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Würzburg
Baskets und Wölfe: "Jetzt geht es erst mal ums Überleben"
Geisterspiele? Bloß nicht. Durch ein gemeinsames Konzept wollen Steffen Liebler und Roland Sauer Zuschauer in die Würzburger s.Oliver Arena holen - und ihre Klubs retten.
Roland Sauer (links) und Steffen Liebler , der Wölfe- und der Baskets-Geschäftsführer, tüfteln gemeinsam an einem Betriebskonzept für die s.Oliver Arena unter Corona-Bedingungen .
Foto: Thomas Obermeier | Roland Sauer (links) und Steffen Liebler , der Wölfe- und der Baskets-Geschäftsführer, tüfteln gemeinsam an einem Betriebskonzept für die s.Oliver Arena unter Corona-Bedingungen .
Carolin Münzel
 und  Natalie Greß
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:52 Uhr

Sie spielen in unterschiedlichen Sportarten und Ligen, haben aber den gleichen Gegner: Corona. Die Pandemie lässt sowohl die Zweitliga-Handballer der DJK Rimpar Wölfe als auch die Bundesliga-Basektballer von s.Oliver Würzburg bangen, ob sie ihre ersten Heimspiele in der s.Oliver Arena vor Zuschauern austragen können. Am 3. Oktober ist für die Handballer Saisonbeginn, in der Basketball-Bundesliga geht es am 6. November los.

Die Geschäftsführer der beiden bedeutendsten Hallensport-Spitzenklubs der Region machen in der Krise gemeinsame Sache. Im Interview sprechen Steffen Liebler (36) von den Baskets und Roland Sauer (65) von den Wölfen darüber, wie sie die Halle für Besucher sicher machen wollen, welche absurden Corona-Vorgaben es gibt und weshalb sie sich um die Existenzen ihrer Klubs sorgen. 

Es war ein verrücktes halbes Jahr. Wie geht es Ihnen?

Steffen Lieber: An sich gut. Es war ein extrem arbeitsreicher Sommer. Wir mussten die alte Saison abwickeln und parallel dazu die neue vorbereiten. Inklusive einer Umstrukturierung und Verkleinerung des Klubs. Jetzt sind wir in der heißen Phase und freuen uns auf die neue Saison. Ich bin positiv angespannt.

Roland Sauer: Das bin ich auch. Freizeit gab es in diesem Sommer nicht. Ich bin froh, wenn ich mal einen Tag vor Mitternacht das Büro verlassen kann. Wir arbeiten intensiv daran, wie wir Zuschauer in die s.Oliver Arena bekommen können, deshalb saß ich in den letzten Wochen vor allem am Betriebskonzept. Das Zeitfenster ist sehr eng und die Herausforderung extrem. 

Sie sprechen von einem Betriebskonzept. Was ist der Unterschied zu einem Hygienekonzept?

Sauer: Das Hygienekonzept ist der Leitfaden, der von der Handball- und Basketball-Bundesliga gemeinsam erstellt wurde, um den Trainings- und Spielbetrieb zu regeln. Das Betriebskonzept erarbeiten wir für die s.Oliver Arena. Wir haben uns mit den Baskets abgestimmt, dass ich das in die Hand nehme, weil bei uns die Saison früher beginnt. Das Konzept gilt dann für beide, kann aber in Nuancen angepasst werden.

Wie kam es dazu, dass Sie sich zusammengetan haben?

Liebler: Wir sind die beiden größten Hallensportarten in Würzburg und spielen in der gleichen Arena. Da war schnell klar, dass wir zusammenarbeiten, weil es für beide eine neue Herausforderung ist. Wir hatten auch schon gemeinsame Termine mit Vertretern der Stadt, die ihre Hilfe erklärt haben. Wir versuchen, uns gegenseitig Input zu geben. 

Sauer: Wir haben ja auch schon in der Vergangenheit miteinander gesprochen. Jetzt tun wir das intensiver, aber alles andere als eine gemeinsame Linie wäre auch fahrlässig. 

Liebler: Schon vor Corona ging es darum, jeweils ein schönes Event in der s.Oliver Arena hinzubekommen. Jetzt gilt umso mehr: Wir sitzen im gleichen Boot und wollen das Bestmögliche aus den Umständen machen.

"Ich glaube auch, dass es mit unserem Konzept in der Halle deutlich sicherer ist, als wenn man über die Alte Mainbrücke spazieren geht."
Steffen Lieber, Geschäftsführer s.Oliver Würzburg

Also gehen Sie davon aus, dass Sie Ihr jeweils erstes Heimspiel vor Zuschauern austragen werden?

