Die beiden Fürther Volker Heißmann (51) und Martin Rassau (54) kennen sich seit der Jugendzeit, seit 30 Jahren arbeiten sie intensiv zusammen. Zunächst gründeten sie eine Kleinkunstbühne, ehe sie 1998 in ihrer Heimatstadt die Comödie Fürth eröffneten. Ihren Durchbruch erlangten die Komödianten als Witwen "Waltraud & Mariechen". In diesen Rollen debütierten sie 1997 auch in Veitshöchheim bei der "Fastnacht in Franken" – und gehören seitdem zum Künstlerstamm der Sendung. Im Interview sprechen die beiden über die Herausforderungen in Corona-Zeiten, Glaube und Lebenskrisen.
Volker Heißmann: Ja, es fühlt sich alles so unwirklich an. Normalerweise ist die Woche in Veitshöchheim ein Höhepunkt in unserem Jahreslauf. Da bist du einfach in einer anderen Welt, in der Fastnachtswelt. Dass es diesmal so anders ist, nervt. Es ist ein ganz komisches Gefühl.
- Lesen Sie auch: "Fastnacht in Franken" - So geht die Corona-Ausgabe über die Bühne
- Markus Söder: "Im Fernsehen ist Fasching zulässig"
Martin Rassau: Wir beschäftigen 45 Festangestellte, auf der Lohnliste stehen insgesamt rund 70 Personen. Das Jahr 2020 war eine Katastrophe. Wobei jetzt die Sorgen größer sind als zu Beginn der Pandemie. Beim ersten Lockdown im März ging es allen gleich. Das war der Vorteil. Alles war zu. Alle waren daheim. Da war dieses Gefühl: Wir schaffen das.
Heißmann: Damals hat man alles noch mit einem Lächeln hingenommen, weil man gedacht hat: Die 14 Tage bekommen wir rum. Wir haben nicht damit gerechnet, dass das alles so lange geht und im Herbst noch mal viel schlimmer zurückkommt. Jetzt ist man ernüchtert: Ich denke, heuer werden wir nicht vor vollem Haus spielen können.
Rassau: Das ist ja das Ärgernis: Wir haben richtig viel Geld in die Hand genommen und unser Haus aufgerüstet und in Hygiene-Konzepte investiert. Wir haben in der Gastronomie wie im Theater ein neues Belüftungssystem installiert, das 99,5 Prozent der Bakterien und Viren tötet. Als alles fertig war und funktioniert hat, wie bei vielen anderen Theatern und Bühnen auch, wurde wieder alles zugemacht. Und der Staat kommt nicht in die Gänge, wie beispielsweise bei den Schulen. Dort hätte man die Digitalisierung vorantreiben und Hygiene-Konzepte erarbeiten können, ich sehe da nichts. Dabei wären wir ja schon froh, wenn wir vor einer reduzierten Zuschauerzahl spielen dürften.
Rassau: Kurzarbeitsregelung war und ist ein gutes Instrument. So konnten wir die Mitarbeiter bezahlen und auch etwas aufstocken. Schauspieler, die wir immer wieder engagieren, konnten wir ebenfalls in Kurzarbeit bringen, die hatten ja gar nichts mehr. Trotzdem haben drei Schauspieler aus unserem Stammensemble aufgegeben, die sind in andere Berufe gegangen.
Heißmann: Die Gutscheinlösung, die der Bund im Mai eingeführt hat, war gut: Bereits gekaufte Eintrittskarten wurden in Gutscheine umgewandelt, die bis Ende 2021 gültig sind. Dadurch ist Geld im Theater geblieben. Doch es nützt nichts, wenn wir Hunderttausende von Euro daliegen haben, die uns nicht gehören. Damit können wir nicht arbeiten, weil möglicherweise im nächsten Januar die Leute kommen und ihr Geld zurückfordern. Deshalb rühren wir das Geld nicht an, sondern werden das erst machen, wenn wir es auch wirklich eingespielt haben. Da wird es schon eng, wenn du ein halbes Jahr verminderten Umsatz hast und seit Monaten gar keinen. Bei uns ist noch nicht mal die versprochene Novemberhilfe angekommen – bis auf eine Anzahlung von 10000 Euro. Aber bei uns fließen sechsstellige Summen. Wir haben seit dem neuen Lockdown drei Löhne bezahlt – mit Weihnachtsgeld fast vier. Wie soll das ein normales Unternehmen stemmen können?
