71 Prozent des Stroms und 26 Prozent des Wärmebedarfs werden im Landkreis Haßberge laut CSU-Kreistagsfraktion bereits regenerativ erzeugt. Doch das ist der Fraktion zu wenig: Bis 2030 soll der Landkreis klimaneutral werden und Strom und Wärmebedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien erzeugen. Um dieses Ziel zu erreichen, soll ein Regionalwerk gegründet werden, das Marco Siller, Geschäftsführer der GUT (Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Technologieprojekte im Landkreis Haßberge), am Freitag im Pfarrsaal in Hofheim vorstellte.
Laut Siller ist das Regionalwerk quasi ein "Stadtwerk" für die Kreisgemeinden. Es handelt sich um ein gemeinsames Unternehmen für die beteiligten Gemeinden und liegt vollständig in kommunaler Hand. Ziel sei die Stärkung der kommunalen Wertschöpfung. Herausforderungen wie Klimawandel, Digitalisierung, Sektorkopplung und Globalisierung zählen zu den Aufgaben. Investitionen sollen in die Heimatregion fließen. Kernthemen sind Wasserstoff, Netzausbau, Nahwärme, Speicher und gegebenenfalls Wasser.
Welche Funktionen übernimmt das Regionalwerk?
Das Regionalwerk tritt auch als Stromanbieter auf und will einen stabilen Strompreis garantieren, der dann bei grob geschätzten 40 Cent pro Kilowattstunden liegen soll, sagte Siller auf Nachfrage aus dem Publikum. Die Produktion von Wasserstoff soll den Industriestandort sichern. Die gemeinsame Energieerzeugung und -vertrieb seien die Grundlage der Finanzierung weiterer Themen, wie etwa die Wärmeversorgung. Zwölf Nahwärmekonzepte würden derzeit untersucht, unter anderem auch in Hofheim. 50 bis 100 Nahwärmenetze in den rund 250 Dörfern und Städten im Landkreis seien nötig, um das gesteckte Ziel bis 2030 zu erreichen.
Zum geplanten Nahwärmenetz in Hofheim ergänzte Bürgermeister Wolfgang Borst, dass dies bereits im Jahr 2012 geplant worden sei. Damals sei man mit einem Preis von 9,8 Cent pro Kilowattstunde gegenüber einem Gaspreis von 5,5 Cent nicht konkurrenzfähig gewesen. Nun sei geplant, fünf Megawatt in das Hofheimer Netz mit den vorhandenen Biogasanlagen einzuspeisen. Für Spitzenlasten soll Strom aus Hackschnitzeln die benötigte Energie liefern. Hierfür betreibe die Stadt bereits Energiewälder bei Ostheim und zwei bei Lendershausen.
Gründung bis Ende 2023
Bis Ende 2023 soll laut Siller das Regionalwerk gegründet werden. Ab dem 1. Januar 2024 soll ein eigener Regionalstromtarif angeboten werden. Ein Problem seien die Umspannwerke, die im Landkreis "voll" seien, so Siller. Die Bauzeit für ein neues Umspannwerk zur Einspeisung des grünen Stroms betrage laut Bayernwerk 44 Monate. Große Stromspeicher zu errichten sei nicht der richtige Ansatz und ein "Zuschussgeschäft", so Siller. Dies sei die Aufgabe der Netzbetreiber. Nachtspeicheröfen als Stromspeicher zu nutzen sei, mit Photovoltaik nicht möglich, beantwortete er eine Frage aus dem Publikum.
Landtagsabgeordneter Steffen Vogel regte an, Biomüll in Biogasanlagen zu liefern, um damit Strom zu erzeugen, wie es bereits in anderen Landkreisen geschieht. Photovoltaikanlagen könnten auch auf kreiseigenen Gebäuden oder großen Parkplätzen gebaut werden. Die Aufstellung von Windrädern im Steigerwald sei derzeit aufgrund der dortigen Natura 2000-Gebiete kaum möglich, sagte Landrat Wilhelm Schneider auf Nachfrage eines Bürgers. "Wir wollen das aber prüfen", schickte er hinterher.
Finanziert werden soll die Energiewende im Landkreis laut Siller hauptsächlich über Bürgerbeteiligung, wie es bereits in der BEG (Bürgerenergiegenossenschaft Haßberge) möglich ist. Die Warteliste dort sei "siebenstellig", sagte Siller.
Landkreis will zur Energiewende beitragen
Der Landkreis hat seine Hausaufgaben bereits gemacht. Mit einem Klimaschutzkonzept will er zur Energiewende beitragen. Als Maßnahmen sollen unter anderem die Möglichkeiten zur Errichtung von Solaranlagen auf allen kreiseigenen Gebäuden untersucht werden. Straßenränder sollen weniger häufig und intensiv gemäht werden, die Energieberatung soll intensiviert werden und Bäume gepflanzt werden, so Landrat Wilhelm Schneider.
Zur Zeitungsmeldung, dass der Notarztstandort Hofheim wegfalle, gab Steffen Vogel Entwarnung. Dies sei lediglich eine Anregung. Fakt sei jedoch, so Landrat Schneider, dass immer weniger Ärzte als Notärzte arbeiten wollen. Dies sei auch undenkbar für einen Allgemeinarzt, als Notarzt neben seinem Praxisalltag zu arbeiten, betonte Ärztin Barbara Goschenhofer.