Sauer: Ja. Klar entscheidet am Ende die Politik, aber es liegt an uns, ein vernünftiges Konzept vorzulegen, inklusive Belüftung. Daran arbeiten wir, und dafür hat auch die Stadt Würzburg ihre Unterstützung zugesagt. Ich bin mir sicher, wenn wir das so umsetzen wie geplant, dann ist die Infektionsgefahr in der s.Oliver Arena geringer als in der Würzburger Innenstadt.

Liebler: Ich glaube auch, dass es mit unserem Konzept in der Halle deutlich sicherer ist, als wenn man über die Alte Mainbrücke spazieren geht. Daher sehe ich keinen Grund, nicht vor Zuschauern zu spielen. Es gibt Klubs in der Basketball-Bundesliga, die schon mit weit über 1000 Besuchern planen.

Die politischen Vorgaben sind ja in jedem Bundesland ziemlich unterschiedlich...

Sauer: ...ein Flickenteppich! 
Liebler: Natürlich steht die Gesundheit im Vordergrund, aber wenn bei anderen Klubs deutlich mehr Einnahmen möglich sind als bei uns, wird auch Wettbewerbsverzerrung ein Thema.
Sauer: Dieser Flickenteppich bringt einige Absurditäten mit sich. Es gibt zum Beispiel eine genaue Regelung, wer wann in die Halle darf: Erst die Schiedsrichter, dann die Spieler - mit Abstand! Die Spieler, die die ganze Zeit miteinander trainieren, die sich 60 Minuten lang auf die Mütze hauen! Für die müssen wir sicherstellen, dass sie sich vor und nach dem Spiel und in der Halbzeit nicht zu nahe kommen. Es ist zum Teil wirklich Schwachsinn, was da passiert gerade.

Die Baskets hatten zuletzt im Schnitt um die 3000 Zuschauer pro Spiel, die Wölfe rund 1700. Angenommen es sitzen nun 600 in der Halle: Wie wird sich das auf die Stimmung auswirken?

Liebler: Sie wird anders sein (lacht). Das hat wahrscheinlich ein bisschen Freundschaftsspiel-Atmosphäre.
Sauer: Ob eine große Stimmung aufkommt, wenn auf den Tribünen nur jeder dritte Platz belegt ist, das weiß man nicht.

Was kostet ein Spieltag? Vor Corona und jetzt, mit den Hygienemaßnahmen?

Sauer: Vorher um die 9000 Euro würde ich sagen - ohne Catering. Jetzt definitiv mehr.

Liebler: Mehr als doppelt so viel wie im Handball. In der neuen Saison kommt es darauf an, was wir machen. Wenn wir 600 Zuschauer haben, dann bauen wir keine Zusatztribünen auf. Das ist pro Spieltag eine vierstellige Summe. Aber zum Beispiel Security wird uns definitiv mehr kosten. Die Tendenz geht auch da hin, Event-Material wegzulassen.

Steffen Liebler (links) und Roland Sauer (rechts) erklären den Sport-Redakteurinnen Carolin Münzel (links) und Natalie Greß (rechts) im Interview, wie ein Spielbetrieb mit Zuschauern in der s.Oliver Arena aussehen kann.
Foto: Thomas Obermeier | Steffen Liebler (links) und Roland Sauer (rechts) erklären den Sport-Redakteurinnen Carolin Münzel (links) und Natalie Greß (rechts) im Interview, wie ein Spielbetrieb mit Zuschauern in der s.Oliver Arena aussehen kann.

Wie viel Prozent des Etats machen die Ticket-Einnahmen aus?

Liebler: Etwa 25 bis 30 Prozent.

Sauer: Das ist bei uns ähnlich.

Das heißt, Ihnen wird definitiv Geld fehlen. Welche Möglichkeiten haben Sie, Verluste zu kompensieren? Was ist mit dem bundesweiten Corona-Nothilfefond für den Sport?

Liebler: Die Hilfe darf man jetzt beantragen. Noch wissen wir allerdings nicht, wie hoch der Zuschuss für uns sein wird. Wir sprechen natürlich mit den Sponsoren, bitten sie, an Bord zu bleiben. Obwohl sie eventuell nicht jedes Spiel besuchen können und vielleicht nicht mehr bei jedem Spiel im VIP-Bereich sein dürfen. Bei uns geht's ganz klar um Einsparungen - durch Kurzarbeit, Gehaltsverzichte, Budgetkürzungen. Das fängt beim Spieler-Etat an, den wir drastisch heruntergefahren, sprich halbiert haben: Zum einen mussten wir günstigere Spieler verpflichten, zum anderen bekommen unsere acht aus der vergangenen Saison gehaltenen Spieler teilweise weniger Geld. Und es hört beim Event-Bereich auf, den wir outsourcen. Wir mussten uns auch von einigen Mitarbeitern trennen.

Sauer: Wir haben überraschend viele neue Spieler. Da haben wir drauf geachtet, dass wir die recht günstig bekommen. Ansonsten versuche ich, an allen Ecken und Enden Einsparungen zu ermöglichen.