Heißmann: Es zahlt sich nun aus, dass wir immer gut gewirtschaftet und Rücklagen gebildet haben. Wir haben uns beiden noch nie Gewinne ausbezahlt, weil wir vorsorgen wollten für den Fall, dass einer von uns mal krank werden sollte und lange ausfällt. Das ist jetzt unser Vorteil.
Rassau: Warum wurde personell nicht mehr aufgerüstet? Es ist doch ein Unding, dass Gesundheitsämter teilweise ihre Zahlen noch per Fax melden. Und warum werden die Zahlen am Wochenende nicht komplett gemeldet? Das muss doch zu schaffen sein. Und dann sitzt Arbeitsminister Hubertus Heil einer Talkshow und sagt, dass die Regierung der Wirtschaft nicht vorschreiben kann, wie sie mit dem Thema Homeoffice umgehen soll. Da kriege ich einen Hals. Aber unseren Zweig kann man einfach dichtmachen.
Heißmann: Wie? Witzepräsident? Nein, nein, Vizepräsident. Vize. Nicht Witze.
Rassau: Der Fußball lebt von den Fernsehrechten.
Rassau: Aber wir haben nicht die gleichen Gagen.
Heißmann: Der BR hat mit uns mehr Produktionen gemacht im vergangenen Jahr, weil er uns helfen wollte. Dafür sind wir dankbar. Wir sind schon besser gestellt als die meisten soloselbstständigen Künstler, die jetzt nichts mehr haben und die nicht mal ihre Miete oder Lebensunterhaltungskosten als Betriebskosten angeben können. Aber zum Fußball: Die Lage ist bei vielen Klubs auf Messers Schneide. Es wird Vereine der ersten und zweiten Liga geben, die die Krise nicht überleben werden. Wenn Schalke beispielsweise aus der Bundesliga absteigt, ist der Verein platt.
Rassau: Allerdings, ich war Silvester zum ersten Mal seit 30 Jahren zu Hause. Das war total surreal.
Heißmann: Ich hatte zum ersten Mal im Leben einen Christbaum im Wohnzimmer. Ich musste mir extra einen Christbaumständer kaufen. Als ich meine erste eigene Wohnung hatte, haben wir schon unsere Weihnachtsrevue gespielt – mittlerweile über 1000 Mal. Wahnsinn! Wenn du jeden Tag auf einer Bühne voller Christbäumen stehst, bist du froh, wenn da nicht auch zuhause noch einer rumsteht.
Rassau: Ich bin nicht mehr in dieser Glaubensgemeinschaft.
Heißmann: Die Zuversicht, die Kraft, die man aus dem Glauben schöpfen kann, das hilft mir im Bestreben, den Menschen immer ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Ich weiß, dass mit Jesus Christus immer jemand hinter mir steht, der mich nicht fallen lässt.
Rassau: Nein, warum? Er soll seinen Glauben haben, ich komme auch ohne durchs Jahr.
Heißmann: Überhaupt nicht. Ich stärke ihn, und er stärkt mich. Wissen Sie, wir kennen uns seit 40 Jahren, unsere Comödie wird heuer 30 Jahre alt. Das Gute an Corona ist, dass man Zeit zur Reflektion hat. Was wir geschaffen haben in den vergangenen 30 Jahren, dass wir ein Theater haben, dass wir so viele Mitarbeiter haben, dass wir eine Institution sind und dass uns die Leute im deutschsprachigen Raum zum großen Teil kennen, das alles sind Geschenke, für die wir dankbar sind. Im normalen Arbeitsalltag macht man sich da gar keine Gedanken drüber.
