Die letzte Phase des Atomausstiegs startet in Unterfranken: Am Samstag, 27. Juni, stellt das Atomkraftwerk (AKW) Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) nach über 33 Jahren die Stromproduktion ein. Es ist der älteste deutsche Meiler, der nach dem Beschluss zur Energiewende 2011 weiterlaufen durfte. Und der erste der neun verbliebenen, der abschalten muss. Die letzten drei AKW sollen 2022 vom Netz gehen.
Die Betriebsgenehmigung für die unterfränkische Anlage gilt zwar noch bis Jahresende, dennoch hat Betreiber E.on entschieden, früher Schluss zu machen. Damit spart der Konzern Steuern in dreistelliger Millionenhöhe, die beim Einbau frischer Brennelemente angefallen wären. Aus wirtschaftlichen Erwägungen will E.on die vorhandenen Energieträger möglichst optimal ausnutzen – weswegen der ursprüngliche Abschalttermin vom 31. Mai um vier Wochen verschoben wurde. Als branchenüblich gelten pro Produktionstag eine Million Euro Gewinn.
Technisch einwandfreier Zustand
Trotz der Terminänderung haben am 31. Mai Tausende Atomkraftgegner auf dem Schweinfurter Marktplatz das bevorstehende Ende des Leistungsbetriebs in Grafenrheinfeld mit einem großen Fest begangen. Ein Umstand, der besonders der Werksleitung und den AKW-Beschäftigten sauer aufgestoßen ist. Technisch, so versichert Chef Reinhold Scheuring, sei die Anlage in einem sehr guten Zustand, was unter anderem an den Wartungen und Nachrüstungen mit einem Volumen von 600 Millionen Euro liege. Man könne das AKW problemlos über Jahre weiterlaufen lassen, sagt Scheuring. So hatte es der Entscheid der schwarz-gelben Regierung 2010 zur Laufzeitverlängerung auch vorgesehen: Grafenrheinfeld sollte bis 2029 Strom herstellen; die Fukushima-Katastrophe sorgte für die politische Umkehr.
Schneller Rückbau angestrebt
Ziel von E.on ist es nun, die Anlage möglichst schnell abzubauen, um den größten Teil des Personals halten und dessen Orts- und Sachkentnisse nutzen zu können. Die ersten Genehmigungsverfahren sind bereits angelaufen. Nach dem bisherigen Zeitplan sollen die nuklearen Teile bis 2027 ausgebaut sein. Sollten dann auch die Gebäude abgerissen werden, ist das Atomkraftwerk 2033 vollends verschwunden.
Auch die Schweinfurter Atomkraftgegner plädieren für den schnellen Rückbau, damit die Anlage nicht wieder angefahren werden kann, sollte ein neuer politischer Umschwung kommen.
Zunächst aber wird der Betrieb auf dem Gelände nahezu unverändert weiterlaufen. Denn die zuletzt genutzten Brennelemente müssen im Reaktorbehälter noch vier bis fünf Jahre gekühlt werden, bevor sie herausgeholt werden können. Einzig nach außen sichtbares Zeichen des Atomendes in Grafenrheinfeld sind die Dampfschwaden aus den Kühltürmen, die ab 28. Juni für immer verschwunden sein werden.
So wird das AKW Grafenrheinfeld abgeschaltet
Technisch gesehen kann man ein Atomkraftwerk nicht abschalten, wie man einen Lichtschalter ausknipst. Sondern es wird lediglich die nukleare Kettenreaktion unterbrochen, indem Steuerstäbe in die Brennelemente eingefahren werden, die Neutronen absorbieren und die Kernspaltung stoppen. Im Reaktor entsteht aber weiter Wärme, die abgeführt werden muss. Die Abschaltung beginnt damit, dass der Generator vom Netz genommen wird und seine Arbeit einstellt. Das dauert etwa fünf Stunden. Dann wird die Kettenreaktion unterbrochen. In den nächsten Stunden kühlt sich der 300 Grad heiße Primärkreislauf auf 50 Grad ab.
Wenn dort auch der Druck abgesenkt wird, kann man den Deckel des Reaktordruckgefäßes abnehmen, das komplett von Wasser umgeben ist. Der Kühlprozess muss weiterlaufen, weil die Brennelemente noch enorme Hitze abgeben, die ansonsten die Brennstäbe zerstören und Radioaktivität freisetzen würden. Einige Wochen nach dem Herunterfahren werden die 193 Brennelemente aus dem Druckgefäß unter Wasser ins angrenzende Nasslager gehievt. Dort kühlen die Brennstäbe etwa vier bis fünf Jahre lang auf 400 bis 500 Grad ab. Erst dann haben sie einen Wärmegrad erreicht, der es erlaubt, sie in Castoren zu verpacken und im Zwischenlager auf dem Kraftwerksgelände zu parken. Frühestens dann kann der Rückbau im nuklearen Teil des Atomkraftwerks, dem sogenannten „Kontrollbereich“, beginnen. Quellen: E.on / Text: mjs