
Der sportliche Erfolg des FC 05 Schweinfurt in der Fußball-Regionalliga Bayern hat einen Schatten: Rechtsextreme, die sich vor einem Jahr als Hooligan-Vereinigung "JSM" hinter einer Zaunfahne mit dem Zusatz "jung. sportlich. motiviert" zu erkennen gegeben haben. Teile der Nullfünfer Fanszene gehen auf Distanz, das Gros verhält sich passiv. Die Gruppe, aus der einzelne Personen Kontakte zu einem militanten Netzwerk unterhalten, ist noch immer ein Teil des Fanblocks.
Der Verein und der Bayerische Fußball-Verband sehen die Entwicklung mit Sorge. Ebenso die Polizei, auch wenn von der "JSM" im Stadion keine Straftaten verübt worden sind. Sprecher Martin Kuhn verweist auf die Kriminalstatistik des Polizeipräsidiums Unterfranken: 2023 gab es im Bereich der politisch motivierten Kriminalität "rechts" 226 Fälle bei "leicht steigenden Tendenz".
Philipp Beitzel von der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) bei der Deutschen Sportjugend (dsj) erkennt in der Schweinfurter Entwicklung Parallelen zu Klubs mit traditionell problematischen Fanszenen: Essen, Braunschweig, Chemnitz, Cottbus oder auch Alemannia Aachen. Der Drittliga-Aufsteiger war in die Schlagzeilen geraten, weil Vernetzungen von rechtsextremen Hooligans bis in die Führungsebene nachgewiesen werden konnten.
Der FC 05 hat Hausverbote ausgesprochen und eine deutliche Erklärung gegen Diskriminierung und für Toleranz veröffentlicht, sieht sich darüber hinaus jedoch überfordert. Rechtsextremismus-Experte Robert Claus ordnet die "JSM" als gefährlich ein und bedauert das Fehlen eines Fanprojekts in Schweinfurt. Beitzel sagt: "Vereine müssen sich Unterstützung holen."
Was ist möglich? Antworten auf zentrale Fragen zu Maßnahmen.
Was ist der Unterschied zwischen Haus- und Stadionverbot?
Laut Nationalem Konzept für Sport und Sicherheit (NKSS) stehen Verein und Polizei, insbesondere die szenekundigen Beamten (SKB), rund um Fußballveranstaltungen in stetem Austausch. Die Vereine, so Polizeisprecher Martin Kuhn, seien "als Betreiber der Spielstätten Inhaber des Hausrechts" und könnten damit Hausverbote aussprechen.
Unbefristete Hausverbote hat der FC 05, der durch sein Nutzungsrecht des städtischen Sachs-Stadions rechtlich Hausrecht ausübt, vor einem Jahr gegen drei Mitglieder der "JSM" ausgesprochen, ohne dass es konkrete Vorfälle rund um Schweinfurter Spiele gegeben hätte. Das gilt auch für das Vereinsheim im angrenzenden Soccerdome sowie bei allen Veranstaltungen des Klubs. "Wir haben das Hausverbot ausgesprochen zur Wahrung der allgemeinen Ordnung und der Sicherheit anderer Zuschauer", bestätigten der Sicherheitsbeauftragte Tony Killen und Vereinsanwalt Jürgen Scholl.
Der Deutsche Fußballbund (DFB) und der Bayerische Fußball-Verband (BFV) können darüber hinaus bei Verstößen gegen die Stadionordnung, bei Gewalt gegen Personen oder bei schweren Sachbeschädigungen auch bereichsübergreifende Stadionverbote aussprechen. Diese sollen "dazu beitragen, Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwenden, Gewalt zu dämpfen und Straftaten zu verhindern". Für ein bundesweites Stadionverbot reicht die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.
Welche Polizei-Einheiten sind zuständig für Problem-Fans?
