Es läuft die 25. Minute im Spiel der Würzburger Kickers gegen Eintracht Braunschweig, 0:0 steht es im Duell der beiden Zweitligisten. Daniel Hägele, von Trainer Bernhard Trares als Sechser neben Dominik Meisel im zentralen Mittelfeld aufgeboten, legt sich den Ball zu weit vor, setzt nach und rauscht ungestüm in Felix Kroos hinein. Schiedsrichter Florian Heft zückt völlig zurecht die Gelbe Karte. Es waren Situationen wie diese, die das Bild des Vizekapitäns gegen Braunschweig prägten: Der Routinier wirkte technisch unbeholfen, teils überfordert mit seiner Aufgabe im Zentrum. Vernichtend dann Hägeles Bewertung in unserer Einzelkritik: Note 5,5.
Die Analyse der Leistungsdaten des 31-Jährigen zeichnet ein ganz anderes Bild. Hägele brachte 66 seiner 73 Pässe an den Mann, was einer Erfolgsquote von 90 Prozent entspricht (nur Hendrik Hansen war mit 95 Prozent besser). Er entschied die Hälfte seiner 20 Zweikämpfe für sich - vor allem aber die Duelle in den entscheidenden Zonen. 17 Mal eroberte er den Ball, acht Mal davon in der gegnerischen Hälfte - Kickers-Bestwert an diesem Abend. Auch in der Luft überzeugte er, gewann fünf seiner acht Kopfballduelle. Seine Laufleistung: mit 10,73 Kilometern ordentlich. Überfällig ist deshalb an dieser Stelle eine Entschuldigung: Sorry, Häge! Die Note 5,5 war nicht gerechtfertigt.
Freilich war der Auftritt des Vizekapitäns in diesem Kellerduell trotzdem keine Glanzleistung. "Verhalf den Kickers nicht zur nötigen Struktur aus dem Mittelfeld heraus" war in unserer Einzelkritik zu lesen. Ein Satz, dessen Wahrheitsgehalt auch oben genannte Leistungsdaten nicht widerlegen können. Selten gelang es Hägele, das Spiel von seiner Position heraus anzukurbeln, Empfänger seiner Zuspiele waren meist die Außenverteidiger Rolf Feltscher (18 Pässe) und Arne Feick (acht Pässe). Über die Seiten, vornehmlich über Feltschers rechte, zogen die Rothosen dann ihre Vorstöße auf, durch das Zentrum lief wenig bis gar nichts.
Was den defensiven Teil seiner Aufgabe als Sechser angeht, ist dem Schwaben deutlich weniger anzukreiden. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb alle drei Kickers-Trainer in dieser Saison auf den 31-Jährigen setzten. In 14 von 16 Partien stand Hägele auf dem Rasen, davon elf Mal über die gesamte Spieldauer. Dabei wirkte der Mittelfeldmann, der im Juli 2018 von der SG Sonnenhof Großaspach an den Dallenberg gewechselt war, zum Rundenbeginn unter Michael Schiele deutlich instabiler als derzeit. Mag sein, dass er sich erst an die neue Liga gewöhnen musste: Zwar hat Hägele 186 Drittliga-Spiele auf dem Buckel, in Liga zwei war er vor dieser Saison aber noch nicht unterwegs.
Vom Spielführer zum Vizekapitän
Vielleicht wog aber auch die Bürde der Kapitänsbinde zu schwer. Schiele hatte ihn Anfang Juli zu Sebastian Schuppans Nachfolger als Spielführer bestimmt, gut drei Wochen später legte Hägele das Amt freiwillig wieder ab, Arne Feick übernahm. Seiner Leistung hat diese Entscheidung jedenfalls keinen Abbruch getan, eher wirkte sie befreiend: Im Kampf um den Platz im defensiven Mittelfeld hat der nun Vizekapitän gegenüber Lars Dietz - ein ähnlicher Spielertyp - klar die Nase vorn.
Es ist eher die Position neben Hägele, die den Kickers aktuell Kopfschmerzen bereitet. Trares scheint mit dem 4-2-3-1 inzwischen seine Lieblingsformation gefunden zu haben, auch das Stammpersonal ist klar formiert. Einzig den zweiten Sechser-Posten bekleiden immer wieder andere Spieler. Gegen Braunschweig durfte sich Dominik Meisel versuchen, in Osnabrück Nzuzi Toko. Spielerisch überzeugen konnte keiner der beiden. Patrick Sontheimer, in der vergangenen Saison häufig auf dieser Position aufgeboten, ist derweil weiter vorne fest als Zehner eingeplant.
Die große Unbekannte in dieser Rechnung: Martin Hasek. Von sich reden gemacht hat der Tscheche bei seinen Kurzeinsätzen bisweilen noch nicht. Zwar ließ der 25-Jährige das ein oder andere Mal seine guten Anlagen erkennen, wirkte aber immer wie ein Fremdkörper im Gerüst der Kickers. Trotzdem könnte der Mittelfeldspieler genau der Mann sein, den die Rothosen neben Hägele brauchen. In seinem Wechsel sah Sportvorstand Sebastian Schuppan "eine weitere Option im zentralen Mittelfeld". Bleibt die Frage, wann dies der Fall sein könnte. Noch setzt Trares nicht auf ihn.
Habt Ihr nichts aus dem Fall "Robert Enke" gelernt?