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Würzburg
Untreueverdacht bei kirchlichem Bauträger: Die Chronologie der SBW-Affäre
Seit Juli 2018 beschäftigt die SBW-Affäre die Diözese Würzburg. Wir haben die bisherigen Ereignisse chronologisch zusammengefasst.
SBW Gebäude in der Rotkreuzstraße 2a in Würzburg.
Foto: Thomas Obermeier | SBW Gebäude in der Rotkreuzstraße 2a in Würzburg.
Christine Jeske
 und  Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 12.05.2023 11:56 Uhr

Die Abfolge der öffentlich bekannt gewordenen Ereignisse:

9. Juli 2018: Es wird bekannt, dass sich das Bistum Würzburg Ende Juni vom Geschäftsführer der SBW Bauträger- und Verwaltungs-GmbH, überraschend getrennt hat. Die SBW-GmbH ist eine Schwesterfirma des St. Bruno-Werks der Diözese Würzburg . Alleingesellschafter der SBW ist der Bischöfliche Stuhl. Der Geschäftsführer wird gleichzeitig als Leiter der Liegenschaftsabteilung des Bischöflichen Ordinariats freigestellt. Darüber hinaus löst die Diözese das SBW-Aufsichtsratsgremium auf. Ihm gehörten Albrecht Siedler (bischöflicher Finanzdirektor und Aufsichtsratsvorsitzender), Adi Bauer (Zweiter Bürgermeister von Würzburg), Bruno Greier (Rechtsanwalt) und Jürgen Lenssen (Domkapitular im Ruhestand und ehemaliger Bau- und Kunstreferent der Diözese) an. Als Grund gibt die Diözese „Entflechtung“ an. 

11. Juli 2018: Das Bistum bezieht erstmals Stellung zu den von Generalvikar initiierten Maßnahmen bezüglich der SBW-GmbH (Ablösung Geschäftsführer und Auflösung Aufsichtsrat). Demnach gebe es Sachverhalte, die eine Klärung bedürften. Derzeit würden „Fragen nach Compliance, guter Verwaltungsführung, Kontrolle und Transparenz“ überprüft. Dies bedeute jedoch keinen Vorwurf gegen die bisher verantwortlichen Personen.

12. Juli 2018: Die Diözese schaltet die Justiz ein. Generalvikar Thomas Keßler hat laut einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Sachverhalte vorgelegt, die der Klärung bedürfen und ihr „vollumfängliche Kooperation“ zugesichert. Keßler habe den Bischof über das Vorgehen informiert. Nähere Angaben, welche Sachverhalte im Raum stehen, nennt die Diözese nicht.

13. Juli 2018: Die Staatsanwaltschaft bestätigt den Eingang einer Anzeige. Zum Straftatbestand gibt es keine Angaben, nur dass der Vorgang von der Wirtschaftsabteilung bearbeitet wird. Der abgelöste SBW-Geschäftsführer gibt sich gelassen und sagt: „Ich habe nichts angestellt.“

13. Juli 2018: Generalvikar Thomas Keßler fordert in einem Schreiben alle Priester, Diakone, Mitarbeiter in der Pastoral und in den Einrichtungen und Dienststellen der Diözese zur Kooperation mit der Staatsanwaltschaft auf – nach Rücksprache mit dem Generalvikariat. Keßler informiert zudem, dass Alexander Krebs kommissarischer Leiter der Liegenschaftsabteilung wird.

19. Juli 2018: Es wird bekannt, dass gegen den ehemaligen Geschäftsführer der SBW-GmbH, wegen des Verdachts der Untreue ermittelt wird. Ebenso, dass es bereits seit Juni einen rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Würzburg gibt, nach dem sich der damalige bischöfliche Finanzdirektor der „Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt“ schuldig gemacht hat. Die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass von Januar 2013 bis Dezember 2015 Stipendiaten beim Ordinariat beschäftigt waren, für die aber keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden. Keine konkreten Angaben gibt es zur Höhe des Strafbefehls, nur, dass sich die Geldstrafe „im mittleren fünfstelligen Bereich bewegt“.

19. Juli 2018: Darüber hinaus wird bekannt, dass sich die Ex-SBW-Aufsichtsräte Bauer, Greier und Lenssen bereits Anfang Juli in einem Brief an Bischof Franz Jung gewandt und um ein Gespräch gebeten haben sollen. Sie seien über ihre Ablösung nicht vorher informiert worden, etwa in den Gesellschafterversammlungen, zu denen Generalvikar Keßler immer eingeladen worden, aber nie erschienen sei.

20. Juli 2018: Der damalige Finanzdirektor tritt mit sofortiger Wirkung von seinen kirchlichen Ämtern zurück. Die Diözese gibt die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge mit 107.000 Euro an. Der Betrag samt Nebenkosten sei nachgezahlt worden.