Seitens der Polizei halten Szenekundige Beamte (SKB) den Kontakt zu Vereinen und Fans. Sie sind Ansprechpartner rund um Sicherheit und mitunter bei Auswärtsbegegnungen anwesend. Für die Bearbeitung von Straftaten aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität seien "Beamte des polizeilichen Staatsschutzes" zuständig, sagt Kuhn. Im Fall der "JSM" seien sie sich mit der Polizeiinspektion Schweinfurt "in engem Informationsaustausch". Bei Risiko-Spielen und zu erwartenden Ausschreitungen sind laut Kuhn spezialisierte Kräfte des Unterstützungskommandos (USK) im Einsatz, das vor allem zur Bekämpfung schwerer Ausschreitungen aufgestellt wurde.
Um was handelt es sich bei Fanprojekten?
"Fanprojekte machen soziale Arbeit mit Fußball-Fans im Alter von 14 bis 27 Jahren", sagt Philipp Beitzel von der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS). Seit 1993 begleitet sie sozialpädagogisch arbeitende Fanprojekte, die von Kommunen und Land finanziert werden. "Die Summe, die beide zusammen geben, wird in den Profiligen von der DFL zusätzlich oben draufgelegt, in der Regionalliga und im Falle von Schweinfurt vom DFB", erklärt Beitzel.
Minimum sei eine Gesamtsumme von 120.000 Euro. Finanziert werden sollen damit generell mindestens zwei Vollzeitstellen und entsprechende Angebote. Die Projekte sind vom Verein unabhängig, und doch Teil des Netzwerkes vor Ort. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bei Spielen vor Ort, helfen beispielsweise bei der Organisation von Auswärtsfahrten.
Wer initiiert ein Fanprojekt?
Den Anstoß kann der Verein geben, oder die Fanszene selbst. Auch Kommunen oder Polizei können Fanprojekte initiieren, wenn zum Beispiel eine Fanszene durch Gewalt oder extremistische Einflüsse auffällt. Die KOS bietet dann Hilfe an, sagt Beitzel: "Wir haben auch schon einmal den FC 05 beraten." Als umgesetztes Beispiel in der Region nennt er das Fanprojekt der Würzburger Kickers. Voraussetzungen sei eine ausgeprägte Fanszene, eine erkennbare Notwendigkeit und eine Bereitschaft der Kommune zur Mitfinanzierung. Grundlage sei das Sozialgesetzbuch 8 (SGB), das die bundesgesetzliche Regelung der Kinder- und Jugendhilfe umfasst.
Welche Gruppen wollen Verein und Fanprojekt erreichen?
Ein wesentliches Problem sei, sagt Beitzel, "dass der Verein über allem steht für Fans". Die politische Einstellung anderer, die auch schon Jahre dabei sind, würden nicht hinterfragt. "Und den in seinen Strukturen gefestigten Nazi erreicht man mit Fanprojekten sowieso nicht."
Der Fall Aachen zeige, wie man es nicht machen solle: "Nämlich das Problem zu negieren." Man müsse versuchen, positive Strukturen in der Szene zu stärken, meint Beitzel. "Dazu gehört eine klare Haltung des Vereins, nicht nur in Statements oder Stadiondurchsagen." Man brauche einen langen Atem und dürfe nicht bei erstem Gegenwind einknicken. "Für viele Fans ist der Verein wie eine Religion: Wenn der für bestimmte Werte steht, besteht die Chance, dass Fans diese in ihren Alltag übertragen."
Was können soziokulturelle Aktionsbündnisse beitragen?
Die Gefahr einer Gewöhnung, "dass da halt Nazis in Schweinfurt sind", sieht Marietta Eder vom Bündnis "Schweinfurt ist bunt" nicht nur angesichts des Parteibüros des "III. Weg" im Stadtteil Oberndorf. Sondern auch mit Blick auf Mitglieder der "JSM", die Anfang Oktober gemeinsam mit Personen der rechtsextremistischen Kleinstpartei auf einer Kundgebung auftraten. Die Sprecherin des Schweinfurter Bündnisses für Demokratie und Toleranz erkennt im Fußballsport "eine ideale Möglichkeit, Menschen für sich zu gewinnen". Man sei deshalb auch mit dem FC 05 in Kontakt, der zu den offiziellen Bündnispartnern gehört. In Planung sei ein nachhaltiges, gemeinsames Konzept mit einem soziokulturellem Programm, sagt Eder. Das Motto: "Wir wissen, was ihr tut, und werden dagegen halten."