in den Bocksbeutel

Wer an kalten Wintertagen durch die Weinberge wandert, bleibt vor den Rebstöcken irritiert stehen. Hat jemand die Äste abgeschnitten? Da die Fruchtruten noch im Weinbergsdraht hängen, ist der Schnitt kaum zu erkennen. Bei genauem Hinsehen indes gibt es keinen Zweifel. Bis auf ein oder zwei Triebe sind die Rebstöcke von den Ästen getrennt.
Für einen guten Wein im Bocksbeutel beginnt die Arbeit im Weinberg nicht im Herbst zur Lese. Sie startet bei eisiger Kälte zu Beginn des neuen Jahres mit dem Winterschnitt. Die Winzer gehen durch die Zeilen und schneiden mit der Rebschere die Triebe heraus.

Durch den starken Rückschnitt wird der Ertrag reduziert, dafür steigt die Qualität der Weintrauben: Sie gedeihen besonders groß, weil der Strauch nur wenige von ihnen ernähren muss.
Nur die vielversprechendsten Triebe lassen die Winzer stehen und binden diese in einem großen Bogen an den Weinbergsdraht. Reben benötigen etwas, woran sie sich festklammern können. Denn sie stammen von Waldgewächsen ab. Ihre schnell wachsenden Triebe rankten sich einst um Bäume, ehe der landwirtschaftliche Weinanbau die Äste gegen Holzpfähle oder eben einen gespannten Draht ersetzte.
Rund 7000 Jahre ist das her. Die Babylonier, die Ägypter und Griechen kultivierten den Weinanbau. Die Römer waren es dann, die wie so vieles andere auch den Wein und die Reben vor etwa 2000 Jahren nach Deutschland exportierten.
Die abgeschnittenen Ruten werden gehexelt und landen als Dünger wieder auf dem Weinberg. In manchen Gegenden bündeln die Winzer die Reben zu großen Ballen, lassen das Holz trocknen und nutzen es als Grillholz.
Im April zeigen die Rebstöcke ihre ersten Blütenansätze, das sogenannte Gescheine. Jetzt benötigt der Stock viel Feuchtigkeit, um sich gut entfalten zu können. Im Juni stehen die Reben dann in voller Blüte.
Klimaveränderungen und die Auswirkungen auf den Wein
Aufgrund der klimatischen Veränderungen in den vergangenen Jahren beobachten die Winzer unterdessen starke zeitliche Schwankungen. Trockenheit und hohe Temperaturen im Frühling lassen die Reben bis zu drei Wochen früher blühen als (bislang) üblich. Langjährige Messungen zeigen eine durchschnittlich um zehn bis 14 Tage früheren Start der Rebblüte als noch vor etwa 50 Jahren.
Gute Nachricht für Weinliebhaber:
- Mit dem früheren Austrieb und der früheren Blüte verlängert sich auch die Vegetationszeit der Pflanzen.
- Damit bleibt vielen Rebsorten auch mehr Zeit, um die für die Qualität des Weines so wichtigen Inhaltsstoffe in der Beere zu lagern und etwa einen höheren Zuckergehalt zu entwickeln.
Gerade beim Weißwein zeigen sich in den vergangenen Jahren Tendenzen zu weniger Säure- und höherem Alkoholgehalt. Lediglich der Müller-Thurgau, der oft nicht im Bocksbeutel landet, scheint den veränderten Klimabedingungen zu trotzen. Beim Rotwein ändert sich vor allem das Rebsortenspektrum. Weine, die bislang lediglich in Südeuropa angebaut wurden, wandern langsam über die Alpen. In Österreich, aber auch in Deutschland fühlen sich mittlerweile Rebsorten heimisch, die man nur aus Spanien oder Italien kannte.

Für alle Rebsorten problematisch könnte die zunehmende Trockenheit werden. Je nach Wasserspeicherkapazität des Bodens kann sich die Rebe relativ gut anpassen - im Vergleich zu anderen Pflanzen. Auf jeden Fall stellt das sich ständig ändernde Wasserangebot des Bodens einen wesentlichen Stressfaktor dar. Reben können geringste Wasservorräte nutzen, da ihre Wurzeln, wenn es der Boden ermöglicht, bis in zehn Meter Tiefe wachsen.
Der Würzburger Klimaforscher Heiko Paeth weist schon seit einiger Zeit darauf hin, dass es in absehbarer Zeit keinen Wandel in Klimapolitik geben werde. Folglich sei mit weiteren und intensiveren Trockenperioden zu rechnen, auf die die Landwirtschaft und der Weinbau Antworten finden müsse.
Sicher ist, dass Bodenpflege und das Thema Wasserhaushalt für alle Winzer eine zusätzliche Herausforderungen darstellen.
Mehr Sonne, mehr Mostgewicht
Die Arbeit im Weinberg setzt sich im Sommer fort. Wer glaubt, die Winzer ziehen jetzt nur den Rotwein aus dem Vorjahr auf die Flasche und lassen es ansonsten ruhig angehen, täuscht sich. Jetzt folgt der für den Laien wahrscheinlich merkwürdigste Teil der Weinbergsarbeit: die sogenannte grüne Lese.

