Zum zweiten Mal hat Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg im italienischen Wintersportort Bormio sein Trainingslager bezogen. Nachdem er bei einer Einheit unter freiem Himmel beim Aufwärmen mitgemacht hat, überlässt Cheftrainer Denis Wucherer den späten Nachmittag vor allem seinem Athletiktrainer Philipp Burneckas, nimmt auf einer Bank am Rande des Fußballfeldes Platz und plaudert über Spielkultur sowie kurz- und mittelfristige Ziele.
Frage: Wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen, gut dreiwöchigen Vorbereitung?
Denis Wucherer: Wir sind im Plan. Die ersten Tests waren durchaus zufriedenstellend. Wir haben gegen Pro-A-Ligisten gespielt, gegen einen belgischen Erstligisten, gegen einen Bundesligisten . . .
. . . und Ihre Mannschaft hat alle Spiele gewonnen.
Wucherer: Ja. Wir sind noch früh in der Vorbereitung, aber trotzdem gibt das einem das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein.
Sie haben betont, dass Sie vor allem auch mit dem Fitnesszustand Ihrer Spieler zufrieden waren, als die aus der Sommerpause zurückkamen.
Wucherer: Der Vorteil, wenn du eine Mannschaft früh zusammenstellst, ist, dass du die Spieler auch mit Trainingsplänen versorgen kannst. Damit kann man relativ sicherstellen, dass sie auch fit ankommen. Und vor allem kannst du auch sicherstellen, dass sie verstehen: Wenn sie nicht fit ankommen, wird das Konsequenzen haben (er grinst). Die Spieler sind Mitte August natürlich noch nicht da, wo sie Ende September sein müssen, um Bundesliga zu spielen. Aber sie haben allesamt zufriedenstellende Werte gehabt, alle auch auf ähnlichem Niveau. Und das macht natürlich die Arbeit in der Trainingssteuerung in der Vorbereitung einfacher.
Muss ich mich nicht mehr groß um die konditionelle Basis kümmern, kann ich eher auf die Spieldetails eingehen. War es da hilfreich, dass der Kern der Mannschaft diesmal zusammengeblieben ist?
Wucherer: Absolut. So kannst du dich dann eher ums Basketballspielen kümmern. Wir merken schon, dass wir auf dem, was wir uns in der vergangenen Saison erarbeitet haben, aufbauen können. Wenn man die Mannschaft im Großteil zusammenhalten kann und dann Spieler dazu holt, die ähnlich sind wie die, die wir verloren haben, dann gibt es erstmal keinen Grund, das System oder die Spielkultur zu verändern.
Die bei Ihnen schon immer sehr guardlastig war . . .
Wucherer: Es geht mehr ums Miteinanderspielen. Guardlastig . . . Ja, schon. Aber ich würde es eher so umschreiben, dass immer mindestens zwei oder drei Spieler auf dem Feld sind, die Entscheidungen treffen können. Die das Pick and roll dann auch laufen können, um insgesamt ein bisschen flexibler zu sein. Also im Vergleich zur deutschen Nationalmannschaft, die mit Dennis Schröder einfach einen hat, der 80 Prozent der Pick and rolls läuft und den Ball oft und lange in der Hand hat. Bei uns geht der Ball durch mehrere Hände, das ist ein moderneres, europäischeres Spiel, und das kennen die Jungs eben noch vom letzten Jahr. Und die paar, die dazugekommen sind, haben das nun auch schnell adaptiert.
Vor der vergangenen Saison hat sich der Klub mit dem sehr ambitionierten Ziel, die Play-offs erreichen zu wollen, recht weit aus dem Fenster gelehnt. Letztlich fehlte ein Sieg dafür. Die Liga wird vermutlich erneut noch enger zusammenrücken. Was haben sich die Baskets in dieser Spielzeit vorgenommen?
Wucherer: Es macht Sinn zu sagen: Wir wollen - wie im letzten Jahr - um die Play-offs mitspielen. Im vergangenen Jahr haben wir das anders formuliert, und hätten wir nicht diese schöne europäische Saison gespielt mit dem Finaleinzug im Europe Cup, dann hätte das womöglich auch gegen uns verwendet werden können hintenraus. Aber ich glaube auch so, dass es eine gute Bundesligasaison war. Du lässt Bayreuth, Ludwigsburg, Frankfurt hinter dir und denkst, du bist auf einem guten Weg. Plötzlich ist Vechta und Braunschweig vor dir, und dir fehlt wieder nur ein Sieg. Das ist schade. Aber wir werden wieder angreifen und wollen um die Play-offs mitspielen. Aber das werden eben zwölf bis 14 andere auch wollen (er lächelt).
Wenn man sich anschaut, welche Klubs wie investieren, darf man wohl ungestraft behaupten: Es wird nicht einfacher werden . . .
Wucherer: Generell wächst in der Liga vieles zusammen. Vorne laufen zwei, drei, vier Mannschaften mit großen Schritten vorneweg, München, Berlin, Oldenburg, Bamberg . . . Was da mittlerweile an Budget da ist . . . Aber Platz sieben und acht scheint mir jedes Jahr irgendwie möglich zu sein für vier bis sechs Teams, vielleicht sind es auch acht. Von hinten wird Druck gemacht. Crailsheim macht Druck, der MBC will plötzlich um die Play-offs mitspielen und nicht mehr nur in der Liga bleiben. Insofern wird das auch von Platz sechs bis 14 wieder enger. Sind wir in der Lage, auch mal um Platz sechs, sieben mitzuspielen? Ja! Aber es hängt auch davon ab, wie die anderen Mannschaften sich präsentieren und ob wir im entscheidenden Moment auch von Verletzungspech verschont bleiben. Das war letzte Saison hinten raus leider nicht der Fall.
