Der Krieg in der Ukraine hat sich zu einem Abnutzungskrieg entwickelt, der vor allem im Donbass tobt. Doch ein Krieg herrscht in der Ukraine eigentlich schon lange, seit 2014 gibt es Gefechte im Osten des Landes. Dort kämpften pro-russische Separatisten mit der Unterstützung Russlands auf der einen Seite gegen das ukrainische Militär auf der anderen. Doch wie kam es zu dieser instabilen Lage – und wie ist die Situation im Ukraine-Konflikt jetzt?
Lage und Hintergrund: Die Ukraine zwischen Russland und EU
Die Ukraine war früher eine der 15 Republiken der Sowjetunion und wurde bei deren Auflösung ein eigenständiger Staat. Die Beziehungen der früheren Sowjetrepubliken zu Russland sind sehr unterschiedlich. Einige Länder arbeiten eng mit Russland zusammen, die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen hingegen sind seit 2004 Mitglieder der EU und der Nato.
Die Ukraine ist wegen ihrer geografischen Lage ein wichtiges Verbindungsland zwischen Russland und der EU, unter anderem als Transitland für Gaslieferungen.
Auch politisch und gesellschaftlich war die Ukraine zwischen den beiden Regionen hin- und hergerissen. Das lässt sich an einer Erhebung der vorherrschenden Muttersprachen in den einzelnen Regionen (den Oblasten) von 2001 erkennen.
So war damals im größten Teil des Landes ukrainisch die dominierende Muttersprache. Richtung Süden und Osten wurde der Anteil der russischsprachigen Einwohnerinnen und Einwohner allerdings größer. An der östlichen Grenze zu Russland gibt es eine klare Mehrheit der Menschen mit russisch als Muttersprache, ebenso auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim.
Eskalation im Ukraine-Konflikt: Die Maidan-Proteste 2013
Der Streit, ob die Ukraine sich nun Russland oder der EU annähern solle, eskalierte Ende 2013. Die ukrainische Regierung unter Präsident Wiktor Janukowytsch erklärte, ein geplantes Abkommen mit der EU nicht unterzeichnen zu wollen. Ziel des sogenannten Assoziierungsabkommens war unter anderem der Ausbau von Handelsbeziehungen. Russland hatte die Ukraine im Vorfeld unter Druck gesetzt und mit Sanktionen versucht, eine Annäherung des wichtigen Nachbarlandes an die EU zu verhindern.
Nach der Entscheidung der ukrainischen Regierung formierte sich ein breiter Protest. Die Menschen, die für die Annäherung zur EU eintraten, versammelten sich auf dem Majdan Nesaleschnosti („Platz der Unabhängigkeit“) in der Hauptstadt Kiew. Bekannt wurden die Proteste als "Euromaidan", der Begriff tauchte als Hashtag auf Twitter auf. Gwendolyn Sasse, wissenschaftliche Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS), betonte in einem Kommentar für die Bundeszentrale für politische Bildung allerdings, dass nicht allein das Abkommen, sondern eine generelle Unzufriedenheit mit dem korrupten, autoritären Regime der tieferliegende Grund für die Proteste gewesen sei. An den Protesten, die mehrere Monate andauerten, nahmen zeitweise hunderttausende Menschen teil, manche Berichte gehen sogar von mehr als einer Million aus.
Die Polizei ging teils gewaltsam gegen die Proteste vor. Im Februar 2014 eskalierte die Situation, es fielen Schüsse, mehr als 100 Menschen starben. Am Ende erreichte der Protest aber grundlegende Ziele: Präsident Janukowytsch wurde abgesetzt, nachdem er ins Ausland floh. Eine Übergangsregierungübernahm die Macht, bereitete Wahlen vor und unterzeichnete das Assoziierungsabkommen mit der EU. Allerdings kehrte keine Ruhe ein. In der instabilen Situation rund um den Machtwechsel entstanden im Osten der Ukraine und auf der Halbinsel Krim neue Probleme.
Annexion der Krim: Streit um die Schwarzmeer-Halbinsel
Die Krim ist eine Halbinsel im Schwarzen Meer, die in den vergangenen Jahrhunderten zu verschiedenen Imperien gehörte. Seit dem 18. Jahrhundert wurde sie von Russland kontrolliert. Zeitweise war die Krim ein eigener Staat der Sowjetunion, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie wieder Teil Russlands. 1954 übergab Russland die Halbinsel dann an die Ukraine, zu deren Gebiet sie auch gehörte, als sich die Sowjetunion auflöste und die Ukraine ein eigenständiger Staat wurde.
