Es sind traurige Rekorde: Jeden Tag meldet das Robert Koch-Institut (RKI) derzeit neue Höchstwerte bei den Corona-Zahlen. Die vierte Welle türmt sich immer höher auf, die Angst vor einem Kollaps der Krankenhäuser wächst. "Wir haben im Moment noch nicht die Notwendigkeit einer Triage", sagt Privatdozent Dr. Matthias Held, Lungenspezialist und Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Aber: "Die Kapazitäten sind sehr, sehr angespannt."
Das Erschreckende daran: Die Situation ist nicht neu. Genau vor einem Jahr war die Lage ähnlich dramatisch, in den Kliniken herrschte auch im November 2020 der Ausnahmezustand. "Dass sich die Pandemie nun schon über so lange Zeit hinzieht, ist für mich persönlich und alle anderen Mitarbeiter eine große Herausforderung", sagt Held. Corona habe Spuren hinterlassen, "man spürt bei vielen Menschen Erschöpfung". Immer wieder seien Ruhe- und Erholungszeiten "weggefallen, weil man einfach da sein musste".
Auf den Stationen ist das Unverständnis über die vielen Ungeimpften groß
Wie lange hält man das noch durch? Was bedeutet es für Ärzte und Pflegende, täglich die Angst der schwer an Covid Erkrankten zu erleben? Und wie hilft man einem Menschen, der keine Luft mehr bekommt? Auch im zweiten Pandemie-Jahr ist vieles für Außenstehende kaum vorstellbar. Und der harte Kampf um die Corona-Kranken findet meist hinter verschlossenen Kliniktüren statt.
Im vergangenen Winter hat Matthias Held gemeinsam mit dieser Redaktion versucht, das zu ändern. Mehrere Monate lang ermöglichte er in einem Corona-Tagebuch exklusive Einblicke in den Klinikalltag. Dabei ging es nicht nur um reine Patientenzahlen, sondern um die Mitarbeiter, um das, was sie leisten, durchmachen und erleben. Und um die Schicksale, die hinter den Inzidenzen stehen.
Angesichts der aktuell dramatischen Corona-Lage wird Held seine regelmäßigen Berichte nun fortsetzen. "Ich bin jemand, der versucht, nicht zu polarisieren", sagt der Mediziner. Aber er erlebe jeden Tag, was die vierte Welle für Mitarbeiter in den Krankenhäusern bedeute. "Und wenn man weiß, dass wir uns nur deswegen überanstrengen müssen, weil wir noch eine zu hohe Quote ungeimpfter Menschen haben – da ist das Unverständnis groß."
An diesem Freitagmorgen etwa seien die Intensivstationen im Klinikum Würzburg Mitte voll belegt gewesen, sagt Held. Insgesamt 23 Corona-Patienten werden hier behandelt, sechs davon intensiv. "Zudem haben wir sechs Patienten aus Südbayern übernommen", so der Ärztliche Direktor. Und ja, das sei ein "Drahtseilakt" zwischen der Hilfe für bereits überlastete Krankenhäuser und der Verantwortung gegenüber allen anderen Patientinnen und Patienten.
Möglich werde das nur durch tägliches Abwägen, Umorganisieren und Flexibilität. Nicht dringliche Operationen würden längst verschoben. "Nur: Was nicht dringlich ist, muss jeden Tag neu bewertet werden", sagt Held. Noch gelinge es, den meisten Menschen gerecht zu werden. Noch müsse man "keinem Patienten eine Therapie versagen oder ihn aus Würzburg wegverlegen". Aber: "Das ist ein Kraftakt."
Held selbst hat bis heute unzählige Covid-19-Patienten behandelt. Schwerpunkt des 51-Jährigen ist die Pneumologie, die Lungenheilkunde. An der Missioklinik hat der Mediziner das Lungenhochdruckzentrum aufgebaut. Seit 2018 ist er Chefarzt der Medizinischen Klinik und seit Oktober 2020 Ärztlicher Direktor des Klinikums Würzburg Mitte.
Ein "nine to five"-Job ist das nie. Erst recht nicht in der Pandemie. Corona zehre schon sehr an den Kräften, sagt Held, vor allem jetzt die extreme vierte Welle. Wäre sie vermeidbar gewesen? Im Sommer und Herbst sei manches zu locker gehandhabt worden, kritisiert der 51-Jährige: "All das, was da nicht oder verzögert passiert ist, lässt uns jetzt eine große Last beklagen." Mit schnelleren und pragmatischen Entscheidungen hätte die vierte Welle aus seiner Sicht zumindest flacher ausfallen können.
Held: Impfpflicht könnte am Ende der einzige Weg aus der Pandemie sein
Wie geht es jetzt weiter? Die Lage in den Krankenhäusern hinkt der Inzidenzentwicklung meist zwei bis drei Wochen hinterher. "Bis in den Januar und Februar sehe ich keine Entspannung für uns alle", warnt Held deshalb. "Wir schaffen das, aber man muss sich stark zusammenreißen." Damit die Pandemie nicht endlos werde, ist für den Lungenspezialisten klar: "Wir brauchen eine Impfquote von deutlich über 90 Prozent" – auf welchem Wege auch immer, sagt Held. "Wenn monatelange Appelle an das Miteinander und die Rücksichtnahme verhallen, dann kann es sein, dass uns am Ende nichts anderes als eine Impfpflicht übrigbleibt."
Ab der kommenden Woche erscheint das Tagebuch von Dr. Matthias Held aus dem Klinikum Würzburg Mitte wieder zwei Mal wöchentlich auf mainpost.de. Alle bisher erschienenen Beiträge finden Sie unter www.mainpost.de/corona-tagebuch
Abgeordneter Martin Sichert (AfD):
Meine erste Frage geht an Professor Marx von der DIVI. Sie schreiben in Ihrer Stellungnahme: 1 662 Patienten sind mit Covid-19 letzte Woche in den Intensivstationen aufgenommen worden. Nun hört man aus Bayern und anderen Bundesländern, dass ein großer Teil der Intensivpatienten geimpft sei. Frage an Sie, Herr Professor Marx: Wissen Sie, wie viele der 1 662 Patienten geimpft bzw. ungeimpft waren?
Prof. Dr. Gernot Marx. Der Arzt ist seit Anfang 2021 gewählter Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), die wiederum das Intensivregister erstellt:
Vielen Dank für die Frage. Diese Frage kann ich leider nicht beantworten, weil wir bisher noch nicht erfasst haben, welche Patienten auf den Intensivstationen geimpft und welche nicht geimpft sind. Die Frage ist richtig und wichtig.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management
von Dr. Held !
Es ist mir vollkommen egal, ob diese Schlaumeier einfach nur zu blöd sind, das Prinzip einer exponentiellen Verbreitung zu verstehen, ob sie grundsätzlich nicht in der Lage sind, kommende Entwicklungen zu antizipieren oder ob sie aus politischen Gründen öffentlich Käse verbreiten. Oder es einfach nur profane Impfschisser sind …
Wenn jemand nicht geimpft werden will, dann ist das (zumindest aktuell) sein gutes Recht.
Aber wenn jemand öffentlich Falschinformationen mit der Zielsetzung verbreitet, dass andere sich nicht impfen lassen, dann sollte der Rest der Gesellschaft nicht einfach nur dastehen wie die Kälber …