Nach zwei Stunden ist die Verhandlung vor dem Landgericht Würzburg schon vorbei: Der Prozess um den wegen Untreue angeklagten langjährigen Immobilien-Chef des Bistums Würzburg wird ohne Auflagen eingestellt. "Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse", sagt der Vorsitzende Richter Boris Raufeisen.
Kurze Verhandlung - mit langer Vorgeschichte. Begonnen hatte das Verfahren 2018 mit einer Anzeige der Diözese Würzburg, die sich beim Verkauf ihrer Immobilie Erbachshof bei Eisingen (Lkr. Würzburg) an ein Künstler-Ehepaar geprellt sah. Das Geschäft hatte 2016 die Sankt Brunowerk-Bauträger- und Verwaltungs-GmbH (SBW) getätigt. Den Geschäftsführer und den Aufsichtsrat der SBW hatte die Diözese vor dem Gang zur Staatsanwaltschaft entlassen beziehungsweise aufgelöst.
Anklage: Befugnisse überschritten, Vermögensverlust herbeigeführt
Die Staatsanwaltschaft warf dem ehemaligen Geschäftsführer vor, ein besseres Angebot eines Würzburger Bauunternehmers für Hauptgebäude, Hallen und Freiflächen des Aussiedlerhofes ausgeschlagen zu haben. Der Aufsichtsrat der SBW sei von ihm nicht über dieses rund 300.000 Euro höhere Angebot informiert worden.
Staatsanwalt Dennis Peikert trägt dem Gericht an diesem Dienstag vor, dass der Geschäftsführer dem ihm "persönlich bekannten Künstler" außerdem Vergünstigungen eingeräumt habe. Fazit der Anklageschrift: Der damalige Geschäftsführer hat zum Nachteil des bischöflichen Stuhls seine Befugnisse überschritten und einen "Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeigeführt". Damit hat er sich der Untreue schuldig gemacht.
Verteidigung: "Vorwurf des Vermögensschadens löst sich in Luft aus"
Vor der Wirtschaftskammer des Landgerichts zerpflückt die Verteidigung wesentliche Punkte dieser Vorwürfe. Rechtsanwalt Hans-Jürgen Spilling erklärt anhand eines Gutachten, dass die Staatsanwaltschaft von einem zu niedrigen Verkaufspreis ausgegangen sei: "Der konstruierte Vorwurf eines Vermögensschadens löst sich deshalb in Luft aus."
Anhand von Protokollen legt die Verteidigung außerdem dar, dass der Aufsichtsrat und vor allem der damalige Finanzdirektor des Bistums über alle Details des Kaufvertrags mit dem Künstler-Ehepaar informiert waren. "Die Anklage macht zielgerichtet Stimmung gegen den Mandanten", so Spillings Vorwurf. Der frühere Geschäftsführer habe die Künstler auch nicht persönlich gekannt, sondern erst als Kaufinteressenten kennen gelernt.
Nach dieser Erklärung - und vor dem Auftritt des ersten Zeugen - macht Vorsitzender Richter Raufeisen dann einen überraschenden Vorschlag: auf die Beweisaufnahme zu verzichten und stattdessen über eine "Erledigung des Verfahrens" nachzudenken. "Es wäre ein erheblicher Ermittlungsaufwand nötig, um die Befugnisse zu klären", sagt Raufeisen zur Organisationsstruktur innerhalb der Diözese. Die Doppelfunktion, in denen der Angeklagte als Chef des bischöflichen Liegenschaftsamtes und Geschäftsführer der SBW tätig war, sei "nicht sauber getrennt gewesen". Gleiches habe auch für den Finanzdirektor gegolten, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der SBW war.
Wert der Immobilie Erbachshof in der Anklage falsch berechnet
Staatsanwalt Peikert ist schnell zur Einstellung bereit. Die Verteidigung habe Recht, der Wert des Erbachshofs sei in der Anklage falsch berechnet und ein entstandener Vermögensschaden allenfalls gering. Peikert weiter: "Wenn, dann hat der gesamte Aufsichtsrat einen Fehler gemacht."
Nach 15 Minuten Bedenkzeit stimmt auch die Verteidigung zu. Das Gericht verkündet nach kurzer Beratung die Einstellung des Verfahrens. In seinem Schlusswort nennt Raufeisen dieses Ergebnis "sachgerecht". Er wünscht dem 66-jährigen Beschuldigten "alles Gute" für seinen Ruhestand - und für eventuell weitere zivilgerichtliche Auseinandersetzungen.
Früherer Immobilienchef: "Richtiger Freispruch wäre mir lieber"
"Ein richtiger Freispruch wäre mir lieber gewesen", erklärte dieser im Gerichtssaal gegenüber der Redaktion. Eine Einstellung gilt im Unterschied zu dem Freispruch am Ende einer Verhandlung als Freispruch "zweiter Klasse", besonders, wenn diese mit Auflagen verbunden ist, was hier aber nicht der Fall ist. Die Diözese erklärte auf Anfrage: "wir nehmen das Ergebnis zur Kenntnis."
Alle waren ja seit Jahren in christlicher Freundschaft und beruflich miteinander verbunden....
Und wie viele ähnliche Geschäfte gab es in den Jahren vorher schon?
Oder glaubt jemand wirklich das dies ein Einzelfall wahr?
Wurde die Staatsanwaltschaft, in Person Peikert, tatsächlich erst in der Verhandlung davon überrascht, dass der Wert der Immobilie -eben von der Staatsanwaltschaft - *falsch angesetzt* wurde?
So dass Herr Peikert der Verteidigung ganz schnell "Recht gibt".
Hatten Herr Peikert und seine Mitarbeiter vorher keinen Zugang zu den oben genannten Protokollen? Aber gar nicht gelesen?
Dem Gericht ist irgendein Ermittlungsaufwand zu aufwendig?
Als Laien lässt einen das komplett ratlos zurück.
Was eine Posse (@mdeeg).
Das verstehe ich nicht. Daß der Wert einer Immobilie nicht einfach und eindeutig feststellbar ist, ist verständlich. Aber es müßte doch klar sein, was die beiden Interessenten geboten haben, wie hoch die Differenz ist und was wirklich gezahlt wurde.
Dies ist kein Einzelfall sondern übliche Praxis, § 160 StPO benennt die GESETZLICHE "Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung" wie folgt:
(1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.
(2) Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist....
Seit 20 Jahren verfolge ich als ehemaliger Polizeibeamter nun , wie eine zum Teil völlig außer Kontrolle agierende Staatsanwaltschaft dieses Gesetzespflichten grob missachtet, vorsätzlich verletzt, Entlastendes unterschlägt und gezielt Stimmung gegen Menschen im Vorfeld macht... richtig, Herr Spilling!
...."Staatsanwalt Pickert ist schnell zur Einstellung bereit. Die Verteidigung habe Recht, der Wert des Erbachshofs sei in der Anklage falsch berechnet und ein entstandener Vermögensschaden allenfalls gering."....
Was für eine Posse! Den Schaden zahlt für den offenkundig unbegründeten Verfolgungseifer und die von der Staatsanwaltschaft geschürte "Stimmung" zahlt wieder einmal der Steuerzahler. Die Folgen für Betroffene fallen wieder einmal unter den Tisch...?