Rassau: Das ist einfach erklärt: Jeder darf sein, wie er will. Man versucht nicht, den anderen zu verändern. Daraus ergibt sich Kreativität, aber auch Entspanntheit. Das Schöne ist: Man kann sich auf den anderen verlassen. Wenn ich auf der Bühne mal einen Durchhänger habe, weiß ich, es ist immer noch einer da, der dich wieder anschiebt.
Heißmann: Haben wir zum Glück ganz selten. Aber ja, wenn das so wäre, wäre Martin mit mein erster Ansprechpartner. Wir haben ja beide mit Bluthochdruck zu kämpfen. Wenn da einer eine Attacke hat, dann merkt man das.
Rassau: Man weiß, der andere lässt dich nicht hängen.
Heißmann: Heute würden wir in so einem Fall auch mal einen Auftritt absagen. Das mussten wir auch erst lernen. Ich bin mal mit einer Nierenkolik auf der Bühne gestanden. Das würde ich heute nie mehr machen. Die Leute sagen ja nicht: "Toll, obwohl er krank ist, hat er gespielt." Sie sagen: "Der war auch schon mal besser."
Heißmann: Sagen wir so: Ich habe eine vorgezogene Rente erlebt. Man wacht früh auf, lebt in den Tag hinein und am Abend schaut man fernsehen. Solange Nahrungsaufnahme und Darmfunktion klappen, ist es ein schöner Tag. Ich habe für mich beschlossen, das ist nichts für mich. Ich brauche keine Rente. Ich werde bis zu meinem Lebensende auf der Bühne stehen und spielen.
Rassau: Dann kannst du mir ja deine Rentenversicherung überschreiben, weil ich möchte schon irgendwann einmal in den Ruhestand gehen. Ganz aufhören, das wäre langweilig. Aber langsamer machen, das schon.
Heißmann: Weil wir hier viele Menschen liebgewonnen haben. Ein Stück weit bin ich Veitshöchheimer. Wenn ich alles hochrechne – auch mit privaten Besuchen – habe ich bestimmt schon ein Jahr meines Lebens in Veitshöchheim verbracht.
Rassau: Wär's ein Kurort, würdest du heuer eine Ehrennadel bekommen.
Heißmann: Man nimmt auch Teil am Schicksal der Leute. Als die frühere Pächterin vom Lokal "Treffpunkt" gestorben ist, bin ich beim nächsten Besuch in Veitshöchheim zum Friedhof gegangen und habe mich bei ihr verabschiedet.
Heißmann: Was sich bei mir eingebrannt hat: In der Anfangszeit kamen wir drei oder vier Jahre hintereinander als "Waltraud & Mariechen". Wir waren hinter der Bühne gestanden, und als der damalige Sitzungspräsident Detlev Wagenthaler gesagt hat: "So, und jetzt stehen zwei draußen", da gab es sofort einen Riesenapplaus. Die Leute haben sich so auf uns gefreut, das war Wahnsinn. Das waren unglaubliche Jahre. Jetzt gibt es einen Gewöhnungseffekt, aber wir haben das Gefühl, dass Waltraud & Mariechen zu Veitshöchheim gehören.
Rassau: Die Witwen sind unser "alter ego" geworden. Egal, was wir machen, für die Leute sind wir Waltraud & Mariechen. Ich wollte ja erst gar nicht nach Veitshöchheim. Ich kannte die Sendung nicht. Dass das dann so durch die Decke geht, hätte ich nie gedacht.
Rassau: Nein, nein. Es wird eine Überraschung geben. Dürfen wir das sagen, Volker?
Heißmann: Vielleicht so viel: Wir sind fürs Aktuelle zuständig, falls was passiert. Denn wenn der Söder am 4. Februar die Schulen zu- und die Puffs aufmacht, dann müssen wir das in der Sendung haben.
TV-Tipp: "Fastnacht in Franken", Freitag, 5. Februar, 20.15 Uhr, Bayerisches Fernsehen