20. Juli 2018: In der parallel laufenden SBW-Affäre spielt der von der Diözese 2016 an ein Künstler-Ehepaar verkaufte Erbachshofs in Eisingen (Lkr. Würzburg) die Hauptrolle. Dem SBW-Geschäftsführer sei nicht erlaubt gewesen sein, Grundstücke zu kaufen oder zu verkaufen, ohne dass der SBW-Aufsichtsrat diese Geschäfte abgesegnet hatte. Gegenstand der staatsanwaltlichen Ermittlungen sei, wer beim Verkauf Pflichten verletzt hat.

20. Juli 2018: Die Diözese bestätigt, dass Adolf Bauer am 3. Juli aus eigenem Entschluss als Aufsichtsratsvorsitzender der Vinzenz Schreinerei und Buchbinderei GmbH zurückgetreten ist. Bauer sagt, dass er keine Schuldgefühle habe und Aufsichtsratsvorsitzender des St. Bruno-Werks bleiben möchte. Gleichzeitig attackiert er die Bistumsleitung wegen der Art und Weise des Umgangs.

24. Juli 2018: Der Anwalt der Diözese Hanjo Schrepfer geht davon aus, dass die ehemaligen SBW-Aufsichtsräte Siedler, Bauer, Greier und Lenssen in den nächsten Tagen von der Kripo geladen werden – „entweder als Zeugen oder als Beschuldigte“.

22. August 2018: In der Finanzaffäre um die kirchliche SBW-Bauträger- und Verwaltungs-GmbH hat die Staatsanwaltschaft Würzburg auf Nachfrage bestätigt, dass sechs Anwesen in Stadt und Landkreis Würzburg sowie in angrenzenden Landkreisen durchsucht wurden. Die Aktion fand gleichzeitig statt. Dabei wurden Unterlagen und Datenträger des Ex-Geschäftsführers – er wird der Untreue beschuldigt – sowie von Zeugen sichergestellt. Die Polizei war unter anderen in der Würzburger Wohnung von Jürgen Lenssen. Der emeritierte Domkapitular und ehemalige Bau- und Kunstreferent gilt als Zeuge. Durchsucht wurden auch die Räume der SBW GmbH, eine Schwestergesellschaft des Bruno-Werks in der Würzburger Rotkreuzstraße. Nach Informationen der Redaktion handelt es sich bei den anderen durchsuchten Objekten um Wohnungen und Büros von ehemaligen SBW-Aufsichtsratsmitgliedern. Dies hat die Staatsanwaltschaft jedoch weder bestätigt noch dementiert.

11. April 2019: Die Diözese stellt den neuen Aufsichtsrat der SBW-GmbH vor. Aufsichtsratvorsitzender ist der Wirtschaftsgeograf Oettinger, er war von 1988 bis 2018 Würzburgs Tourismusdirektor beziehungsweise Geschäftsleiter des städtischen Eigenbetriebs Congress Tourismus Würzburg (CTW). Sein Stellvertreter ist der Steuerberater Herbert Becker, der den Angaben zufolge in verschiedenen kirchlichen Gremien der Diözese Würzburg tätig ist; etwa im Diözesanrat der Katholiken und im Diözesanpastoralrat. Der dritte neu ernannte Aufsichtsrat ist der Diplom-Ingenieur, Architekt und Sachverständige Werner Seifert.

1. Juli 2019:  Die kirchliche Immobiliengesellschaft SBW bekommt einen neuen Geschäftsführer: Chef wird der 31-jährige Alexander Krebs, bisher kommissarischer Abteilungsleiter der Liegenschaftsabteilung des Bischöflichen Ordinariats Würzburg. Das hat der Pressedienst des Bischöflichen Ordinariats Würzburg mitgeteilt. Krebs, der seine Ausbildung zum Bürokaufmann im Bischöflichen Ordinariat absolvierte und bisher ausschließlich in verschiedenen Funktionen für die Diözese Würzburg tätig war, löst Interimsmanager Werner Philipp ab, der eingesprungen war, nachdem sich die Diözese im Juni 2018 überraschend von Geschäftsführer F. getrennt hatte.  

10. Dezember 2020: Die Staatsanwaltschaft Würzburg erhebt Anklage gegen den früheren Geschäftsführer vor der Wirtschaftskammer des Strafgerichts. Dem Beschuldigten wird laut Staatsanwaltschaft vorgeworfen, als Geschäftsführer der SBW das sogenannte Filetstück des Erbachshofs in Eisingen (Lkr. Würzburg) an ein Künstlerehepaar verkauft zu haben. Hierbei habe er ohne Zustimmung des Aufsichtsrats Nachlässe gewährt. Demgegenüber hätte der Beschuldigte das gesamte Areal, also das "Filetstück" samt einer Restfläche zu einem deutlich höheren Preis an andere Interessenten verkaufen können, so der Vorwurf.

