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LESERANWALT
Achtung Missverständnis: In einer laufenden politischen Diskussion müssen Beteiligte nicht ständig gehört werden
KKW Grafenrheinfeld       -  KKG im Landkreis Schweinfurt
Foto: Silvia Gralla | KKG im Landkreis Schweinfurt
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 26.04.2023 23:46 Uhr
Leserzuschriften bringen es zuweilen an den Tag, wenn unzureichend argumentiert wurde. So habe ich vergangene Woche (29. Juni) hier unter der Überschrift, „Schwere Vorwürfe - Aber die Betroffenen sind nicht zu Wort gekommen", von einem Fall berichtet, in dem genau das passiert ist: Betroffene waren nicht gehört worden. Das war ein journalistisches Versäumnis. Die Überschrift (in der gedruckten Zeitung: "Wird Nachteiliges über eine Unternehmung verbreitet, müssen sich die Betroffenen dazu äußern können") und meine Erklärung haben zu einem Missverständnis geführt. Das zeigt eine Zuschrift.

Vorwurf: Einseitige Berichterstattung
Ein Leser sah sich nämlich wegen meiner Kolumne dazu bewogen, seine - wie er schreibt - "zwischenzeitlich feststehende Meinung", dass diese Zeitung die "Pressestelle der Anti-Kernkraft-Bürgerinitiativen und Vereine“ ist, noch einmal "mit mir zu diskutieren". Die Berichterstattung dieser Zeitung zur Abschaltung des KKG Grafenrheinfeld sei in den letzten Wochen sehr einseitig gewesen. Der Leser, das sei hinzugefügt, ist im KKW verantwortlich beschäftigt. Er spricht beispielhaft den Artikel von 29. Juni an, überschrieben mit " Kernkraftgegner: Historischer Tag". Darin sei eine Pressemitteilung von E.ON zur Abschaltung des KKW nur mit dem Hinweis auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung erwähnt. Inhalte der Mitteilung, wie  „Sicher bis zum letzten Tag“, seien nicht veröffentlicht worden.

Zweifel an journalistischer Neutralität
Und der Kritiker geht auch auf den Artikel „AKW-Gegner kritisieren Rathauschefin“ vom 26.06.2015 ein. Der war eine Reaktion von Gegnern auf Aussagen in einem zuvor veröffentlichten Interview mit der Bürgermeisterin. Jetzt stützt sich der Kritiker wohl auf meine Kolumne vom 29.6.: Angesichts der gegen sie nun erhobenen Vorwürfe hätte die Rathauschefin seiner Meinung nach in dem Artikel zu Wort kommen müssen. Zwei Beispiele, die bei dem Kritiker Zweifel an journalistischer gebotener Neutralität aufkommen lassen. 

Der Unterschied
Nun trete ich mit einer Erklärung in die gewünschte Diskussion ein: Da es sich bei den in meiner letzten Kolumne (26.6.) beschriebenen Vorwürfen, bzw. der Anzeige gegen die Wasserkraftwerks-Betreiber, um aktuell vorgebrachte neue Vorwürfe gegen diese Personen handelt, hinkt der Vergleich mit der KKW-Berichterstattung. Denn die Wasser-Kraftwerker waren zuvor kein Gegenstand einer medial zugänglichen Auseinandersetzung. Deshalb mussten die betroffenen Betreiber aktuell die Chance zu einer Stellungnahme bekommen. Anders ist das mit der KKW-Abschaltung. Daran ist nichts neu. Sie ist seit langem Gegenstand einer medialen Diskussion. Die meisten Argumente dazu sind ausgetauscht, aktuelle Vorwürfe gibt es nicht. Zuletzt ging es meist in der Berichterstattung um die Darstellung von Ereignissen. Aber bei laufenden politischen Diskussionen, die laufenden Berichterstattungen führen, ist es nicht mehr nötig, zu jeder Aussage sofort wieder ein Kontra einzuholen. Das ist die Erklärung für den Unterschied, der sich für Journalisten ergibt, wenn es um Betroffene oder um Beteiligte geht.

Über die Argumente wurde schon berichtet
Und so ist das im konkreten Fall: Die vom Kritiker genannte Pressemitteilung ist nach der Entscheidung der diensthabenden Redaktion deswegen nur relativ kurz im Blatt, weil sie in weiten Teilen inhaltlich dem entspricht, was E.ON-Kernkraft-Geschäftsführer Erwin Fischer und KKG-Chef Reinhold Scheuring, eine Woche zuvor bei einer Pressekonferenz (PK) in Grafenrheinfeld vorgetragen haben. Darüber wurde schon ausführlich berichtet. Ebenso sind die Infos verwendet worden für die ganzseitige Grafik am 27.6.. Einige der Argumente waren nicht neu und sind bereits davor und danach in Berichte eingeflossen. Hier die Links mit allen Informationen rund um die PK vom 19.06.15: Grafenrheinfeld-Rückbau kostet 1,2 Milliarden /  Atomausstieg startet in Franken / Dazu noch die folgenden ePaper https://www.mainpost.de/epaper/epa121294,26968, vgl. Seiten 9 und 32 / https://www.mainpost.de/epaper/epa121294,27076, vgl. Seiten 4 und 7

Außerdem wurde in einer unübersehbaren Serie über die Abschaltung eine Reihe von Themen separat aufgearbeitet: Die gesamte Baugeschichte, Summe der meldepflichtigen Ereignisse und der Einordnung, Folgen des Abschaltens und Rückbaus für die Belegschaft bis hin zu einer Reportage über die werkseigene Blaskapelle..... Dazu Links: Großprojekt Atommeiler /  Störfall ist nicht gleich Störfall  / Nach Aus: Keine Kündigungen im Atomkraftwerk / Und wir spielen weiter .

Eine laufende Diskussion
Die Bürgermeisterin Lutz hat ein ganzseitiges Interview gegeben, das als solches unwidersprochen veröffentlicht (20.06.15 / "Eine ganz normale Gemeinde") worden ist. Damit nimmt sie umfangreich an einer Diskussion von öffentlichem Interesse teil. Dass danach eine Erwiderung von Atomkraftgegnern folgt, die Frau Lutz in einigen Aussagen widersprechen, ist durchaus normal. Sie hätte ihrerseits wieder die Möglichkeit gehabt, erneut darauf zu reagieren. Das tat sie aber nicht. Bei einer laufenden politischen Diskussion bedarf es nicht der ständigen Nachfrage der Redaktion bei allen davon betroffenen Personen. Die wird in aufeinander folgenden Veröffentlichungen deutlich. Gelegentlich sollte der Sachstand redaktionell zusammengefasst werden. Ich meine, das ist in Sachen Atomausstieg hinreichend geschehen. Dabei ist das Ende noch nicht erreicht.

Ich hoffe damit, meine letzte Kolumne ausreichend ergänzt zu haben. 
Zu den unterschiedlichen Abkürzungen, die oft unterschiedlich eingesetzt werden.
AKW steht für Atomkraftwerk
KKW steht für Kernkraftwerk
KKG steht für Kernkraftwerk Grafenrheinfeld.
Gemeint ist jeweils die selbe Anlage. 

Anton Sahlender, Leseranwalt der Main-Post
Sprecher der Vereinigung der Medien-Ombudsleute (www.vdmo.de)
 
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