Sie stehen für hohe Qualität und prägen die Landschaft in Main-Franken. Die Steillagen der Weinberge. Doch sie sind in Gefahr. Lässt der Klimawandel sie austrocknen? Oder werden sie für Winzer weniger interessant, weil sie immer aufwändiger zu bewirtschaften sind und die dort angebauten Weine zuviel Zucker und damit Alkohol enthalten? Werden dort künftig schwere Rotweine heranreifen? Der Klimawandel wird den Weinbau in Franken grundlegend verändern, da sind sich die Experten einig.
Trockenheit ist das größte Risiko
Hermann Mengler, Leiter der Weinfachberatung des Bezirk Unterfranken, unterscheidet in kurz-, mittel-, und langfristige Folgen des Klimawandels für den fränkischen Weinbau. Wasserknappheit und Spätfröste seien kurzfristig die größten Risiken. Hinzu kommen neue Schädlinge wie die Kirschessig-Fliege, die seit sechs Jahren vor allem den Rotweintrauben zusetze. Steigende Öchslegrade und eine insgesamt höhere Qualität des Weines seien aktuell die größte Chance. Hinzu komme die Möglichkeit, neue Rebsorten anzubauen und mit ihnen zu experimentieren, sagt der fränkische Weinbaupräsident Artur Steinmann.
Steinmann sieht gerade beim Thema Wasser aber auch die Politik gefragt. Das könnten die Winzer nicht alleine schaffen. Grundwasser zum Bewässern komme in unserer trockenen Region nicht in Frage. Und auch der Main dürfe gerade in trockenen Sommern nicht als Wasserlieferant dienen. Staubecken, die im Winter das Wasser sammeln und mit einer intelligenten Tröpfchenbewässerung den Wein im Sommer ausreichend und automatisiert bewässern, seien die Zukunft. Nur so sei die fränkische Kulturlandschaft mit ihren klassischen Weinhängen zu erhalten.
Anteil der Rebsorten ändert sich gerade
Zudem bleibe den Winzern schon heute weniger Zeit, den Wein im Weinberg zu hegen und pflegen. Lagen früher 100 Tage zwischen Blüte und Ernte seien es heute noch 80, berichtet Steinmann, der seinen Weinbaubetrieb in Sommerhausen (Lkr. Würzburg) hat. Hinzu komme, dass viele Rebsorten, die man früher nacheinander ernten konnte, jetzt gleichzeitig reif seien, ergänzt Jungwinzer Daniel Sauer vom Weingut Rainer Sauer in Escherndorf.
Mittelfristig sieht Mengler auch einen klimabedingten Wandel der Rebsorten. Dies könne man schon jetzt beobachten. Erstmalig in der Geschichte des fränkischen Weinbaus hat der Silvaner 2019 beim Anteil an der Rebfläche den Müller-Thurgau überh0lt und diesen Vorsprung 2020 weiter ausgebaut. Das liege zwar auch "am zu Unrecht schlechten Image des Müller-Thurgau", sagt Artur Steinmann. Fakt sei aber, dass der Silvaner am besten mit höheren Temperaturen zurecht komme. Der Bacchus am schlechtesten, und auch der Riesling mag es eher kühl und trocken, so Mengler. In den Toplagen bekomme er dadurch immer mehr Probleme. So geben Winzer und Weinexperten dem Bacchus die geringste Chance, in Franken künftig noch eine große Rolle zu spielen. Immerhin aktuell noch die häufigste Rebsorte nach Silvaner und Müller-Thurgau.
Könnte ein fränkischer Merlot konkurieren?
Sommelier Peer F. Holm, Präsident der deutschen Sommelier-Union, meint zum Klimawandel, Silvaner und Müller-Thurgau aus Franken zeichneten sich aktuell durch ihre Finesse und Feinheit aus. Die große Herausforderung an die Winzer werde sein, dass bei steigenden Temperaturen aus diesen Weinen keine "Alkoholbomben" würden.
Rotwein-Rebsorten wie Merlot oder Cabernet Sauvignon würden seiner Meinung nach den fränkischen Winzern nicht weiterhelfen, weil die Identität der Region dadurch verloren ginge. Ein toller Merlot aus Franken stünde 1:1 in Konkurrenz zu einem Merlot aus Südfrankreich oder Bordeaux. Da könne er nur verlieren. Dennoch begünstige der Klimawandel Rotweine aus Franken. Holm würde sich dann aber eher einen Spätburgunder statt einem Merlot aus Franken wünschen.
Weinbau an ganz neuen Orten?
Auch Cornelius Lauter von der Gebietswinzergenossenschaft Franken (GWF) glaubt nicht, dass wärmeliebendere Rebsorten wie Sauvignon Blanc, Chardonney oder eben Merlot, die es in Franken in kleinen Mengen ja alle schon gebe, in den nächsten Jahren flächendeckend angebaut würden. Die fränkischen Winzer verstünden es sowohl im Weinberg als auch im Keller, den Restzuckergehalt gering zu halten. Ein halbtrockener Silvaner sei jedenfalls die falsche Antwort auf den Klimawandel.
Silvaner und Burgunder sieht Lauter als die Gewinner des Klimawandels unter den Rebsorten. Sie könnten auch in Sonnenlagen zu typisch fränkischen Weinen heranreifen, während der Bacchus dort auf verlorenem Posten stehe. Aber vielleicht könne der dann in Lagen gedeihen, wo heute noch gar kein Weinbau betrieben werde.
Bleibt Franken ein Weißweingebiet?
Neue Lagen und andere Sorten auf den bisherigen Rebflächen dürften die langfristigen Folgen des Klimawandels für den Weinbau sein, sagt Oenologe Hermann Mengler. "Wir waren mal die nördlichste Region in Europa, in der Weinbau möglich war, das sind wir heute schon nicht mehr." Es kämen neue nördlichere Anbaugebiete in England oder Dänemark hinzu, dafür würde Weinbau in den südlichsten Regionen wie Sizilien oder Sevilla immer schwieriger. Dann könnten eines noch fernen Tages in der Tat auf den kostbaren fränkischen Steillagen hervorragende Rotweine reifen. Doch noch sei es zu früh, auch der Markt würde größere Mengen fränkischen Rotwein gar nicht aufnehmen.
Franken ist und bleibt ein Weißweingebiet, ist sich Artur Steinmann sicher. Natürlich seien die Rotweine besser geworden und hätten in den vergangenen Jahren auch beständig ihren Anteil an der Rebfläche erhöht. Doch der frische Weißwein mit seiner knackigen Säure bleibe das Aushängeschild des fränkischen Weins. Und der Silvaner sei nun einmal der Gewinner der Hitze. Schließlich werde der sogar in Südafrika angebaut. Dort würden ihm aber die kühlen Nächte im Herbst vor der Lese fehlen, die den fränkischen Silvaner seine außergewöhnliche Note verliehen.
Steillagen wirtschaftlich betreiben
Auch Steinmann will nicht ausschließen, dass wärmeliebende Rotweine wie Merlot und Cabernet Sauvignon am Main an Bedeutung gewinnen werden. Den Silvaner aber würden sie seiner Meinung nach nicht verdrängen können. Schon gar nicht von den Top-Lagen, den fränkischen Steillagen. Die auch wirtschaftlich noch mit Weinbau betreiben zu können, sei in punkto Weinbau die größte Herausforderung, die der Klimawandel an die Region stelle.