Die Bevölkerung der Krim ist zu einem großen Teil russischsprachig – nach dem Zensus von 2001 waren damals die Muttersprache von etwa drei Vierteln der Einwohner russisch. Ukrainisch war nur die Muttersprache von etwa zehn Prozent der Menschen. Etwas verbreiteter als ukrainisch war die Sprache der Krimtataren, einer muslimischen Minderheit auf der Halbinsel.
Russlands Schwarzmeerflotte hat ihren Heimathafen auf der Krim
Eine besondere Stellung hat die größte Stadt, Sewastopol. Sie ist kein Teil der Oblast Krim, sondern eigenständig. Für Russland hat die Stadt eine große Bedeutung, sie ist der Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte. Nach dem Ende der Sowjetunion regelte ein Pachtvertrag zwischen Russland und der Ukraine, dass die russische Marine den Standort weiter behalten konnte.
Nach den Maidan-Protesten übernahm am 26. Februar 2014 die neue Übergangsregierung in Kiew. Einen Tag später tauchten auf der Krim uniformierte Kräfte auf, die strategisch wichtige Punkte der Insel und der Stadt Sewastopol besetzten. Es handelte sich offenbar um russische Spezialtrupps, die allerdings keine russischen Hoheitsabzeichen trugen. Russlands Präsident Wladimir Putingab Ende des Jahres 2014 zu, dass russische Soldaten an der Besetzung der Krim beteiligt waren.
Russland sieht die Krim seit 2014 als Teil des Landes
Die Bewaffneten besetzten auch das Parlamentsgebäude und erzwangen ein Referendum: Die Bürger der Krim sollten am 16. März darüber abstimmen, ob sie künftig zu Russland gehören wollten. Das von der Regierung in Kiew nicht genehmigte Referendum löste internationale Kritik aus, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete es damals als "unrechtmäßig". Das Ergebnis der Abstimmung wird international angezweifelt. Demnach sollen 96 Prozent der Wählerinnen und Wähler für einen Anschluss an Russland gestimmt haben.
Zwei Tage später wurde die Krim inklusive der Stadt Sewastopol in Russland eingegliedert. Westliche Staaten sehen darin eine widerrechtliche Annexion und haben mehrfach Sanktionen gegen Russland erlassen. Auch die Generalversammlung der UN erklärte das Referendum für ungültig. Die Ukraine sieht die Krim weiter als ihr Staatsgebiet, die Kontrolle hat dort seitdem aber Russland.
Bürgerkrieg in der Ost-Ukraine: Wo wird gekämpft?
Die Annexion der Krim dauerte nur wenige Tage. Der Krieg in der Ostukraine dauerte hingegen jahrelang an. Die Konfliktregion im Ostern der Ukraine wird nach dem Fluss Donez auch Donezbecken oder Donbass genannt. Dort riefen pro-russische Separatisten in den Oblasten Donezk und Luhansk "Volksrepubliken" aus, die sie von der Ukraine abspalten wollen. Seitdem gab es immer wieder Gefechte zwischen den Separatisten und der ukrainischen Armee. Wie die Bundeszentrale für Politische Bildung erklärt, gehen Beobachter davon aus, dass hier "ehemalige und aktive Mitglieder des russischen Militärgeheimdienstes GRU unmittelbar beteiligt" waren. Ab August 2014 habe Russland auch reguläre Streitkräfte im Osten der Ukraine eingesetzt.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verhandelte im September 2014 einen Waffenstillstand, der aber nicht eingehalten wurde. Anfang 2015 folgte ein weiteres Abkommen zwischen der Ukraine und Russland, Deutschland und Frankreich vermittelten hier. Es wurde eine Pufferzone eingerichtet, aus der alle schweren Waffen abgezogen wurden und ein Waffenstillstand beschlossen. Die OSZE, die die Einhaltung überwacht, hat allerdings tausende Verstöße auf beiden Seiten festgestellt. Das von den Separatisten kontrollierte Gebiet ist über Jahre nahezu gleich geblieben, es kam aber immer wieder zu Gefechten. Die Volksrepubliken Donezk und Luhansk sind international nicht anerkannt.
Wie ist die aktuelle Situation im Ukraine-Konflikt?
Im Frühjahr 2021 begann Russland damit, Truppen an der Grenze zur Ostukraine zusammenzuziehen. Verhandlungen über eine Entschärfung des Konflikts zwischen dem Westen und Russland brachten keinen Erfolg.
Am 21. Februar 2022 erkannte Russland die "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk als eigenständige Staaten an und begann, diplomatische Beziehungen zu ihnen aufzuehmen. Putin ordnete daraufhin einen Militäreinsatz im Land an. Am 24. Februar startete der Angriff auf die Ukraine. Nach einem gescheiterten Blitzkrieg hat sich Russland auf den Osten der Ukraine konzentriert, auf den Donbass.