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WÜRZBURG
SBW-Affäre weitet sich aus: Brandbrief an den Bischof
Würzburg in der Morgendämmerung       -  Drei ehemalige Aufsichtsräte sollen sich direkt schriftlich an Bischof Franz Jung gewandt haben: Sie wollen eine persönliche Aussprache. (Symbolbild)
Foto: Karl-Josef Hildenbrand (dpa) | Drei ehemalige Aufsichtsräte sollen sich direkt schriftlich an Bischof Franz Jung gewandt haben: Sie wollen eine persönliche Aussprache. (Symbolbild)
Gisela Schmidt
 und  Christine Jeske
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:51 Uhr

Die Finanzaffäre erschüttert weiter das bischöfliche Ordinariat: Nicht nur, dass gegen den ehemaligen Geschäftsführer der kirchlichen SBW Bauträger- und Verwaltungs-GmbH wegen Verdachts der Untreue ermittelt wird. Nun wurde bekannt, dass der bischöfliche Finanzdirektor Albrecht Siedler den Staat um Sozialabgaben geprellt hat.

Laut einem seit Juni rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Würzburg hat Siedler, der auch Mitglied des Diözesansteuerausschusses ist, sich der „Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt“ schuldig gemacht. Die Staatsanwaltschaft bestätigte auf Anfrage der Redaktion, dass der Finanzdirektor fast drei Jahre lang, von Januar 2013 bis Dezember 2015, Stipendiaten beim Ordinariat beschäftigt hat, ohne für die jungen Leute Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen.

Finanzdirektor Siedler gilt nun als vorbestraft

Ein Strafbefehl wird immer ohne öffentliche Gerichtsverhandlung erlassen. Der Adressat kann ihn annehmen – oder Einspruch dagegen einlegen. Tut er letzteres, muss eine öffentliche Gerichtsverhandlung stattfinden. Der bischöfliche Finanzdirektor hat seinen Strafbefehl akzeptiert und ist nun vorbestraft.

Zur Höhe des Strafbefehls gegen Albrecht Siedler wollte der Pressesprecher der Anklagebehörde, Thorsten Seebach, nicht viel sagen. Es war nur zu erfahren, dass die Anzahl der Tagessätze, zu deren Zahlung der bischöfliche Finanzdirektor verurteilt wurde, „deutlich über 90“ lag und dass sich die Geldstrafe „im mittleren fünfstelligen Bereich bewegt“. Der Oberstaatsanwalt betonte, dass die Verurteilung Siedlers in keinem Zusammenhang mit dem aktuellen Ermittlungsverfahren in Sachen SBW steht. Wie berichtet hat die Diözese den ehemaligen Geschäftsführer der kirchlichen SBW-Bauträger- und Verwaltungs-GmbH, Otmar F., wegen Verdachts der Untreue angezeigt.

Zum Fall Siedler war von der Diözese Würzburg bis Donnerstagabend keine Stellungnahme zu erhalten.

Wurde als einer der SBW-Aufsichtsräte entlassen: Adolf Bauer
Foto: A. Cronauer | Wurde als einer der SBW-Aufsichtsräte entlassen: Adolf Bauer

Albrecht Siedler ist studierter Betriebswirt und seit 2012 bischöflicher Finanzdirektor. Sein Vorgänger war der Würzburger Bürgermeister Adolf Bauer. Zusammen mit diesem, dem ehemaligen Bau- und Kunstreferenten der Diözese Jürgen Lenssen und dem Würzburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Bruno Greier saß Siedler auch als Vorsitzender im SBW-Aufsichtsrat, der nach mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten aufgelöst wurde. Inwieweit das Kontrollgremium seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt hat, muss jetzt die Staatsanwaltschaft prüfen.

Anwalt des SBW-Geschäftsführers ist verwundert über Informationspolitik

Indes ist der Rechtsanwalt des freigestellten Geschäftsführers der SBW-Bauträger- und Verwaltungs-GmbH verwundert. Matthias Heese von der Kanzlei Heese & Nied in Würzburg habe erst aus der Main-Post erfahren, dass die Diözese Würzburg nun doch gegen seinen Mandanten Otmar F. persönlich eine Anzeige wegen Untreue gestellt hat. „Bislang habe ich aus dem Bischöflichen Ordinariat keine Fakten übermittelt bekommen, sondern in den vergangenen Tagen sehr widersprüchliche Signale erhalten“, sagt Heese auf Nachfrage.

