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Kleinochsenfurt
Weinlese bereits ab Montag: Was die extreme Trockenheit für die Ernte 2022 und den fränkischen Wein bedeutet
Die ersten Winzer in Unterfranken beginnen mit der Weinlese des Jahrgangs 2022. Die Landesanstalt für Weinbau sagt: Die Reben sind drei Wochen zu früh dran. Was heißt das?
Hitzeauswirkungen im Weinbau: Winzer Reiner Ullrich aus Kleinochsenfurt (Lkr. Würzburg) will bereits am 22. August mit der Weinlese der frühesten Sorte Ortega beginnen.
Foto: Thomas Obermeier | Hitzeauswirkungen im Weinbau: Winzer Reiner Ullrich aus Kleinochsenfurt (Lkr. Würzburg) will bereits am 22. August mit der Weinlese der frühesten Sorte Ortega beginnen.
Anna Kirschner
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:14 Uhr

Es ist ein äußerst früher Start in die Weinlese, die die Witterung in diesem Jahr dem Winzer Reiner Ullrich und seinen Kollegen beschert. "Sonst haben wir in der ersten oder zweiten Septemberwoche angefangen", sagt Ullrich. Jetzt aber wird er schon am 22. August mit der Sorte Ortega starten. Nach dem Hitzejahr 2019 ist das einer der frühesten Erntebeginne, an die sich der Winzer aus Kleinochsenfurt (Lkr. Würzburg) erinnert. 

Boden in den Weinbergen ist ausgedörrt

Wie es seinem Wein bei der Hitze ergeht? "Durst hat er", sagt Ullrich. Vor allem die jungen Reben  hätten wegen der weniger tiefen Wurzeln Probleme. Dort habe er viel Wasser fahren müssen, "der Boden ist ausgehungert." Ullrich führt den Weinbaubetrieb in Kleinochsenfurt in vierter Generation. Seit fünf bis zehn Jahren, sagt er, müsse er gießen. Vor allem die Wechselhaftigkeit im Zuge des Klimawandels falle ihm auf: "Letztes Jahr sind wir fast ertrunken, weil es zu feucht war." Heuer macht der mangelnde Regen den Reben zu schaffen.

Aber ist mehr Sonne nicht auch gut für den Wein? "Zu viel des Guten", sagt der Winzer. Zwar halte die Trockenheit die Fäulnis zurück, doch viele seiner Bacchusreben hätten Sonnenbrand. Die Trauben, die in der freien Sonne hängen, seien vertrocknet wie Rosinen.

Die Bacchustrauben vertrocknen schnell: Im Kleinochsenfurter Weinberg von Reiner Ullrich sind einige Beeren schon geschrumpft.
Foto: Thomas Obermeier | Die Bacchustrauben vertrocknen schnell: Im Kleinochsenfurter Weinberg von Reiner Ullrich sind einige Beeren schon geschrumpft.

Auch das Weingut Fesel am Würzburger Kirchberg will in der nächsten Woche mit der Ortega-Lese beginnen. Der Fränkische Weinbauverband schließt einen flächendeckenden Ernte-Start im August jedoch aus, nur vereinzelt würden jetzt schon die frühreifen Rebsorten geerntet. Und pauschale Aussagen seien schwierig, sagt Weinbaureferent Stephan Schmidt: "Der Entwicklungszustand der Weinberge und der Trauben ist in diesem Jahr extrem heterogen."

Auch die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim berichtet von zeitlichen Unterschieden. Im Schnitt aber seien alle Sorten drei Wochen zu früh in ihrer Entwicklung, sagt Daniel Heßdörfer, Leiter des Arbeitsbereichs Forschungskoordination am Institut für Weinbau und Oenologie. Vor allem in den jüngeren Lagen, berichtet Heßdörfer von den Weinbergen der LWG, beobachte man schon den Übergang zur Notreife. Die Beeren werden dann wesentlich kleiner und sie reifen nicht homogen aus - "das ist ganz tückisch". Bei der Notreife, so der LWG-Experte, lagere die Pflanze Bitterstoffe in den Beeren, die dann in den Wein übergehen können.

Der Jahrgang 2022 könnte mehr Alkohol enthalten - und bitter werden

Das Wetter wirke sich auf das fertige Produkt aus, sagt Winzer Reiner Ullrich: Durch die hohe Sonneneinstrahlung und die kräftige Photosynthese steige der Zuckergehalt - "die Weine werden dann sehr Alkohol-lastig". Zum Ausgleich brauche es mehr Säure, was die vielen Sonnenstunden jedoch verhindern. Weinbauexperte Daniel Heßdörfer rechnet deshalb mit Weinen, die dünn statt vollmundig schmecken. Wenn kein Wasser mehr da ist, könne die Pflanze allerdings auch keine Photosynthese mehr betreiben.

Der Trockenstress sei in diesem Jahr noch einmal stärker als bereits 2018 und 2019, sagt Heßdörfer. Die kurzfristige Folge: weniger Ertrag, geringere Rentabilität. Denn einige Winzer und Winzerinnen schneiden Trauben heraus, um die Stöcke zu entlasten. Langfristig schade die Hitze der Vitalität der Rebe, sagt der LWG-Experte, sie werde auch anfälliger für Pilze und Bakterien. Und: Die besten Lagen sind aktuell im Nachteil, weil es zu heiß ist, sagt Heßdörfer: "Die ehemals schlechteren Lagen gewinnen zunehmend an Güte."

Seine zwei Jahre alten Silvanerreben musste Winzer Reiner Ullrich in diesem Jahr wieder bewässern.
Foto: Thomas Obermeier | Seine zwei Jahre alten Silvanerreben musste Winzer Reiner Ullrich in diesem Jahr wieder bewässern.

"Der Klimawandel bleibt nicht stehen", sagt der promovierte Agrarwissenschaftler. Auch in Zukunft werde es mal feuchte, mal trockene Jahre geben, doch die Temperaturen würden durchgängig höher ausfallen als im langjährigen Mittel. Dadurch verdunste mehr Wasser vom Boden und den Blättern, der Trockenstress nimmt zu. "Und worauf wir uns auf jeden Fall einstellen müssen, ist: Wenn es regnet, wird es wahrscheinlich heftig regnen", warnt Heßdörfer.

Andere Unterlage für die Veredelung suchen

Artenreiche Begrünung im Weinberg helfe gegen Erosion und bei Starkregen. Die Triebe der Reben stärker einzukürzen bewirke, dass weniger Blattmasse entsteht, über die Wasser verdunstet. Und als Unterlage für die Veredelung empfiehlt Heßdörfer Sorten mit stärkerem Wurzelwachstum: "Es kann nicht sein, dass wir nur über Bewässerung nachdenken. Der Wasserverbrauch muss gesenkt werden." Die wenigen Niederschläge müssten bestmöglich im Boden ankommen.

Bewässerung hin oder her – nicht alle Sorten werden sich halten können, prognostiziert der Kleinochsenfurter Winzer Ullrich: "Der Bacchus wird in Franken aussterben, wenn es so weitergeht." Auch der Müller-Thurgau komme in Schwierigkeiten. "Wenn es so weitergeht, werden wir südländische Trauben anbauen müssen", sagt Ullrich. Nur sei das nicht ganz so einfach. "Wir brauchen auch den Markt dafür", sagt auch LWG-Experte Heßdörfer. "Das ist eine langfristige Geschichte."

 
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