25 Grad ist es für viele Huchen, Äschen oder Forellen schon zu spät“, erklärt auch Prof. Dr.–Ing. Albert Göttle, Präsident des Landesfischereiverbands Bayern. „Ihr Stoffwechsel ist angegriffen, jeder zusätzlich Stress kann tödlich enden.“ Darum wirbt er bei den menschlichen Besuchern um erhöhte Rücksichtnahme. „Die Fische ziehen sich dorthin zurück, wo es noch kühler ist, also zum Beispiel an kalte Zuflüsse.“ Diese Ruhezonen für Fische zu betreten gelte es zu vermeiden, ebenso wie Bootstouren auf Flüssen und Bächen.

Einen weiteren Beitrag zum Schutz der Flora und Fauna am Fluss leistet der 2012 eingeführte „Notfallplan“: Im Landkreis Kitzingen regelt der „Alarmplan Main Gewässerökologie (AMÖ)“ nicht nur die Vorgehensweise bei Schadensereignissen oder Unfällen mit giftigen, wassergefährdeten Stoffen, sondern hat den Fokus auch auf die kritischen ökologischen Verhältnissen während anhaltender Wärme- und Trockenphasen gelegt. Die gibt es schließlich nicht nur immer häufiger, sondern sie dauern auch immer länger an – und haben das Abwasser als Hauptursache für Krisen in Gewässern abgelöst.

In solchen Zeiten sind die Stauhaltungen im Main dann Fluch und Segen zugleich: Kurzzeitig sorgen sie für mehr Strömung, reduzieren aber grundsätzlich die Fließgeschwindigkeit. Dadurch kann sich das Wasser stärker aufheizen – und die Pflanzen- und Tierwelt bedrohen. Auf Basis von Daten des NID, die wiederum anhand verschiedener Parameter wie Wassertemperatur, Sauerstoffgehalt und Abfluss, aber auch des Vorkommens der wirbellosen Kleinlebewesen, des Planktons sowie Hilfsparametern wie pH-Wert oder Chlorophyllgehalt bewertet wurden, setzen die Experten in den entsprechenden lokalen Behörden dann den „Alarmplan Main Gewässerökologie“ um. Mit verschiedenen Meldestufen steuert der AMÖ das Zusammenspiel der zuständigen Verwaltungsstellen und appelliert an ein angepasstes Verhalten der Anlieger – zum Beispiel der Kommunen mit ihren Kläranlagen oder der Industrie mit ihren Entnahmen und Einleitungen. Im AMÖ sind außerdem die Vorgehensweise und die Inhalte der öffentlichen Bekanntmachung bei wetterbedingt kritischen ökologischen Verhältnisse im Main verankert.

Jeder sollte seinen Beitrag leisten

Zentrale Meldestelle ist die Regierung von Unterfranken. Sie informiert alle betroffenen Verwaltungsstellen – Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Bayerisches Landesamt für Umwelt, Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt mit ihren nachgeordneten Behörden, alle Landratsämter und kreisfreien Städte Unterfrankens, die Regierungen und Bezirke von Unterfranken, Oberfranken und Mittelfranken, die Wasserwirtschaftsämter Aschaffenburg, Bad Kissingen, Ansbach, Nürnberg und Kronach, das Polizeipräsidium Unterfranken, die Regierungspräsidien in Hessen und Baden-Württemberg – sowie die Medien. Die Landratsämter informieren nach einem festgelegten Meldeplan alle Kommunen (Kläranlagen) und alle direkteinleitenden Industriebetriebe. Zudem ist es der Regierung vorbehalten, in die Rolle der Gewässeraufsicht zu schlüpfen und Maßnahmen zu ergreifen, Anordnungen zu treffen oder Erlaubnisse zu widerrufen – und die Wasserentnahme aus dem Main zu regeln.

Letztendlich sind aber alle gefragt, die Appelle und Hilferufe von Behörden und Verbänden zu beachten. „Angesichts der angespannten Situation sollte sich jeder seine Verantwortung für unsere Gewässer bewusst machen und seinen Beitrag leisten, um die Situation nicht noch weiter zu verschärfen“, schreibt die Regierung von Unterfranken. Denn der beste Notfallplan nützt nichts, wenn er nicht beachtet wird.

Notfallplan Gewässerschutz

NID Im Jahr 2008 führte das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz den Niedrigwasser-Informationsdienst ein. Die Daten und Karten bieten ein umfassendes Bild über die Situation des Wasserhaushalts in Bayern und bietet zum Beispiel der Regierung von Unterfranken die fachliche Grundlage für regulierende Maßnahmen wie zum Beispiel zusätzlicher Sauerstoffeintrag durch Turbinenbelüftung an Wasserkraftwerken, Verzicht auf Schlammräumungen und sauerstoffzehrende Baggerarbeiten. AMÖ Für das Monitoring, die Steuerung von Maßnahmen und den einheitlichen Vollzug der Behörden wurde 2012 der „Alarmplan Main Gewässerökologie“ erstellt. Er beschreibt, unter Berücksichtigung der Qualitätsziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und der neuen Oberflächengewässerverordnung (OGewV), verschiedene Meldestufen: „Vorwarnung“, die kritische Verhältnisse in Kürze erwarten lässt und Zusatzmessungen der Wasserwirtschaftsämter erforderlich macht; „Warnung“, die gewässerbiologisch kritische Verhältnisse darstellt; „Alarm“, die deutliche Beeinträchtigungen der Gewässerbiologie bis hin zu Fischsterben erwarten lässt. Der Main ist dabei in zwei Meldebereiche eingeteilt, die von der Landesgrenze nach Hessen bei Kahl am Main bis Würzburg und von Würzburg bis zum Main-Donau-Kanal bei Bamberg reichen. Verbot Die Regierung von Unterfranken ruft erneut zur besonders achtsamen und sparsamen Verwendung von Wasser auf. Seit 11. August ist außerdem die Wasserentnahme aus Gewässern zweiter und dritter Ordnung, also Flüssen, Bächen, Teichen und Seen vom Wasserwirtschaftsamt verboten. Zulässig ist nur noch die Entnahme mit Handschöpfgefäßen, wie Eimer oder Gießkannen. Der Main (als Gewässer erster Ordnung) ist aktuell noch vom Verbot ausgenommen. An allen anderen Wasserstellen gibt es aber immer wieder auch stichprobenartige Kontrollen, Hinweisen aus der Bevölkerung wird nachgegangen, bei Verstößen werden Strafen ausgesprochen. (dkdrö)
Hubert Przybylla, Kitzingens Kreisbeauftragter des Fischereiverbandes Unterfranken, sieht die Fische in Gefahr. Archivfoto: Daniela Röllinger
Foto: Daniela Röllinger | Hubert Przybylla, Kitzingens Kreisbeauftragter des Fischereiverbandes Unterfranken, sieht die Fische in Gefahr. Archivfoto: Daniela Röllinger
 
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