Sehr geehrter Alexander Knauf,
um die regionale Top-Nachricht dieser Woche einordnen zu können, muss man kein Studium der internationalen Wirtschaftsbeziehungen absolviert haben. Es reicht das Bauchgefühl: Die Geschäfte Ihres Unternehmens in Russland waren seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine ein moralisches Unding. Allerhöchste Zeit, dass Sie damit jetzt aufhören.
Klar, das wird Ihnen nicht leichtfallen. Denn der Knauf-Konzern aus Iphofen verliert nun auf einen Schlag fast ein Zehntel seines Jahresumsatzes und ein Zehntel seiner weltweiten Belegschaft. Vielleicht ist das der Grund, warum Ihr Unternehmen zu Wochenbeginn mit gerade mal drei Sätzen die Entscheidung zum Russland-Aus verkündete.
Wortreich war die Knaufsche Öffentlichkeitsarbeit in heiklen Angelegenheiten ja nie. Das ist Ihr gutes Recht. Doch in jedem Lehrbuch für solche Fälle steht: Tue Gutes – und rede darüber. Was den Ausstieg aus Russland angeht, müsste es bei Knauf eigentlich heißen: Tue Richtiges – und rede darüber.
Knauf sei Handlanger von Kriegstreiber Wladimir Putin, Knauf habe deswegen Blut an den Händen, Knauf verdiene am Leid tausender Menschen in der Ukraine: Ihr Unternehmen hatte in den vergangenen Wochen in Foren und Online-Netzwerken viel Prügel einzustecken. Zieht man überzogene oder allzu drastische Meinungen ab, bleibt genügend ernsthafte Kritik, die Ihnen auf die Füße gefallen ist. Sie hat hässliche Kratzer am Image von Knauf hinterlassen.
Knauf: Nerven in der Führungsriege lagen wegen Russland blank
Sprach man in jüngster Vergangenheit mit hochrangigen Managern Ihres Hauses über das Russland-Geschäft, dann wurde klar, wie blank die Nerven lagen. Bei negativer Berichterstattung könnten Putins Handlager jederzeit Betriebe unter Staatsverwaltung stellen, Beschäftigte drangsalieren oder gar verhaften, lautete die Warnung aus Iphofen. Der Nahrungsmittelkonzern Danone und der Bierkonzern Carlsberg sind Beispiele dafür, dass es in der Tat zu abrupten Enteignungen gekommen ist.
Insofern hatte das aus Ihrem Konzern unablässig zu hörende Argument eine Logik: Knauf halte am Russland-Geschäft fest, um die 4000 Beschäftigten in den 14 Werken nicht im Stich zu lassen und schon gar nicht in Gefahr zu bringen. Sehr geehrter Herr Knauf, das ist freilich nur die eine Seite der Medaille.
Die andere: Ihr Unternehmen gehört zu jenen 270 aus Deutschland, die nach wie vor in Russland aktiv sind und 2022 schätzungsweise 400 Millionen Euro Steuern an das Putin-Regime zahlten. Geld, das Russlands Krieg gegen die Ukraine finanziert, denn Moskau hat das Land auf Kriegswirtschaft umgestellt.
Knauf-Steuern für Russland: Jeder Rubel wird zur Waffe
So gut wie jeder Rubel wird also zur Waffe. Diesem Vorwurf musste sich der Knauf-Konzern stellen – und hat es nicht getan. Allein deshalb ist es allerhöchste Zeit gewesen, aus Russland rauszugehen.
Und noch etwas über die Rechtfertigung Ihres Unternehmens in den vergangenen Monaten: Knauf führe seit dem Krieg in der Ukraine keine Produkte aus Russland aus oder nach Russland ein, man halte sich vorbehaltlos an die Sanktionen des Westens gegen Putin. Ja, und? Das zu betonen, war überflüssig. Denn Ihr Unternehmen war zur Einhaltung der Sanktionen verpflichtet. Dass es sich daran gehalten hat, bestätigte zuletzt der Frankfurter Sanktionsexperte Viktor Winkler gegenüber dieser Redaktion. Immerhin.
Gründerfamilie Knauf hat wie immer die Fäden in der Hand
Sehr geehrter Herr Knauf, ich schreibe diese Zeilen Ihnen - wohlwissend, dass Sie in Ihrem Konzern nicht der unmittelbare Ansprechpartner für das Russland-Geschäft sind. Ihr Gesellschafter-Kollege Uwe Knotzer hat dieses auf seiner Agenda stehen.
