Angesichts des angekündigten Abbaus von 420 Arbeitsplätzen beim Automobilzulieferer Preh plant Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) einen Besuch in Bad Neustadt. Ziel des Besuches sei es, neue Chancen für die betroffenen Beschäftigten und die Wirtschaftsregion zu suchen, heißt es in einer Pressemitteilung. Ein konkreter Termin stehe noch nicht fest, so ein Sprecher des Ministeriums auf Rückfrage dieser Redaktion.
"Mit Landrat Thomas Habermann bin ich schon im Kontakt", wird Hubert Aiwanger in der Pressemitteilung zitiert. "Es ist gut für die Belegschaft von Preh, dass der Arbeitsplatzabbau sozialverträglich ist, aber es ist schlecht für die Region, wenn Arbeitsplätze für immer verschwinden, und das bei einem seit 100 Jahren ansässigen Betrieb. Wir bieten Hilfen für Unternehmen und Förderung zur Erforschung und Entwicklung neuer Produktlinien." Ziel sei nicht nur, die Hauptverwaltung und das Entwicklungszentrum zu halten, sondern auch die industriellen Strukturen und einschlägigen Fertigungs-Know-hows im Landkreis Rhön-Grabfeld zu sichern.
Angesichts der Abbaupläne übt Aiwanger Kritik an der Bundesregierung: "Der Arbeitsplatzabbau von Preh verstärkt die Probleme in der Region, diese Fälle häufen sich." Es sei ein fatales Signal, wenn nun ein Hersteller von Bauteilen für Elektroautos Mitarbeiter entlassen müsse. "Wir brauchen einen besser abgestimmten Weg zur CO₂-Reduzierung im Verkehrsbereich, als ihn der Bund einschlägt", wird Aiwanger weiter zitiert. Die Nachfrage nach E-Autos sei mit dem abrupten Ende der Förderung eingebrochen. Die Zulieferbranchen bräuchten dringend neue Perspektiven und mehr Planungssicherheit. Ohne bessere Rahmenbedingungen und geringere Kosten würden die Produktionsbetriebe nicht überleben.
Gewerkschafter Thomas Höhn kritisiert die Politik
Kritik bekamen bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Schweinfurt, bei der neben IG Metallvertretern auch Betriebsräte von Preh, ZF Friedrichshafen, Schaeffler und SKF anwesend oder zugeschaltet waren, alle Parteien ab. Laut Thomas Höhn, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Schweinfurt, seien bisherige Zusammenkünfte mit Vertretern der verschiedenen Parteien "eher wenig konstruktiv" gewesen. Es gebe Absichtserklärungen, sich um die Region zu bemühen, aber "bis zum heutigen Tage haben wir da noch nichts Konkretes gehört", sagt er.
Bei einem Zusammentreffen vor wenigen Wochen bei der IHK Schweinfurt sei laut Höhn Aiwangers Botschaft gewesen, dass "die Politik" zu viel Elektromobilität priorisiert hätte. Es bräuchte Technologieoffenheit und der Verbraucher müsste mehr in den Blick genommen werden. Der Gewerkschafter verweist mit Blick auf Preh und ZF Friedrichshafen darauf, dass man sehe, was passiert, wenn sich der Staat zurückziehe und Elektromobilität keine Priorität mehr hat, obwohl man jahrelang darauf gesetzt hat. "Schlingerkurs" sei darauf keine gute Antwort, aber eben momentan die von Hubert Aiwanger, kritisiert er.
Höhn hebt Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann hervor, mit dem es eine lange Historie gebe, die zeige, "was möglich ist." Als 2010 Siemens in Bad Neustadt die Verschiebung von einem großen Teil der Fertigung angekündigt hatte, habe man gesehen, dass es sehr wohl möglich ist, Strukturpolitik zu machen. Es zeige, dass ein aktiver – in dem Fall – Landrat auch etwas bewegen könne, mit einer Gewerkschaft, mit Unternehmen, wenn es zum Schulterschluss komme. "Wenn man es gut macht, sind es nicht nur Fototermine, wenn man es schlecht macht, ist es ein Fototermin", meint Höhn. "Das ist das, was wir jetzt sehen werden, ob Hubert Aiwanger auch in der Lage ist wie damals seine Vorgänger in Bayern aktive Industriepolitik zu machen."
