Den letzten Tag nutzten sie dann doch noch einmal aus und spielten eine Runde. Denis Wucherer und Steffen Liebler, Trainer und Geschäftsführer von Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg, trafen sich am Montag über den Dächern von Würzburg. Natürlich auch um das weitere Vorgehen abzusprechen. Aber eben auch, um noch einmal den Schläger zu schwingen. Schließlich hat auch der Golfplatz dann am Dienstag dichtgemacht. Wie inzwischen auf Anweisung des Freistaats hin ja alle Sport- und Spielplätze in Bayern und vieles mehr, wo sich Menschen übern Weg laufen könnten. Die Baskets hatten bereits zuvor ihr Trainingszentrum wegen der Coronavirus-Pandemiegeschlossen und den Klub und die Profimannschaft sozusagen in noch freiweillige Quarantänie gesteckt. Vorerst mal bis auf Weiteres.
"Crazy and weired times", verrückte und seltsame Zeiten also - das sind die vier Worte, die man von jedem bei Würzburgs besten Basketballern hört, mit dem man sich dieser Tage mal unterhält. "Es liegt auch in unserer Verantwortung, mitzuhelfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen", sagt Liebler. Der Sport solle nun erst einmal zurücktreten: "Es gibt gerade wichtigere Themen."
Wucherer meint, der Trainerstab und die Mannschaft haben zwar in den "Stand-by-Modus" geschaltet, und natürlich sind die Spieler angehalten, sich im Homeoffice fit zu halten und individuell zu trainieren. Aber den Glauben daran und die Hoffnung, dass diese Saison später noch irgendwie regulär über die Bühne gebracht und zu Ende gespielt wird, hat der 46-Jährige fahren lassen. "Das ist inzwischen illusorisch."
Der Trainer blickt eher schon ein bisschen weiter: "Wer weiß denn heute zu sagen, ob wir im Herbst überhaupt wieder anfangen?" Der ganze Markt im Nischensport Basketball "zerfällt gerade", meint Wucherer. Es gehe darum, "den Laden am Laufen zu halten, die Bundesliga und auch wir kämpfen ums Überleben wie alle anderen Sportarten hinter dem Fußball". Ins selbe Horn bläst Baskets-Manager Kresimir Loncar, der zwar der Meinung ist, dass "Sport momentan das Letzte ist, um was sich die Menschen sorgen sollten". Aber eben auch nüchtern feststellt: "Für uns wie für alle anderen Bundesligamannschaften geht es um die Existenz. Wir werden erst mal eine total andere finanzielle Situation bei allen Klubs haben." Da kann die Nachricht von BVUK.-Chef Michael Reizel, neben dem Namensspender s.Oliver der zweite Hauptsponsor des Klubs, den Baskets zumindest etwas Hoffnung machen: "Die aktuelle Situation, in der sich unser Land befindet und die niemand von uns verschuldet hat, ist dramatisch und eine große Herausforderung für uns alle. Wir als Hauptsponsor stehen zu unseren vertraglichen Verpflichtungen. Gerade in Krisenzeiten braucht es Zusammenhalt und Geschlossenheit", sagt Reizel. Die Basket-Fanklubs haben verkündet, auf etwaige Ansprüche wegen Rückzahlungen gekaufter Tickets verzichten zu wollen.
"Die Änderungen werden drastisch sein", prophezeit Loncar. "Auch die Spieler werden bereit sein müssen, finanziell stark abgespeckte Verträge zu bekommen." Dafür ist Cameron Wells ein Paradebeispiel. Der 31-jährige Texaner hat durch die Saison seines Lebens seinen Marktwert enorm nach oben geschraubt. Eigentlich. Aber jetzt? So weit in die Zukunft will der Baskets-Spielmacher gar nicht schauen. "Step by step", sagt er und hofft, dass er erst mal diese Saison noch zu Ende spielen darf. Eine vorzeitige Flucht in die Heimat, wie es andere Amerikaner bei Baskets-Konkurrenten schon getan haben, kommt für den Kapitän nicht infrage: "Ich bleibe beim Team, und dann werden wir in den nächsten Tagen und Wochen sehen, was passiert. Ich will erst Ende Mai nach Hause", sagt er - und meint: nach ein paar Play-off-Spielen.
