Diese Reise war ihr Wunsch gewesen. Auch wenn sie selbst nicht mehr dabei sein konnte: Gemeinsam mit ihrem Mann Ludwig organisierte Barbara Stamm noch den Ausflug ihrer Freunde nach Ostfriesland. Mit an Bord ist der ehemalige Fastnachts-Präsident Bernhard Schlereth aus Veitshöchheim genauso wie Stamms langjährige Münchner Büroleiterin Ulrike Weigl und etwa 20 weitere enge Weggefährten. Als der Omnibus an diesem Mittwochmorgen in Würzburg startet, ahnt die Gruppe noch nicht, dass sie am Mittag beim Zwischenstopp im Dom zu Hildesheim eine Kerze entzünden werden für jene Frau, die Schlereth als "die Mutter der Fastnachtsfamilie" bezeichnet.
Die Nachricht von Barbara Stamms Tod verbreitet sich schnell, und Ulrike Weigl, die mit ihr seit Jahrzehnten durch Höhen und Tiefen gegangen war, sagt am Telefon: "Vielleicht ist es ganz gut, dass wir ausgerechnet in dieser Stunde zusammen in einem Omnibus sitzen, da können wir uns gegenseitig trösten."
Schlereth wirkt am Telefon tief betroffen. Wenn er an Barbara Stamm denkt, fallen ihm vor allem zwei Worte ein: "Tiefe Dankbarkeit." Die CSU-Politikerin und die fränkische Fastnacht bildeten eine wunderbare Symbiose. Stamm genoss die unbeschwerten Stunden während und vor allem nach den Prunksitzungen in Veitshöchheim, die Fastnacht wiederum verliert in ihr eine starke Fürsprecherin. "Ohne sie gäbe es den Neubau des Deutschen Fastnacht-Museums sowie der Akademie in Kitzingen nicht", sagt Schlereth. Sie habe in München für die Finanzierung des 4,4 Millionen Euro teuren Baus gekämpft, der 2013 eröffnet wurde. "Ihre Stimme hatte einfach Gewicht."
Barbara Stamm gehörte zur Live-Sitzung "Fastnacht in Franken" wie die Flecklashexen und die Konfettikanone, und ihr "blaues Klääd" war fast zu einer Art Markenzeichen geworden. Sie und der ehemalige Ministerpräsidenten Günther Beckstein lebten die Fastnacht. "Sie war eine herzensgute Frau", sagt Beckstein auf Anfrage. "Verlässlich, mitfühlend , humorvoll, ich verbinde mit ihr wunderschöne Erinnerungen. Leider musste sie uns viel zu früh verlassen."
2019 wurde Barbara Stamm von der Narrenschar in Veitshöchheim geehrt: Zum Finale waren die Künstler allesamt in "blauen Kläädern" auf der Bühne erschienen und Volker Heißmann sang: "Aber dich gibt's nur einmal für mich." Da war Stamm zu Tränen gerührt. Sie wusste damals schon, dass der Krebs zurückgekehrt war. Die Stimmung in der Halle erinnerte an Abschied. Stamm sagte, mit der Fastnacht sei es eben wie mit allem im Leben: "Irgendwann ist Schluss."
Das "blaue Klääd", so plant es der Verband, wird einen Platz im Museum bekommen.
Jetzt hat Volker Heißmann daheim in Fürth feuchte Augen. "Es ist so schade", sagt er, "sie war unsere Mutter der Kompanie und hinterlässt eine große Lücke". Nie aufgesetzt, immer ehrlich, nahbar. "Sie hatte für jeden ein offenes Ohr und sagte immer: 'Die Leute mögen mich, ich mag die Leut'." Der Komödiant bewunderte besonders Stamms Durchhaltevermögen. Denn nach den Sitzungen in den Mainfrankensälen ging es oft hinaus in die Veitshöchheimer Nacht, wo bis zum Morgengrauen gefeiert wurde. Immer dabei: Barbara Stamm. "Beim Bäcker Weber gab's um 6 Uhr für den harten Kern Frühstück. Künstler, Kameraleute, Kabelträger, die Barbara hat immer alle Übriggebliebenen eingesammelt und mitgenommen." Und anschließend die Zeche bezahlt.
Einmal lud sie die ganze Gesellschaft nach durchgefeierter Nacht noch zu sich nach Hause in die Würzburger Zellerau ein. "Da stand sie dann um elf Uhr in ihrem blauen Kleid in der Küche und hat Weißwürste für uns warm gemacht", sagt Heißmann. "Sensationell."
Auch viele andere Künstlerinnen und Künstler aus "Fastnacht in Franken" trauern um Barbara Stamm. Bauchredner Sebastian Reich aus Würzburg beispielsweise schreibt auf Facebook: "Dankbar für viele schöne Begegnungen, Gespräche und lustige Momente! Lebe wohl und ruhe in Frieden, liebe Barbara Stamm!" Ines Procter, die närrische Putzfraa, ist traurig, weil ihr "Lachen fehlen wird" und dankbar, "weil ich dich kennenlernen durfte".
Fredi Breunig aus der Rhön hatte Barbara Stamm mehrmals zu Gast bei seinen kabarettistischen Frühschoppen. Er schreibt auf Facebook zum Tod der beliebten Politikerin: "Ein ganz toller Mensch ist heute leider von uns gegangen."
Silvia Kirchhof aus Gerolzhofen ist als Schauspielerin, Sängerin und Regisseurin auf den Bühnen der Region heimisch – und zaubert als Klinikclownin kranken Kindern ein Lachen ins Gesicht. Sie schreibt auf Facebook: "Dankbar für viele schöne Begegnungen, Gespräche und lustige Momente! Dankbar für die jahrelange Unterstützung unserer Arbeit der Klinikclowns Lachtränen Würzburg e.V. RIP liebe Barbara Stamm."
Bei Bernhard Schlereth, den Ehrenpräsidenten vom Fastnacht-Verband Franken, kommen am Mittwoch während der Fahrt nach Ostfriesland viele Erinnerungen hoch. Stamm besuchte ja auch kleinere Prunksitzungen, "und immer begegnete sie allen Menschen gleich". Sie sei nie abgehoben, immer geerdet gewesen. "Sie nahm jeden Menschen wichtig, war zugewandt." Und wie gerne habe sie gesungen.
Mit dem Lied vom "blauen Klääd" haben die Gebrüder Narr aus Karlstadt Barbara Stamm schon zu Lebzeiten eine Hymne gewidmet. Das wird bleiben. Nicht nur für Schlereth, sondern für viele Fastnachtsfreunde. "Es ist schon eine Ironie des Schicksals", sagt Schlereth noch. Sie habe ihre Freunde auf diese Wunschreise geschickt, und zeitgleich habe sie selbst "ihre letzte Reise" angetreten.
Deshalb formuliere ich es mal so:
Frau Stamm war in ihrer politischen Tätigkeit stets bemüht eigene Ziele zu erreichen und verkörperte mit Ihrer geselligen Art die Werte der CSU in herausragender Weise.