Landtagsabgeordneter Steffen Vogel: "Ein echter Schlag für die Region"
"Schlimm" nannte Steffen Vogel, der den Kreis Haßberge/Rhön-Grabfeld als Abgeordneter im Landtag vertritt, die Nachricht vom angekündigten Arbeitsplatzabbau bei Preh. Ein "echter Schlag für die Region" sei die Entwicklung auch deshalb, weil Preh kein Einzelfall sei, so Vogel. "Wenn ich zusammenrechne, bin ich bei 700 Arbeitsplätzen allein in Bad Neustadt". Betroffene würden in der Region wohl kaum einen vergleichbaren Arbeitsplatz finden. "Denn aktuell stehen alle auf der Bremse."
Die Kernfrage für ihn sei: "Ist an der Entscheidung noch zu rütteln?" Das müsse im Kontakt mit der Unternehmensführung eruiert werden. Irritierend findet er: Im Vorfeld sei seitens des Unternehmens nicht um Unterstützung angefragt, sondern die bayerische Staatsregierung letztlich "vor vollendete Tatsachen gestellt worden".
Vogel warnt vor falschen Erwartungen: Aiwanger werde nicht mit dem Scheckheft anreisen
Auf die Frage, wie Hilfen konkret aussehen könnten, erklärte Vogel: "Förderungen gibt es innovationsbezogen." Sie würden nicht gewährt, um einen Arbeitsplatzabbau zu verhindern. "Das wäre Marktverzerrung." Entsprechend dürfe nicht die Erwartung geweckt werden, dass Wirtschaftsminister Aiwanger nun mit dem Scheckheft anreise.
2010, als der große Arbeitsplatz-Abbau bei Siemens drohte, sei seitens der bayerischen Staatsregierung auch nicht Siemens direkt, sondern ein Technologietransferzentrum und die Technik der Elektromobilität gefördert worden. Natürlich gehe es nun darum, die Region zu unterstützen: "Was kann der Freistaat Bayern tun, um die Region zu stärken?"
Staatssekretär Sandro Kirchner fühlt als ehemaliger Prehler besonders mit
Auch Staatssekretär Sandro Kirchner fühlt sich Preh und den Prehlern in Bad Neustadt emotional stark verbunden. Viele dort, so seine Einschätzung, dürften aktuell unter Schock stehen. Bevor er in den Landtag wechselte, hatte Kirchner selbst über zehn Jahre im Projektmanagement bei Preh gearbeitet.
Seit der Verkündung hat Kirchner viele Gespräche geführt, mit Mitarbeitern, der Staatskanzlei geführt und vor allem auch der Preh-Geschäftsführung ein Gesprächsangebot gemacht. Wichtig ist es nun in seinen Augen, mehr "Hintergründe zu erfahren". Dann könne über Chancen nachgedacht werden.
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Da immer wieder Siemens 2010 angesprochen wird, hier hat die wirtschaftliche Lage die Mitarbeiter gerettet. Viele konnten von Ihrem Arbeitsplatz in der Siemensstrasse zu einem neuen in die Industriestrasse umziehen, da die Motion Control Mitarbeiter aus den Large Drives übernommen hat. Klar, die Proteste selber „Die Rhön steht auf“ haben mit geholfen und dafür gesorgt dass man wahrgenommen wird, aber das Langzeitziel von Siemens wurde erreicht, keine Large Drives mehr in Bad Neustadt…
Bei Preh ist die Situation anders und die Politik und die Mitarbeiter stehen vor anderen Herausforderungen.