Aber bei den Wölfen arbeiten doch ohnehin schon fast alle ehrenamtlich - inklusive Ihnen.

Sauer: An mir kann man schon mal nix sparen (lacht). Aber wir haben ja auch ein paar Angestellte, zum Beispiel in der Geschäftsstelle. Da fallen Stellen weg, ich übernehme noch mehr Aufgaben selbst. Gleichzeitig wollen wir versuchen, mehr zu verdienen, indem wir unsere Übertragung bei Sportdeutschland.tv. verbessern und und so lukrativer vermarkten können.

"Dieser Flickenteppich bringt auch einige Absurditäten mit sich. Es ist zum Teil wirklich Schwachsinn, was da passiert gerade."
Roland Sauer, Geschäftsführer DJK Rimpar Wölfe

Ab wann geht es für Ihre Klubs um die Existenz?

Liebeler: Wenn die Spielzeit komplett gecancelt würde, hätten wir ein Riesenproblem. Alles andere wäre gelogen. Ein Mal mit unseren Partnern und Sponsoren enger zusammenrutschen und durchhalten ist das eine - ein zweites Mal halte ich das für sehr, sehr schwierig. Genauso schwierig wäre eine komplette Saison ohne Zuschauer.

Sauer: Nur Geisterspiele, das wäre auch für uns keine Alternative. Klar hab ich schon überlegt, wo ich auch da einsparen könnte, aber im Detail geprüft habe ich das noch nicht. Das wäre eine wahnsinnige Herausforderung. 

Wie lange könnten Sie ohne Zuschauer überleben?

Sauer: Ohne weitere Gegenmaßnahmen keine Saison.

Liebler: Eine Saison komplett ohne Zuschauer wäre für uns eine riesen Herausforderung.

Aber es würde s.Oliver Würzburg auch ohne Zuschauer am Ende der Saison noch geben?

Liebler: Irgendwie kämpft man sich durch. Es gibt immer irgendwelche Lösungen. Aber wie gesagt, es wäre eine sehr, sehr große Herausforderung.

Sauer: Wie Steffen schon gesagt hat: Es geht ja auch darum, dass ohne Zuschauer die Sponsoren an Präsenz einbüßen. Wenn wir sie auch noch verlieren, würde das sehr schaden. 

Es ist kein Geheimnis, dass die BVUK.Gruppe ihren ausgelaufenen Vertrag als Mit-Haupt- und Brusttrikot-Sponsor bei den Baskets nicht verlängert hat. Hauptsponsor s.Oliver soll sein Engagement verringert haben, auf eine sehr ordentliche sechsstellige Summe. Halten Ihnen die anderen Sponsoren die Treue?

Liebler: Im Großen und Ganzen ja. Mit ein paar markanten Abstrichen, so ehrlich will ich sein. Zu genauen Zahlen möchte ich mich nicht äußern und bitte dafür um Verständnis. Eine Vielzahl unserer Partner bleibt an Bord, das ist mir wichtig zu betonen. Darüber freuen wir uns und sind sehr dankbar.

Sauer: Auch unsere Sponsoren sind uns größtenteils erhalten geblieben. 

Würden Sie sich  mehr Druck von Ihren Ligen und Verbänden auf die Politik wünschen?

Liebler: Das kann man so sagen, ja.

Sauer: Ja. Wir müssen die Indoor-Sportarten bündeln, damit wir als Einheit wahrgenommen werden. So können wir unsere Anliegen der Politik gegenüber gemeinsam vorbringen und selbst mehr Druck ausüben. Dazu gründen wir gerade eine Arbeitsgruppe Teamsport Bayern mit den Profivereinen aus den ersten und zweiten Ligen im Baseketball, Eishockey, Volleyball und Handball. 

Ein Blick in die Glaskugel zum Abschluss: Wie wird Corona Ihre Sportarten verändern?

Sauer: Sportlich sind wir gut aufgestellt. Mit den Hilfen, die wir bekommen, der Akzeptanz, die wir bei unseren Sponsoren spüren und der Unterstützung unserer Zuschauer bin ich zuversichtlich, dass wir die Saison auch wirtschaftlich erfolgreich zu Ende führen. Mindestens nächste und übernächste Spielzeit werden uns die Corona-Auswirkungen aber noch beschäftigen.

Liebler: Wir werden in diese Saison definitiv mit anderen Zielen gehen als zuvor. Wir linsen nicht mehr in Richtung Play-offs, sondern schauen in Richtung Klassenerhalt. Das wird nächstes und übernächstes Jahr ein ähnlicher Kampf werden. Wir wollen uns peu à peu wieder besser aufstellen, um für die Zukunft gewappnet zu sein, die dann hoffentlich wieder rosiger aussehen wird. Jetzt geht es erst mal ums Überleben.

 
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