28. Juli 2021: Die Diözese verliert auch in zweiter Instanz den Zivilprozess gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg sieht - wie zuvor das Arbeitsgericht Würzburg - keine Pflichtverletzungen. Es hält ihn nicht dafür verantwortlich, dass der Diözese bei der Anschaffung einer Skulptur des Künstlers für die Würzburger Kirchengemeinde St. Adalbero ein Schaden entstanden sein soll. Die Anschaffung war von der Diözese mit einem fünfstelligen Betrag finanziert worden. Die Diözese hatte dem Geschäftsführer vorgeworfen, die Anschaffung unterstützt zu haben, um dem Künstler den Kauf des Erbachshofs zu erleichtern. Mit dieser Klage war die Diözese bereits am Arbeitsgericht Würzburg gescheitert.     

23. September 2021: Auch die zweite Klage der Diözese gegen ihren früheren Geschäftsführer wird vom Arbeitsgericht Würzburg abgewiesen. In dieser Verhandlung ging es um die Anschaffung einer Skulptur Mehlers für die Kirchengemeinde St. Nikolas in Eisingen.  

28. September 2021: Auf Anfrage der Redaktion erklärt Berhard Schweßinger, Pressesprecher der Diözese: "Die Diözese Würzburg hat aufgrund entsprechender Anhaltspunkte Schadensersatzansprüche gegen für sie handelnde Personen im Zusammenhang mit der eventuell pflichtwidrigen Anschaffung von Kunstgegenständen eines Künstlers in zwei Fällen gegen eine Person bereits gerichtlich prüfen lassen. Die mit der Sache befassten Gerichte haben zwischenzeitlich im Ergebnis entsprechende Ansprüche verneint. Auf dieser Grundlage hat die Diözese entschieden, die gerichtliche Geltendmachung der entsprechenden Ansprüche auch gegen weitere handelnde Personen, darunter ein emeritierter Domkapitular, nicht weiterzuverfolgen." Denn die Diözese hatte nicht nur gegen F., sondern auch gegen den emeritierte Domkapitular und Kunstreferent Jürgen Lenssen sowie ihren damaligen Finanzdirektor Schadensersatzansprüche wegen des Ankaufs von Kunstwerken erhoben. Diese zivilen Klagen verfolgt sie jetzt nicht weiter.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft Würzburg gegen den Geschäftsführer wird am Landgericht noch geprüft und ist nach Auskunft eines Sprechers bislang nicht zur Verhandlung zugelassen.

19. Oktober 2021: Das Oberlandesgericht Bamberg bestätigt das Urteil des Landgerichts Würzburg zu Gehaltsforderungen des Ex-Geschäftsführers. Die Diözese muss rund 14 000 Euro an ihn zahlen, da sie ihn 2018 freigestellt aber nicht gekündigt hatte. Seit Anfang 2020 ist F. in Rente.       

Anfang 2023: Es wird bekannt, dass die Wirtschaftskammer des Landgerichts die Klage gegen den ehemaligen Geschäftsführer zugelassen hat. Dem ehemaligen Chef der Liegenschaftsabteilung des Bischöflichen Ordinariats wird vorgeworfen, in seiner Funktion als Geschäftsführer der SBW die Kirche um rund 300.000 Euro geschädigt zu haben. Dieser Schaden soll beim Verkauf des Erbachshofs bei Eisingen (Lkr. Würzburg) entstanden sein. Laut Anklageschrift hat er ein höheres Angebot für den Aussiedlerhof abgelehnt ohne darüber den Aufsichtsrat zu informieren. Durch den Verkauf an ein Künstlerehepaar für knapp 1,4 Millionen Euro seien der Diözese so 300.000 Euro entgangen. Eine persönliche Bereicherung wird dem 66-Jährigen nicht vorgeworfen.

28. März 2023: Das Landgericht Würzburg stellt den Prozess gegen den ehemaligen Geschäftsführer wegen Untreue ein. Noch vor der Beweisaufnahme erklärt der Vorsitzende Richter, dass die Befugnisse in der SBW nicht sauber geklärt gewesen seien und dem Angeklagten kein Fehlverhalten nachzuweisen sei. Dass beim Verkauf des Erbachshof der Kirche überhaupt ein finanzieller Schaden entstanden ist, stellt selbst der Staatsanwalt in Frage.    

 
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  • Walddoerferbua
    @Mainpost: Christine Jeske & Manuela Göbel: Hilfe, da ist ja das Niveau der Bild-Zeitung besser….. z. B. diese Aussage mal ordentlich recherchieren/klarstellen: „Die SBW-GmbH ist eine Schwesterfirma des zur Diözese gehörenden Wohnungsunternehmens St. Bruno-Werk“
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