„Einmal hieß es, man wisse nicht, ob gegen Otmar F. eine Straftat vorliegt. Dann war zu hören, dass man sich von außen Hilfe zur Aufarbeitung holen wolle. In diesem Zusammenhang wurde Otmar F. gebeten, dabei mitzuhelfen“, so Heese.

Generalvikar Thomas Keßler ging zur Staatsanwaltschaft.
Foto: Patty Varasano | Generalvikar Thomas Keßler ging zur Staatsanwaltschaft.

Dies ergab sich laut Angaben des Rechtsanwalts bei einem Gespräch, das er kürzlich mit Generalvikar Thomas Keßler im Ordinariat geführt hat. „In seinem Beisein habe ich mit einem der Rechtsanwälte des Bistums, Sebastian Warken, telefoniert. Er regte an, ob man die Aufarbeitung nicht doch gemeinsam versucht. Statt aber eine Antwort meines Mandanten abzuwarten, wurde der Vorgang dann doch an die Staatsanwaltschaft abgegeben“, sagt Heese.

Auch die entlassenen Aufsichtsräte der SBW-GmbH – Adolf Bauer, Bruno Greier und Jürgen Lenssen – sollen verwundert sein über die Art und Weise der kurzfristigen Ablösung. Deshalb sollen sie sich laut gesicherter Informationen dieser Redaktion direkt schriftlich an Bischof Franz Jung gewandt haben.

Ehemalige Aufsichtsräte wünschen sich eine persönliche Aussprache

Sie seien über die Maßnahmen beziehungsweise die Satzungsänderung nicht vorher informiert worden. Dies hätte ihrer Meinung nach durchaus in den Gesellschafterversammlungen geschehen können – etwa durch Generalvikar Thomas Keßler, der dazu immer eingeladen gewesen, aber nie erschienen sei. Der Bischöfliche Stuhl ist der einzige Gesellschafter der SBW-GmbH.

Betroffen sollen die drei ehemaligen Aufsichtsräte darüber sein, dass ihre Abberufung mit den Vorfällen in anderen Bistümern begründet wird, etwa mit dem Finanzskandal in Limburg 2014, und der anschließend von der Deutschen Bischofskonferenz gestarteten sogenannten Transparenzoffensive. Bauer, Greier und Lenssen hätten sich dagegen verwahrt, mit Ereignissen in anderen Bistümern in Verbindung gebracht zu werden, die von der Allgemeinheit negativ bewertet worden seien und auf die sie keinerlei Einfluss gehabt hätten.

Die drei Ex-Aufsichtsräte wünschten sich nun eine persönliche Aussprache. Bislang sollen sie von Bischof Franz Jung noch keine Antwort oder eine Einladung dazu erhalten haben.

 
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  • M. N.
    Sehr geehrter Herr braunmattias,
    sie haben die Artikel sicher gelesen, ich habe nichts von wegbeichten u. Weihrauch gelesen oder Spitze des Eisbergs. Tatsache ist, dass gegen Herrn Finger wird ermittelt, wie in der Wirtschaft.
    Dem einen wird der Vorteil für die eigene Tasche vorgeworfen und dem anderen zum Vorteil für die Firma, wie es leider oft auch in der Wirtschaft vorkommt.
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  • M. B.
    Ich habe das Gefühl, dass hier nur die sprichwörtliche Spitze des Eisberges bislang bekannt ist. Die dicke Überraschung kommt vermutlich erst noch. In der freien Wirtschaft wird man für so etwas fristlos entlassen. In der katholischen Kirche kann man das einfach wegbeichten und mit Weihrauch vernebeln.
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  • M. B.
    Herr Siedler hat ein krummes Ding gedreht und um Hr. Finger wird Wirbel gemacht. So was nennt man Ablenkungsmanöver. grinsen grinsen grinsen
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  • A. B.
    Ihre Äußerungen sind nicht sehr hilfreich. Sie werfen wieder eine Art "Vernebelung" vor, die aber aus dem Text der MP überhaupt nicht zu entnehmen ist. Lehnen sie sich doch einfach zurück und warten sie ab, was die Staatsanwaltschaft dazu zu sagen hat - oder halten sie diese für korrupt und damit parteiisch??
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    Wichtig ist aber doch in erster Linie, dass da mal richtig aufgeräumt wird.
    Ohne Rücksicht auf Personen usw.
    Wie sagt das Sprichwort: Neue Besen kehren gut.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Da hat der alte Bischof ganz schön viel „Mist“ hinterlassen.
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