Die Winzer ziehen durch die Zeilen und schneiden unreife Trauben raus. Sie reduzieren damit den Ertrag des Rebstocks. Ziel ist, die Kraft der Pflanze auf wenige Trauben zu konzentrieren, um die Qualität des Leseguts zu erhöhen. Auch das Blattwerk wird immer wieder gekürzt, bis in den Spätsommer, wenn die fast reifen Trauben beinahe komplett vom Laub befreit sind.
Je länger die Trauben am Rebstock hängen und der Spätsommer noch genügend Wärme für den Reifeprozess spendet, desto mehr Zucker lagern die Trauben ein und das Mostgewicht steigt stetig an. Allerdings lässt sich dieser Prozess nicht endlos fortsetzen, da die Kühle der Nacht, den Trauben Teile des Zuckers wieder raubt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt halten sich die Zuckerproduktion am Tag und der Verlust in der Nacht die Waage. Dann sind die Trauben vollreif und werden gelesen. Es sei denn, der Winzer möchte überreife Trauben oder Eiswein ernten, dann lässt er sie noch hängen.
Die Lese, das Herbsten, die Ernte

Die Höhe des Mostgewichts bestimmt er mit dem Refraktometer. Streng genommen misst ein Refraktometer die Lichtbrechung von transparenten Stoffen. Beim Wein gibt er das Mostgewicht an, das in „Grad Oechsle“ (benannt nach Ferdinand Oechsle) gemessen wird.
Das Mostgewicht ist ein Maß für den Anteil der gelösten Stoffe (mehrheitlich Zucker) im Traubenmost und somit ein wichtiges Qualitätskriterium von Wein. Unter anderem werden so die Qualitätsstufen des Weines bestimmt, also gemessen, ob es sich bei dem Wein um Tafelwein, einen Kabinett oder eine Auslese handelt.
Die Lese, auch „herbsten“ genannt, erfolgt in vielen Fällen mit dem Vollernter. In besonderen Steillagen oder bei besonderen Weinqualitäten wird noch von Hand gelesen. Das Lesegut wandert in die Entrappung, in der die Trauben von Stiel und Stängel entfernt werden. Übrig bleibt ein Brei aus Fruchtfleisch, Beerenschalen und Saft: die Maische.

Auf der Maische gelagert oder nicht
Der Weißwein wandert sofort in die Kelter. Rotwein lässt man üblicherweise auf der Maische liegen, um Farbe und Aromen aus den Schalen zu lösen. Der Saft roter Trauben ist nämlich ebenfalls hell. Werden sie sofort gekeltert, ohne auf der Maische zu liegen, wird er „weiß gekeltert“ und es entsteht ein „weißer Dunkler“, ein „Blanc de Noir“. Liegen die Trauben kurz auf der Maische, entsteht ein Rosé.

Spätestens jetzt schlägt die Stunde der Kellermeister. In unterschiedlichen Behältern, je nach Belieben des Winzers, wandelt der Most den gelösten Zucker in Alkohol um. Diesen Prozess nennt man Gärung. Manche Weine landen während dieser Zeit in Holzfässern, um sie zum sogenannten „Barrique“ auszubauen. Einige Winzer füllen den Most in Granittanks oder andere exotischere Behältnisse. Das Gros des noch jungen Weins vergärt in Edelstahltanks.
Zwei bis sechs Wochen braucht der Most für seine Wandlung zum Wein, danach wird er geklärt und gegebenenfalls durch Verschnitte verfeinert, ehe er auf die Flasche gezogen wird. Der Rotwein folgt Monate später. Er kommt erst im August auf die Flasche. Das Verschneiden des Weines ist übrigens nichts Ungewöhnliches. Allerdings müssen 85 Prozent sortenrein bleiben, wenn auf dem Etikett die Sorte wie „Silvaner“ oder „Riesling“ genannt werden soll.
Die Abfüllung erfolgt vollautomatisch in die für die Region oder die Sorte typische Flasche. In Unterfranken ist das für die hochwertigen Weine oft der Bocksbeutel, um dessen Herkunft und Bezeichnung sich mancher Mythos rankt.