Wie schnell sich dieser Tage, in denen beinahe stündlich neue Hiobsbotschaften um den Erdball schwappen, Prioritäten verschieben können, zeigt sich auch schön am Beispiel der Basketball-Bundesliga. Anfang vergangener Woche hatten einige Klubs bereits bekanntgegeben, dass manche ihrer US-amerikanischen Importspieler wegen der Coronavirus-Pandemie die Flucht in die Heimat angetreten hatten (oder von den Vereinen hinauskomplimentiert worden waren, je nach Lesart).
Zu diesem Zeitpunkt war bei Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg noch keine Rede davon, dass die Amerikaner den Klub verlassen würden. Telefonierte man vor Wochenfrist etwa mit Baskets-Kapitän Cameron Wells oder mit Aufbauspieler Skyler Bowlin, sagten sie noch sehr überzeugend, unbedingt in Würzburg bleiben zu wollen. Wells wollte in der restlichen Saison seinen Marktwert weiter nach oben schrauben, wie er es in dieser Runde, der Spielzeit seines Lebens, bereits kräftig getan hatte. Bowlins aus Dänemark stammende Frau ist hochschwanger, und auch wenn es natürlich langweilig sei, so ohne Training und Spiele - wenigstens um sie "kann ich mich nun natürlich viel besser kümmern", zwischen den einsamen Joggingrunden, hatte er vergangene Woche noch erklärt, als er in die damals noch freiweillige Quarantäne, in die der Verein die Profimannschaft gesteckt hatte, gegangen war.
Sieben Tage später ist die Situation bereits eine vollständig andere.
Nach Informationen dieser Redaktion stehen nahezu alle Amerikaner in Würzburger Diensten kurz vor der Vertragsauflösung und dem Absprung in die Heimat (was bei dem einen oder anderen auch bereits geschehen sein soll) oder vor dem Gang in die Kurzarbeit, die auch allen deutschen Spielern und dem Trainer- und Betreuerstab angeboten werden soll. Öffentlich wollte der Klub all dies am Sonntag weder dementieren noch bestätigen – verwies aber darauf, sich sehr bald schon detaillierter dazu äußern zu wollen. Das wird vermutlich auch daran liegen, dass die Verhandlungen mit den Spielern und ihren Agenten noch nicht in jedem Fall in trockenen Tüchern sind.
Voraussichtlich am Mittwoch will die Bundesliga mit den Geschäftsführern der 17 Bundesligisten videokonferieren, wie es denn weitergehen soll. Bislang ist der Spielbetrieb nur bis auf Weiteres ausgesetzt. Den Glauben daran und die Hoffnung darauf, dass diese Saison später noch irgendwie regulär über die Bühne gebracht und zu Ende gespielt wird, hatte Baskets-Trainer Denis Wucherer gegenüber dieser Redaktion bereits vergangene Woche fahren lassen: „Das ist inzwischen illusorisch.“ Der 46-Jährige blickte schon voraus: „Wer weiß denn heute zu sagen, ob wir im Herbst überhaupt wieder anfangen?“ Der ganze Markt im Nischensport Basketball "zerfällt gerade", sagte Wucherer. Es gehe darum, "den Laden am Laufen zu halten, die Bundesliga und auch wir kämpfen ums Überleben wie alle anderen Sportarten hinter dem Fußball".
Baskets-Manager Kresimir Loncar blies ins selbe Horn, auch wenn er der Meinung ist, dass "Sport momentan das Letzte ist, um was sich die Menschen sorgen sollten", stellte er nüchtern fest: "Für uns wie für alle anderen Bundesligamannschaften geht es um die Existenz. Wir werden erst mal eine total andere finanzielle Situation bei allen Klubs haben."
BVUK.-Chef Michael Reizel, neben dem Namensspender s.Oliver der zweite Hauptsponsor des Klubs, hatte den Baskets zumindest bereits etwas Hoffnung gemacht, als er angekündigt hatte, "zu unseren vertraglichen Verpflichtungen" zu stehen. "Gerade in Krisenzeiten braucht es Zusammenhalt und Geschlossenheit", hatte Reizel gesagt, und die Baskets-Fanklubs hatten verkündet, auf etwaige Ansprüche wegen Rückzahlungen gekaufter Tickets verzichten zu wollen. Inzwischen hat der Klub auch ein Formular auf seiner Internetseite veröffentlicht, in dem Dauerkartenbesitzer dem Beispiel folgen und bei einer (inzwischen ja zu erwartenden) Absage der Restsaison auf anteilige Rückerstattung ihrer Tickets verzichten können - und so dem Verein etwas helfen und ein wenig mehr Planungssicherheit geben können.
Es ist gerade ein Trend, dass die Klubs ihren US-Spielern erlauben, in ihre Heimat zurückzukehren. Brose Bamberg gab am Sonntag bekannt, dass Paris Lee, Kameron Taylor, Tre' McLean, Darion Atkins und Jordan Crawford schon nach Übersee gereist seien oder dies bald tun werden. Die Telekom Baskets Bonn verabschiedeten wie Rasta Vechta und die Gießen 46ers vier US-Profis. Die Verträge wurden in den allermeisten Fällen angeblich einvernehmlich aufgelöst.
Warum also sollte sich dieser Trend ausgerechnet bei den Baskets in Würzburg anders entwickeln?