Das ist bisweilen unbeeinflussbares Schicksal . . .
Wucherer: Was wir beeinflussen können, ist unsere Arbeit. Und da glaube ich an unser System. Ich glaube an unsere Arbeit im Sommer, ich glaube an unser Rekrutieren. Ich glaube an die Art und Weise, wie wir Basketball spielen. Ich glaube an die Jungs, die wir haben. Und ich glaube an die tägliche Arbeit, also an unser System. Und dann schauen wir einfach mal, für was es reicht (er grinst mal wieder).
Der Saisonauftakt könnte - zumindest der Papierform nach - auch freundlicher sein. Start in Oldenburg, dann gleich nach Berlin zum Pokalspiel, in den ersten fünf Spieltagen dann nochmal Berlin und Titelverteidiger München. Kann es auch ein Vorteil sein, die großen Brocken gleich mal hinter sich zu haben?
Wucherer: Das ist immer reichlich hypothetisch. Ist es gut, gegen die Guten zuerst zu spielen? Weil die spielen Euroleague, dürfen erst ab dem 22. August trainieren. Viele ihrer Spieler sind mit ihren Nationalmannschaften bei der WM. Heißt: Die werden wahrscheinlich erst so zwei Wochen vor Saisonbeginn das erste Mal mit allen Spielern trainieren können. Rein theoretisch könnte das ein Vorteil sein für die Mannschaften, die schon acht Wochen oder wie in unserem Fall sechs Wochen zusammen sind. Andererseits haben die Großen so viel Qualität in ihrem Kader: Die wissen, wie man Basketball spielt. All das, was andere Mannschaften wie wir uns hart erarbeiten müssen über drei, vier Wochen an Automatismen und wie man in welcher Situation spielt. Deswegen verdienen manche Spieler bei den Großen, also jeder einzelne, eine Million und mehr im Jahr. Also mehr als mein kompletter Kader zusammen im ganzen Jahr. Es ist mittlerweile verrückt, was da bezahlt wird.
Sie haben nach dem holprigen Saisonstart vergangenes Jahr erstmals auch persönlich Druck gespürt. Wenn Ihr die Kurve nicht gekriegt hättet, hätte es auch ein sehr kurzes Engagement sein können . . .
Wucherer: Druck machst du dir vor allem erst einmal selber, den habe ich mir auch in Gießen und in Köln gemacht. Aber so wie vergangene Saison nach dem Start, diese Art Druck habe ich so bislang noch nie gespürt. Das war neu, ja. Ich erinnere mich an das Spiel beim MBC. Wer weiß, was passiert wäre, wenn wir das nicht gewonnen hätten . . . In dem Geschäft bist du ganz grundsätzlich immer auch abhängig von der Meinung anderer Menschen, die eventuell nicht ganz so viel vom Basketball verstehen wie du selbst. Das ist so. Und wenn da die Geduld nicht die größte ist, dann erwischt es dich eben mal als Coach. Mich hat es noch nie erwischt, aber auch mich wird es irgendwann mal erwischen. Das ist Teil des Geschäfts. Aber in Würzburg war die nötige Geduld ja da, und ich habe auch nie das Gefühl gehabt, dass wir mit der Mannschaft nicht erfolgreich spielen können. Prinzipiell bist du als Coach von vielen Faktoren abhängig. Also wir selbst können den Ball nicht reinwerfen. Du kannst noch so viel richtig machen als Trainer und trotzdem Spiele verlieren. Und dann vielleicht auch zurecht einmal entlassen werden. Es gibt Coaches, die vielleicht selber gar nicht wissen, was sie richtig machen und auf unfassbarem Niveau alles Mögliche gewinnen. Und es gibt Coaches, die in der Bezirksliga oder Oberliga großartige Jobs machen. Das ist nicht so ganz greifbar. Ich kann jeden Abend in den Spiegel gucken und sagen: Ich habe heute wieder alles gegeben, und ich glaube an die Qualität, die ich mit meinem Stab anbiete.
Der Verein hat bei Ihrer Verpflichtung verkündet, endlich einmal Kontinuität reinbringen zu wollen und auch mittelfristig den Standort voranzubringen. Ist in dem schnelllebigen Geschäft Basketball-Bundesliga überhaupt noch Platz für solche Projekte, die einfach Zeit kosten?
Wucherer: Ich glaube, wenn du bei Bayern München, Fenerbahce Istanbul, Real Madrid oder in Barcelona Coach bist, dann geht es darum, Spiele zu gewinnen. Das ist dein Job, sonst gar nichts. Dort waren es mal Projekte, die aber inzwischen weitestgehend abgeschlossen sind und allenfalls marginal zu verbessern sind. Aber da kümmern sich viele Menschen drum und nicht der Cheftrainer. Würzburg ist nach wie vor ein Projekt. Insofern gucke ich auch über den Tellerrand hinaus. Wir kümmern uns ja auch intensiv um unsere Akademie, also ProB, NBBL, JBBL, U-Manschaften, und da sind wir noch nicht dort, wo große Vereine sind. Da müssen wir besser werden. Würzburg muss eine Alternative werden in der Nachwuchsförderung. Als Basketball-Bundesliga-Standort bist du verpflichtet, eine gute Nachwuchsförderung anzubieten. Bei uns aber ist das noch mehr: Es ist uns eine Herzensangelegenheit.