Doch Sie sind in der obersten Chefetage in Iphofen das einzige Gesicht der Gründerfamilie. Und es liegt nahe, dass Ihre Familie im Hintergrund federführend war, als jetzt die Entscheidung gegen Russland fiel. Und damit auch Sie.
Wir müssen an dieser Stelle bei Vermutungen bleiben. Denn für gewöhnlich sind Fakten oder Reaktionen aus Ihrem Haus in kritischen Situationen rar. So auch diesmal. Also Vermutung: Der Knauf-Konzern wird sich ein Hintertürchen offen lassen, irgendwann doch wieder ins Russland-Geschäft einsteigen zu können. Nichts Genaues weiß man nicht, doch sicher ist: Zu wichtig ist Ihnen und Ihrer Familie dieser Markt.
Knauf tut auch Gutes – in der Ukraine
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass Knauf in der vom Krieg geplagten Ukraine investiert. Auch, um mit den eigenen Baustoffen zum Wiederaufbau beizutragen, war aus Iphofen zu erfahren. Rein karitativ muss man das nicht sehen, schließlich macht Knauf schlicht und einfach auch Geschäfte damit.
Als der Krieg im Februar 2022 begann, schloss Knauf aus Sicherheitsgründen sofort sein Gipsplattenwerk in der umkämpften Donbass-Region. Die knapp 600 Beschäftigten seien nach Hause geschickt worden und hätten "bis auf Weiteres" ihren Lohn bekommen, hieß es damals.
Das war anständig, Herr Knauf. Das zeigt Moral. Bleibt zu wünschen, dass Ihr Unternehmen daraus und aus dem Russland-Aus nachhaltige Schlüsse gezogen hat.
Mit hoffnungsvollen Grüßen,
Jürgen Haug-Peichl, Redakteur
Es ist sehr einfach, auf Unternehmer, die in unserer Umgebung Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen haben, in dem einen oder anderen Punkt mit der „moralischen Keule“ einzuschlagen so wie sie es jetzt auf die Familie Knauf oder vor ein paar Wochen auf Herrn Freier von s.Oliver getan haben.
Sie tragen ja keinerlei Verantwortung für Mitarbeitende und können aus Ihrer journalistischen Ecke ganz einfach den erhobenem Zeigefinger erheben.
Sicherlich wurde in diesen Unternehmen nicht immer alles richtig gemacht, aber Sie machen es sich sehr einfach, weil Sie Meinung nach immer sehr tendenziell oder wie beim Brief an Herrn Freier journalistisch äußerst vage weil ständig nur im Konjunktiv formulierend agieren.
Das Gegenteil ist der Fall.
Aus den Erträgen in Rußland werden dort Steuern bezahlt und ein ordentlicher Batzen fließt noch nach Iphofen.
Geld, das in Putins Kriegskasse fehlt.
Die Österreicher sind da offenen. Die Banken jammern jetzt schon, dass ihnen bei einem Rückzug aus Rußland Milliarden Gewinne in Österreich fehlen werden.
Wie geht es mit Knauf in Rußland weiter?
Mit Glück können die Betriebe für einen Apfel und ein Ei an russsische Unternehmen abgegeben werden, die wie bisher weitermachen.
Auf den Säcken steht dann halt nicht mehr Knauf.
Es kann aber auch sein wenn der Westen wie geplant, eingefrorene russische Vermögen beschlagnahmt, die Russen das Gleiche tun und Knauf geht ganz leer aus.
Daraus könnten wieder Forderungen an unseren Staat entstehen, wie sie Energieunternehmen für Verluste aus billigen Gaskontrakten erhielten.
Sehr geehrter Herr Haug-Peichl, vielen Dank für Ihren Samstagsbrief an die Familie Knauf. Dort wird unternehmerisch gedacht und gehandelt. Und das sehr beeindruckend erfolgreich. Davon profitieren wir alle in der Region und in Deutschland. Darin liegt die gute Nachricht von der was Sie nennen "Entscheidung gegen Russland". Ich nenne es "Entscheidung für Deutschland". Diese Entscheidung sichert in einem, durch den unerträglichen Angriffskrieg Russlands auf unsere Friedensordnung undurchsichtigen politischen Handeln zwischen Zerstörung und Wiederaufbau den weiteren unternehmerischen Erfolg der Knauf Gruppe bestmöglich ab. Eine moralische Einordnung ist nicht erforderlich. Ein schlichtes Danke an die Familie Knauf reicht mir persönlich aus. Danke!