Fragt man ihn am Telefon, wie viele Netflix-Serien er sich denn inzwischen reingezogen habe, lacht Wells herzlich, erzählt was von Disney und betont, dass er auch Bücher lese. Auch für Wells' Landsmann Skyler Bowlin ist eine von den Baskets in Aussicht gestellte vorzeitige Vertragsauflösung, falls ein Importspieler nach Hause will, kein Thema, "in dieser schrägen Zeit". Bowlins aus Dänemark stammende Frau ist hochschwanger, und auch wenn es natürlich langweilig sei, so ohne Training und Spiele - wenigstens um sie "kann ich mich nun natürlich viel besser kümmern", zwischen den einsamen Joggingrunden.
Ansonsten schauen sie natürlich auch fern, "putzen die Wohnung, so Sachen halt". Natürlich machen die beiden sich noch ein wenig mehr Gedanken um dieses neuartige Virus und wie es das ungeborene Kind gefährden könnte. "Wir lesen so viel wie möglich darüber", sagt Bowlin, der zumindest Quellen gefunden hat, die behaupten, dass das Virus offenbar nicht von der Mutter aufs Ungeborene übertragen wird. "Wir versuchen natürlich, gesund zu bleiben, sind glücklich hier und fühlen uns sicher."
Immer fokussiert aufs nächste Training, das nächste Spiel, die nächste Herausforderung. Das alles gibt's aber jetzt nicht. Für (Mannschafts-)Athleten, die ihr ganzes Leben dem unterordnen (müssen), ist das derzeit womöglich noch ein wenig komplizierter als für die 9-bis-17-Uhr-Insbürogeher. Als ein "sehr komisches Gefühl, nicht zu wissen, wie es richtig weitergeht", umschreibt Joshua Obiesie die aktuelle Lage. Der 19-jährige Neunationalspieler betont aber auch, dass es sehr wichtig sei, "weiter Profi zu bleiben, sich gesund und fit zu halten". Ihm ist wichtig, trotz des Ernstes der Lage, auch "gute Laune zu verbreiten, weil viele ja Angst haben, weil sie nicht wissen, wie gefährlich das nun wirklich ist". Vermutlich auch deshalb hat das Baskets-Talent in den jüngsten Tagen kurze Videos auf Instagram gepostet, in denen er mit Freunden zu Hause tanzt oder beim Einkaufen mit Mannschaftskollege Brekkott Chapman Tüten in den Wagen wirft - und offenbar Spaß hat.
Den hat Baskets-Center Johannes Richter gerade nicht wirklich. Der 26-Jährige hat es fertiggebracht, sich im letzten Training vergangenen Donnerstag ein Band im Knöchel zu reißen. Sagt man ihm dann, neben dem Bedauern, dass es ja ungünstigere Zeitpunkte für eine solche Verletzung gäbe, lacht er und meint: "Ja, kann man etwas sarkastisch so sagen." Auch er glaubt nicht mehr wirklich daran, in dieser Saison noch einmal aufzulaufen. Nicht wegen des Bänderrisses. Neben seiner Rekonvaleszenz hat er noch etwas anderes vor: Richter will mit seiner Doktorarbeit vorankommen. Das Physikum hat er in der Tasche, es soll (naheliegend bei einem Leistungssportler) in Richtung Orthopädie gehen. Als er betont, er würde die Zeit nun gerne nutzen, um die Dissertation fertigzustellen, beginnt er das Lachen und schiebt nach: "Meine Frau schaut mich gerade ganz schräg an und grinst."
Dann wird Johannes Richter ganz ernst, hat größtes Verständnis für die "auch drastischen Maßnahmen" und sagt: "Ich glaube, in dieser Situation nun ist es ganz wichtig, dass die gesamte Gesellschaft Solidarität auch lebt." Sein Manager "Sport und Scouting", Kresimir Loncar meinte noch: "Wir sollten uns nun auf uns und unsere Familien und Liebsten konzentrieren. Der Sport wird wieder wichtiger werden, wenn alles andere drumherum passt."
Denis Wucherer hatte am Montag, als er die Spieler vormittags in die freiweillige Quarantäne schickte, "schon einen Kloß im Hals". Weil es sich ein bisschen angefühlt hat "wie ein Saisonende". Er hatte im Hinterkopf: "Es kann durchaus sein, dass diese Mannschaft so nicht mehr zusammenspielt. Und das macht erst einmal traurig."
Aber der Gegner ist nun halt erstmal ein anderer.