Am Samstag um 23 Uhr, 59 Minuten und 46 Sekunden hat Schweinfurts Bund-Naturschutz-Vorsitzender Edo Günther mit dem Countdown begonnen: „14, 13 ...“ Bei zehn stimmten die rund 70 Atomkraftgegner auf der Wiese am Wegkreuz vor dem Kernkraftwerk in Grafenrheinfeld mit ein: „9, 8, 7 ...“ Die letzten Wunderkerzen wurden entzündet, ein Sektkorken knallte. „3, 2, 1“, die „Null“ ging im Jubel unter.
Die Dampfschwaden über den Kühltürmen waren noch gut sichtbar. Man wusste auch nicht, ob E.ON tatsächlich um Mitternacht abgeschaltet hatte, was der Fall war. Das Unternehmen meldete das am Sonntag um 10.31 Uhr. Wasserdampf stieg da schon keiner mehr in den blauen Himmel. Der Antiatomkraftbewegung war's in der Nacht zuvor aber egal – sie feierte. „So ein Tag, so wunderschön wie heute“, intonierte eine Gruppe. Aus einer anderen Ecke kamen die bekannten Rufe „Abschalten, abschalten“, schnell ergänzt um das Wort „alle“: Grafenrheinfeld war ja „endlich vom Netz, ein Traum hat sich erfüllt“, rief der Grünen-Kreisrat Walter Rachle, ein Sektglas in der Hand.
Zu einem Picknick hatte das Schweinfurt Aktionsbündnis gegen Atomkraft zum bewährten Protestplatz am Wegkreuz eingeladen. Zum offiziellen Start um 20.30 Uhr waren allerdings mehr Journalisten als Kernkraftgegner da. Radiosender, Fernsehteams, Print- und Onlinekollegen.
Gegen 21 Uhr waren mit rund 50 AKW-Gegnern dann genügend Interviewpartner da. Darunter die von den Demonstrationen und Mahnwachen bekannten einheimischen Gesichter, aber auch viele AKW-Gegner aus Bamberg, Kitzingen, Würzburg, Hessen und der Aktivist Wolfgang Müller von der Antiaktionsgruppe aus Bad Steben. Er war mit seinem mit „Giftfässern“ beladenen Lkw aus dem Frankenwald gekommen und bekam für seine Persiflage über die britischen Atomlobby viel Applaus.
„Heute freut mich aber, dass Grafenrheinfeld vom Netz geht“, rief er und schob wegen des bleibenden Zwischenlagers und der ungelösten Endlagerung nach: „Unsere Kinder werden uns verfluchen.“
Das entsprach dem Tenor aller „Interviews“: Heute freuen wir uns, aber der Rückbau und das Castoren-lager mit all seinen Gefahren, kein Endlager in Sicht, das macht Ängste. „Es gibt keine Lösung beim Umgang mit dem Atommüll“, sagte die Sprecherin des Atombündnisses, Babs Günther. Das sei eine schwere Last für die kommenden Generationen. Den „Übergang des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld in den Niedrigleistungsbetrieb“ bezeichnete sie dennoch als „historischen Tag“.
Am Sonntagnachmittag veranstaltete die Schweinfurter Bürgeraktion gegen Atomanlagen (BA-BI) wie gewohnt am letzten Sonntag eines Monats eine Andacht am AKW. Diese Andachten gibt es seit 1987. Und sie werden fortgesetzt, sagten BA-BI-Vorsitzender Hubert Lutz und Maria Mündlein, die sie seit 20 Jahren organisiert. „Die Gefahr durch den Atommüll bleibt“, sagte Diakon Andreas Grell von St. Johannis Schweinfurt vor 60 Teilnehmern.
Es waren etwa 20, in Worten, zwanzig!
War wohl zu wenig?
Zumindest für die Mainpost....
The german energiewende.