Sehr geehrter Herr Cai,
vor drei Monaten saßen wir uns beim Interview gegenüber, Sie als CEO von Preh, ich als Journalistin der Main-Post. Schon damals waren Preh-ler in Kurzarbeit, die Lage bei Bad Neustadts großem Automobilzulieferer angespannt, Ihre Aussagen überraschend klar.
Vor elf Tagen gaben Sie bekannt, was ich in dieser Vehemenz nicht erwartetet hätte: Am Hauptsitz Bad Neustadt sollen bei Preh 420 der 1700 Arbeitsplätze abgebaut werden, also rund jeder vierte Preh-ler. Seither denke ich immer wieder an unser Gespräch.
Ihre freundliche Entschlossenheit hat mich erschreckt, Herr Cai!
Ich habe sie als angenehmen Gesprächspartner wahrgenommen: zugewandt, scharfsinnig. In weniger als einer Stunde war alles gesagt: Sie benannten den Kostendruck als zentrale Herausforderung, stellten kurzfristig harte Zeiten in Aussicht und kündigten an, besonders in Bad Neustadt die Effizienz steigern zu müssen.
Es war ein warmer Märztag. Mir schauderte dennoch auf dem Heimweg. Als Prehs Hauptaufgabe hatten sie "das globale Wachstum" des Unternehmens identifiziert. Als Lokalredakteurin mit Fokus auf Wohl und Wehe dieser Region schwante mir Böses. "Alles, was dazu beiträgt, werden wir umsetzen", hatten Sie gesagt. Ihre freundliche Entschlossenheit hat mich erschreckt. Zurecht?
Drei Monate später ist die Belegschaft in Bad Neustadt in Aufruhr. Zahlreiche Beschäftigte fürchten um ihren Arbeitsplatz, berichten vom "Gefühl, auf dem Schleudersitz zu sitzen", "in der Schwebe" zu hängen.
Über schlaflose Nächte: Kämpfen Sie manchmal mit Ihren Entscheidungen zur Zukunft von Preh?
Es gab eine erste Protestaktion gegen Ihre Abbaupläne. Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann erzählte öffentlich von schlaflosen Nächten. Es steht mir nicht zu, Sie zu fragen, wie Sie schlafen. Was mich aber doch interessieren würde: Kämpfen Sie manchmal mit Ihren Entscheidungen?
Durch meinen Hinterkopf geistern all die Preh-Erfolgsstorys: Rekordumsatz, größter Einzelauftrag, dynamisches Unternehmens-Wachstum, das 2011, mit der Übernahme durch die chinesische Joyson-Gruppe, seinen Anfang nahm: Die Umsätze stiegen von 351 Millionen Euro 2010 auf 1,69 Milliarden im Jahr 2023.
Offenbar zu wenig! Prehs Umsatzziel wurde "deutlich verfehlt", betonten sie jüngst. Seit fünf Jahren gebe es Verluste am Standort Bad Neustadt. Dass der Abbau von 420 Arbeitsplätzen die Antwort sein soll, stimmt bitter. Kleines Trostpflaster von Unternehmensseite: Bad Neustadt soll auch künftig Headquarter bleiben. Eine Zuschreibung, die Hoffnung macht. Herr Cai, wie wird sie mit Leben gefüllt?
Auch Sie sind ein Preh-ler: Nutzen Sie die Gunst der Stunde!
2011, nach der Preh-Übernahme, präsentierte sich Joyson-Gründer Jeff Wang der Bad Neustädter Belegschaft mit den Worten: "Ich bin ein Preh-ler." Je länger ich nachdenke, Herr Cai, umso hoffnungsvoller werde ich: Auch Sie sind nach 13 Jahren Preh-ler!
Was das ist? Sie wissen es längst: Ein Preh-ler ist Teil der oft beschworenen Preh-Familie. Denken Sie an die zahlreichen Mitarbeiter mit langen Betriebszugehörigkeiten, teils über Familien-Generationen hinweg. Nur: Wie geht es einer Familie, wenn von Vieren im Bunde einer gehen muss?
Der Moment, als Preh-CEO Charlie Cai ratlos wirkte
Ein Preh-ler hat Pioniergeist: nah dran am Problem, nah dran an der Lösung. Vielleicht, Herr Cai, ist das Ihr Moment. In der über 100-jährigen Geschichte des Unternehmens gab es viele Heldenfiguren, immer wieder haben sie das Unternehmen neu erfunden. Wie werden Sie in die Preh-Geschichte eingehen?
Zurück zum Interview, zu einem Moment, in dem sie kurz ratlos wirkten: Ich hatte nach Stellschrauben gefragt, die die Situation Ihres Unternehmens verbessern könnten. Sie berichteten von der Entscheidung, die Produktion des größten Einzelauftrags der Preh-Geschichte in Bad Neustadt anzusiedeln, und ihrem Versuch, mit der Politik zwecks Förderung oder Steuervergünstigung für die enorme Anfangsinvestition ins Gespräch zu kommen. "Doch man konnte uns nichts anbieten" – Ihr ungläubiger Blick!
Die Unterstützung, die für Preh damals fehlte – aktuell ist sie vielleicht da
Herr Cai, die Unterstützung, die damals fehlte – es scheint, sie ist heute da. Zumindest die Aufmerksamkeit von Politik, Medien und Gesellschaft ist Ihnen aktuell sicher. Machen Sie was draus! Andere Unternehmen schielen auf Preh. Weisen Sie den Weg! Die Work-Life-Balance, die Sie irritierte? Ich fürchte, auch Ihre Belegschaft hat erkannt, dass es inzwischen um deutlich mehr geht. Offener als jetzt werden aller Ohren vermutlich nie sein.
Am Donnerstag, 27. Juni, findet eine Main-Post-Diskussion rund um die wirtschaftliche Lage in der Rhön in der Bad Neustädter Stadthalle statt, an der auch ihr CFO Guntram Nöth teilnimmt. Vielleicht sehen wir uns im Publikum?
Beste Grüße,
Ines Renninger, Redakteurin